Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.rotirend noch fortschreitend, sondern als unbeweglich im Mittelpunkt schwebend vorstellten. Hicetas von Syracus, der mindestens älter als Theophrast ist, Heraclides Ponticus und Ecphantus kannten die Achsendrehung der Erde; aber nur Aristarch von Samos und besonders Seleucus der Babylonier, anderthalb Jahrhunderte nach Alexander, wußten, daß die Erde nicht bloß rotire, sondern sich zugleich auch um die Sonne, als das Centrum des ganzen Planetensystems, bewege. Kehrte auch in den dunkeln Zeiten des Mittelalters durch christlichen Fanatismus und den herrschend bleibenden Einfluß des Ptolemäischen Systemes der Glaube an die Unbeweglichkeit der Erde zurück, wurde auch ihre Gestalt bei dem alexandrinischen Cosmas Indicopleustes wieder die Scheibe des Thales, so hatte dagegen ein deutscher Cardinal, Nicolaus de Cuß, zuerst die Geistesfreiheit und den Muth, fast hundert Jahre vor Copernicus, unserem Planeten zugleich wieder die Achsendrehung und die fortschreitende Bewegung zuzuschreiben. Nach Copernicus war Tycho's Lehre allerdings ein Rückschritt, aber ein Rückschritt von kurzer Dauer. Sobald eine große Masse genauer Beobachtungen, zu der Tycho selbst reichlich beigetragen, angesammelt war, konnte die richtige Ansicht des Weltbaues nicht auf lange verdrängt bleiben. Wir haben hier gezeigt, wie die Periode der Schwankungen vorzüglich die der Ahndungen und naturphilosophischen Phantasien gewesen ist. Nach der vervollkommneten Kenntniß der Natur, als einer gleichzeitigen Folge unmittelbarer Beobachtung und ideeller Combinationen, haben wir oben der Aufzählung großer Begebenheiten gedacht, d. i. solcher, durch welche der Horizont der Weltanschauung räumlich erweitert wurde. Zu diesen Begebenheiten rotirend noch fortschreitend, sondern als unbeweglich im Mittelpunkt schwebend vorstellten. Hicetas von Syracus, der mindestens älter als Theophrast ist, Heraclides Ponticus und Ecphantus kannten die Achsendrehung der Erde; aber nur Aristarch von Samos und besonders Seleucus der Babylonier, anderthalb Jahrhunderte nach Alexander, wußten, daß die Erde nicht bloß rotire, sondern sich zugleich auch um die Sonne, als das Centrum des ganzen Planetensystems, bewege. Kehrte auch in den dunkeln Zeiten des Mittelalters durch christlichen Fanatismus und den herrschend bleibenden Einfluß des Ptolemäischen Systemes der Glaube an die Unbeweglichkeit der Erde zurück, wurde auch ihre Gestalt bei dem alexandrinischen Cosmas Indicopleustes wieder die Scheibe des Thales, so hatte dagegen ein deutscher Cardinal, Nicolaus de Cuß, zuerst die Geistesfreiheit und den Muth, fast hundert Jahre vor Copernicus, unserem Planeten zugleich wieder die Achsendrehung und die fortschreitende Bewegung zuzuschreiben. Nach Copernicus war Tycho's Lehre allerdings ein Rückschritt, aber ein Rückschritt von kurzer Dauer. Sobald eine große Masse genauer Beobachtungen, zu der Tycho selbst reichlich beigetragen, angesammelt war, konnte die richtige Ansicht des Weltbaues nicht auf lange verdrängt bleiben. Wir haben hier gezeigt, wie die Periode der Schwankungen vorzüglich die der Ahndungen und naturphilosophischen Phantasien gewesen ist. Nach der vervollkommneten Kenntniß der Natur, als einer gleichzeitigen Folge unmittelbarer Beobachtung und ideeller Combinationen, haben wir oben der Aufzählung großer Begebenheiten gedacht, d. i. solcher, durch welche der Horizont der Weltanschauung räumlich erweitert wurde. Zu diesen Begebenheiten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0145" n="140"/> rotirend noch fortschreitend, sondern als unbeweglich im Mittelpunkt schwebend vorstellten. Hicetas von Syracus, der mindestens älter als Theophrast ist, Heraclides Ponticus und Ecphantus kannten die Achsendrehung der Erde; aber nur Aristarch von Samos und besonders Seleucus der Babylonier, anderthalb Jahrhunderte nach Alexander, wußten, daß die Erde nicht bloß rotire, sondern sich zugleich auch um die Sonne, als das Centrum des ganzen Planetensystems, bewege. Kehrte auch in den dunkeln Zeiten des Mittelalters durch christlichen Fanatismus und den herrschend bleibenden Einfluß des Ptolemäischen Systemes der Glaube an die Unbeweglichkeit der Erde zurück, wurde auch ihre Gestalt bei dem alexandrinischen Cosmas Indicopleustes wieder die Scheibe des Thales, so hatte dagegen ein deutscher Cardinal, Nicolaus de Cuß, zuerst die Geistesfreiheit und den Muth, fast hundert Jahre vor Copernicus, unserem Planeten zugleich wieder die Achsendrehung und die fortschreitende Bewegung zuzuschreiben. Nach Copernicus war Tycho's Lehre allerdings ein Rückschritt, aber ein Rückschritt von kurzer Dauer. Sobald eine große Masse genauer Beobachtungen, zu der Tycho selbst reichlich beigetragen, angesammelt war, konnte die richtige Ansicht des Weltbaues nicht auf lange verdrängt bleiben. Wir haben hier gezeigt, wie die Periode der Schwankungen vorzüglich die der Ahndungen und naturphilosophischen Phantasien gewesen ist.</p> <p>Nach der vervollkommneten Kenntniß der Natur, als einer gleichzeitigen Folge unmittelbarer Beobachtung und ideeller Combinationen, haben wir oben der Aufzählung großer <hi rendition="#g">Begebenheiten</hi> gedacht, d. i. solcher, durch welche der Horizont der Weltanschauung räumlich erweitert wurde. Zu diesen Begebenheiten </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [140/0145]
rotirend noch fortschreitend, sondern als unbeweglich im Mittelpunkt schwebend vorstellten. Hicetas von Syracus, der mindestens älter als Theophrast ist, Heraclides Ponticus und Ecphantus kannten die Achsendrehung der Erde; aber nur Aristarch von Samos und besonders Seleucus der Babylonier, anderthalb Jahrhunderte nach Alexander, wußten, daß die Erde nicht bloß rotire, sondern sich zugleich auch um die Sonne, als das Centrum des ganzen Planetensystems, bewege. Kehrte auch in den dunkeln Zeiten des Mittelalters durch christlichen Fanatismus und den herrschend bleibenden Einfluß des Ptolemäischen Systemes der Glaube an die Unbeweglichkeit der Erde zurück, wurde auch ihre Gestalt bei dem alexandrinischen Cosmas Indicopleustes wieder die Scheibe des Thales, so hatte dagegen ein deutscher Cardinal, Nicolaus de Cuß, zuerst die Geistesfreiheit und den Muth, fast hundert Jahre vor Copernicus, unserem Planeten zugleich wieder die Achsendrehung und die fortschreitende Bewegung zuzuschreiben. Nach Copernicus war Tycho's Lehre allerdings ein Rückschritt, aber ein Rückschritt von kurzer Dauer. Sobald eine große Masse genauer Beobachtungen, zu der Tycho selbst reichlich beigetragen, angesammelt war, konnte die richtige Ansicht des Weltbaues nicht auf lange verdrängt bleiben. Wir haben hier gezeigt, wie die Periode der Schwankungen vorzüglich die der Ahndungen und naturphilosophischen Phantasien gewesen ist.
Nach der vervollkommneten Kenntniß der Natur, als einer gleichzeitigen Folge unmittelbarer Beobachtung und ideeller Combinationen, haben wir oben der Aufzählung großer Begebenheiten gedacht, d. i. solcher, durch welche der Horizont der Weltanschauung räumlich erweitert wurde. Zu diesen Begebenheiten
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen
(2013-04-18T11:04:31Z)
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |