Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.hier wiederum solche Beispiele anführen, welche die Verschiedenheit der Mittel charakterisiren, durch welche die Menschheit allmälig zum intellectuellen Besitz von einem großen Theile der Welt gelangt ist: Beispiele von erweiterter Naturkenntniß, von großen Begebenheiten und von der Erfindung neuer Organe. Die Kenntniß der Natur, als älteste Physik der Hellenen, war mehr aus inneren Anschauungen, aus der Tiefe des Gemüths als aus der Wahrnehmung der Erscheinungen geschöpft. Die Naturphilosophie der ionischen Physiologen ist auf den Urgrund des Entstehens, auf den Formenwechsel eines einigen Grundstoffes gerichtet; in der mathematischen Symbolik der Pythagoreer, in ihren Betrachtungen über Zahl und Gestalt offenbart sich dagegen eine Philosophie des Maaßes und der Harmonie. Indem die dorisch-italische Schule überall numerische Elemente sucht, hat sie von dieser Seite, durch eine gewisse Vorliebe für die Zahlenverhältnisse, die sie im Raum und in der Zeit erkennt, gleichsam den Grund zur späteren Ausbildung unserer Erfahrungswissenschaften gelegt. Die Geschichte der Weltanschauung, wie ich sie auffasse, bezeichnet nicht sowohl die oft wiederkehrenden Schwankungen zwischen Wahrheit und Irrthum, als die Hauptmomente der allmäligen Annäherung an die Wahrheit, an die richtige Ansicht der irdischen Kräfte und des Planetensystems. Sie zeigt uns, wie die Pythagoreer, nach dem Berichte des Philolaus aus Croton, die fortschreitende Bewegung der nicht rotirenden Erde, ihren Kreislauf um den Weltheerd (das Centralfeuer, Hestia) lehrten: wenn Plato und Aristoteles sich die Erde weder als hier wiederum solche Beispiele anführen, welche die Verschiedenheit der Mittel charakterisiren, durch welche die Menschheit allmälig zum intellectuellen Besitz von einem großen Theile der Welt gelangt ist: Beispiele von erweiterter Naturkenntniß, von großen Begebenheiten und von der Erfindung neuer Organe. Die Kenntniß der Natur, als älteste Physik der Hellenen, war mehr aus inneren Anschauungen, aus der Tiefe des Gemüths als aus der Wahrnehmung der Erscheinungen geschöpft. Die Naturphilosophie der ionischen Physiologen ist auf den Urgrund des Entstehens, auf den Formenwechsel eines einigen Grundstoffes gerichtet; in der mathematischen Symbolik der Pythagoreer, in ihren Betrachtungen über Zahl und Gestalt offenbart sich dagegen eine Philosophie des Maaßes und der Harmonie. Indem die dorisch-italische Schule überall numerische Elemente sucht, hat sie von dieser Seite, durch eine gewisse Vorliebe für die Zahlenverhältnisse, die sie im Raum und in der Zeit erkennt, gleichsam den Grund zur späteren Ausbildung unserer Erfahrungswissenschaften gelegt. Die Geschichte der Weltanschauung, wie ich sie auffasse, bezeichnet nicht sowohl die oft wiederkehrenden Schwankungen zwischen Wahrheit und Irrthum, als die Hauptmomente der allmäligen Annäherung an die Wahrheit, an die richtige Ansicht der irdischen Kräfte und des Planetensystems. Sie zeigt uns, wie die Pythagoreer, nach dem Berichte des Philolaus aus Croton, die fortschreitende Bewegung der nicht rotirenden Erde, ihren Kreislauf um den Weltheerd (das Centralfeuer, Hestia) lehrten: wenn Plato und Aristoteles sich die Erde weder als <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0144" n="139"/> hier wiederum solche Beispiele anführen, welche die Verschiedenheit der Mittel charakterisiren, durch welche die Menschheit allmälig zum intellectuellen Besitz von einem großen Theile der Welt gelangt ist: Beispiele von erweiterter <hi rendition="#g">Naturkenntniß,</hi> von großen <hi rendition="#g">Begebenheiten</hi> und von der Erfindung neuer <hi rendition="#g">Organe.</hi> </p> <p>Die <hi rendition="#g">Kenntniß der Natur,</hi> als älteste Physik der Hellenen, war mehr aus inneren Anschauungen, aus der Tiefe des Gemüths als aus der Wahrnehmung der Erscheinungen geschöpft. 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hier wiederum solche Beispiele anführen, welche die Verschiedenheit der Mittel charakterisiren, durch welche die Menschheit allmälig zum intellectuellen Besitz von einem großen Theile der Welt gelangt ist: Beispiele von erweiterter Naturkenntniß, von großen Begebenheiten und von der Erfindung neuer Organe.
Die Kenntniß der Natur, als älteste Physik der Hellenen, war mehr aus inneren Anschauungen, aus der Tiefe des Gemüths als aus der Wahrnehmung der Erscheinungen geschöpft. Die Naturphilosophie der ionischen Physiologen ist auf den Urgrund des Entstehens, auf den Formenwechsel eines einigen Grundstoffes gerichtet; in der mathematischen Symbolik der Pythagoreer, in ihren Betrachtungen über Zahl und Gestalt offenbart sich dagegen eine Philosophie des Maaßes und der Harmonie. Indem die dorisch-italische Schule überall numerische Elemente sucht, hat sie von dieser Seite, durch eine gewisse Vorliebe für die Zahlenverhältnisse, die sie im Raum und in der Zeit erkennt, gleichsam den Grund zur späteren Ausbildung unserer Erfahrungswissenschaften gelegt. Die Geschichte der Weltanschauung, wie ich sie auffasse, bezeichnet nicht sowohl die oft wiederkehrenden Schwankungen zwischen Wahrheit und Irrthum, als die Hauptmomente der allmäligen Annäherung an die Wahrheit, an die richtige Ansicht der irdischen Kräfte und des Planetensystems. Sie zeigt uns, wie die Pythagoreer, nach dem Berichte des Philolaus aus Croton, die fortschreitende Bewegung der nicht rotirenden Erde, ihren Kreislauf um den Weltheerd (das Centralfeuer, Hestia) lehrten: wenn Plato und Aristoteles sich die Erde weder als
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