Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.Daß diese erste Entdeckung von Amerika in oder vor dem 11ten Jahrhundert nichts großes und bleibendes zu Erweiterung der physischen Weltanschauung schaffen konnte, wie es das Wiederauffinden desselben Continents durch Columbus am Ende des 15ten Jahrhunderts hervorbrachte, ergiebt sich aus dem Zustande der Uncultur des Volksstammes, welcher die erste Entdeckung machte, und aus der Natur der Gegenden, auf welche dieselbe beschränkt blieb. Durch keine wissenschaftliche Kenntniß waren die Scandinavier vorbereitet, um, über die Befriedigung des nächsten Bedürfnisses hinaus, die Länder, in denen sie sich angesiedelt, zu durchforschen. Als das eigentliche Mutterland jener neuen Colonien waren Grönland und Island zu betrachten, Regionen, in denen der Mensch alle Beschwerden eines unwirthbaren Klima's zu bekämpfen hatte. Der wunderbar organisirte isländische Freistaat erhielt allerdings seine Selbstständigkeit viertehalb hundert Jahre lang, bis die bürgerliche Freiheit unterging und das Land sich dem norwegischen König Hakon VI unterwarf. Die Blüthe der isländischen Litteratur, die Geschichtsschreibung, die Aufsammlung der Sagas und der Edda-Lieder bezeichnen das 12te und 13te Jahrhundert. Es ist eine merkwürdige Erscheinung in der Culturgeschichte der Völker, den Nationalschatz der ältesten Ueberlieferungen des europäischen Nordens, durch Unruhen in der Heimath gefährdet und nach Island übergetragen, dort sorgsam gepflegt und für die Nachwelt gerettet zu sehen. Diese Rettung, die entfernte Folge von Ingolf's erster Ansiedelung auf Island (875), ist eine wichtige Begebenheit in den Kreisen der Dichtung und schaffender Einbildungskraft Daß diese erste Entdeckung von Amerika in oder vor dem 11ten Jahrhundert nichts großes und bleibendes zu Erweiterung der physischen Weltanschauung schaffen konnte, wie es das Wiederauffinden desselben Continents durch Columbus am Ende des 15ten Jahrhunderts hervorbrachte, ergiebt sich aus dem Zustande der Uncultur des Volksstammes, welcher die erste Entdeckung machte, und aus der Natur der Gegenden, auf welche dieselbe beschränkt blieb. Durch keine wissenschaftliche Kenntniß waren die Scandinavier vorbereitet, um, über die Befriedigung des nächsten Bedürfnisses hinaus, die Länder, in denen sie sich angesiedelt, zu durchforschen. Als das eigentliche Mutterland jener neuen Colonien waren Grönland und Island zu betrachten, Regionen, in denen der Mensch alle Beschwerden eines unwirthbaren Klima's zu bekämpfen hatte. Der wunderbar organisirte isländische Freistaat erhielt allerdings seine Selbstständigkeit viertehalb hundert Jahre lang, bis die bürgerliche Freiheit unterging und das Land sich dem norwegischen König Hakon VI unterwarf. Die Blüthe der isländischen Litteratur, die Geschichtsschreibung, die Aufsammlung der Sagas und der Edda-Lieder bezeichnen das 12te und 13te Jahrhundert. Es ist eine merkwürdige Erscheinung in der Culturgeschichte der Völker, den Nationalschatz der ältesten Ueberlieferungen des europäischen Nordens, durch Unruhen in der Heimath gefährdet und nach Island übergetragen, dort sorgsam gepflegt und für die Nachwelt gerettet zu sehen. 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Als das eigentliche Mutterland jener neuen Colonien waren Grönland und Island zu betrachten, Regionen, in denen der Mensch alle Beschwerden eines unwirthbaren Klima's zu bekämpfen hatte. Der wunderbar organisirte isländische Freistaat erhielt allerdings seine Selbstständigkeit viertehalb hundert Jahre lang, bis die bürgerliche Freiheit unterging und das Land sich dem norwegischen König Hakon VI unterwarf. Die Blüthe der isländischen Litteratur, die Geschichtsschreibung, die Aufsammlung der Sagas und der Edda-Lieder bezeichnen das 12te und 13te Jahrhundert.</p> <p>Es ist eine merkwürdige Erscheinung in der Culturgeschichte der Völker, den Nationalschatz der ältesten Ueberlieferungen des europäischen Nordens, durch Unruhen in der Heimath gefährdet und nach Island übergetragen, dort sorgsam gepflegt und für die Nachwelt gerettet zu sehen. 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Daß diese erste Entdeckung von Amerika in oder vor dem 11ten Jahrhundert nichts großes und bleibendes zu Erweiterung der physischen Weltanschauung schaffen konnte, wie es das Wiederauffinden desselben Continents durch Columbus am Ende des 15ten Jahrhunderts hervorbrachte, ergiebt sich aus dem Zustande der Uncultur des Volksstammes, welcher die erste Entdeckung machte, und aus der Natur der Gegenden, auf welche dieselbe beschränkt blieb. Durch keine wissenschaftliche Kenntniß waren die Scandinavier vorbereitet, um, über die Befriedigung des nächsten Bedürfnisses hinaus, die Länder, in denen sie sich angesiedelt, zu durchforschen. Als das eigentliche Mutterland jener neuen Colonien waren Grönland und Island zu betrachten, Regionen, in denen der Mensch alle Beschwerden eines unwirthbaren Klima's zu bekämpfen hatte. Der wunderbar organisirte isländische Freistaat erhielt allerdings seine Selbstständigkeit viertehalb hundert Jahre lang, bis die bürgerliche Freiheit unterging und das Land sich dem norwegischen König Hakon VI unterwarf. Die Blüthe der isländischen Litteratur, die Geschichtsschreibung, die Aufsammlung der Sagas und der Edda-Lieder bezeichnen das 12te und 13te Jahrhundert.
Es ist eine merkwürdige Erscheinung in der Culturgeschichte der Völker, den Nationalschatz der ältesten Ueberlieferungen des europäischen Nordens, durch Unruhen in der Heimath gefährdet und nach Island übergetragen, dort sorgsam gepflegt und für die Nachwelt gerettet zu sehen. Diese Rettung, die entfernte Folge von Ingolf's erster Ansiedelung auf Island (875), ist eine wichtige Begebenheit in den Kreisen der Dichtung und schaffender Einbildungskraft
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Zitationshilfe: | Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/280>, abgerufen am 16.07.2024. |