Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.uns (bei dem ewig und regelmäßig wiederkehrenden Wechsel) in den Einklang der Wunderkräfte der Natur. Wer diese mit dem sinnigen Auge der Seele durchschaut, fühlt des Menschen Kleinheit bei der Größe des Weltalls."49 Leitete eine solche Verherrlichung Gottes in liebevoller Anschauung der Natur die christlichen Griechen zu dichterischen Naturschilderungen, so waren sie dabei auch immer, in den früheren Zeiten des neuen Glaubens, nach der Eigenthümlichkeit ihrer Sinnesart, voll Verachtung aller Werke der menschlichen Kunst. Chrysostomus sagt in unzähligen Stellen: "Siehst du schimmernde Gebäude, will dich der Anblick der Säulengänge verführen, so betrachte schnell das Himmelsgewölbe und die freien Felder, in welchen die Heerden am Ufer der Seen weiden. Wer verachtet nicht alle Schöpfungen der Kunst, wenn er in der Stille des Herzens früh die aufgehende Sonne bewundert, indem sie ihr goldenes (krokosgelbes) Licht über den Erdkreis gießt; wenn er, an einer Quelle im tiefen Grase oder unter dem dunkeln Schatten dichtbelaubter Bäume ruhend, sein Auge weidet an der weiten dämmernd hinschwindenden Ferne?"50 Antiochien war damals von Einsiedeleien umgeben, und in einer derselben lebte Chrysostomus. Es war als hätte die Beredsamkeit am Quell der Natur, in den damals waldigen Berggegenden von Syrien und Kleinasien ihr Element, die Freiheit, wiedergefunden. Als aber in den späteren, aller Geistescultur feindlichen Zeiten das Christenthum sich unter germanische und celtische Volksstämme verbreitete, die vormals, dem Naturdienst ergeben, in rohen Symbolen die erhaltenden und zerstörenden Mächte verehrten, wurden allmälig der nahe Umgang mit der Natur und das Aufspüren ihrer Kräfte, als zur Zau- uns (bei dem ewig und regelmäßig wiederkehrenden Wechsel) in den Einklang der Wunderkräfte der Natur. Wer diese mit dem sinnigen Auge der Seele durchschaut, fühlt des Menschen Kleinheit bei der Größe des Weltalls."49 Leitete eine solche Verherrlichung Gottes in liebevoller Anschauung der Natur die christlichen Griechen zu dichterischen Naturschilderungen, so waren sie dabei auch immer, in den früheren Zeiten des neuen Glaubens, nach der Eigenthümlichkeit ihrer Sinnesart, voll Verachtung aller Werke der menschlichen Kunst. Chrysostomus sagt in unzähligen Stellen: „Siehst du schimmernde Gebäude, will dich der Anblick der Säulengänge verführen, so betrachte schnell das Himmelsgewölbe und die freien Felder, in welchen die Heerden am Ufer der Seen weiden. Wer verachtet nicht alle Schöpfungen der Kunst, wenn er in der Stille des Herzens früh die aufgehende Sonne bewundert, indem sie ihr goldenes (krokosgelbes) Licht über den Erdkreis gießt; wenn er, an einer Quelle im tiefen Grase oder unter dem dunkeln Schatten dichtbelaubter Bäume ruhend, sein Auge weidet an der weiten dämmernd hinschwindenden Ferne?"50 Antiochien war damals von Einsiedeleien umgeben, und in einer derselben lebte Chrysostomus. Es war als hätte die Beredsamkeit am Quell der Natur, in den damals waldigen Berggegenden von Syrien und Kleinasien ihr Element, die Freiheit, wiedergefunden. Als aber in den späteren, aller Geistescultur feindlichen Zeiten das Christenthum sich unter germanische und celtische Volksstämme verbreitete, die vormals, dem Naturdienst ergeben, in rohen Symbolen die erhaltenden und zerstörenden Mächte verehrten, wurden allmälig der nahe Umgang mit der Natur und das Aufspüren ihrer Kräfte, als zur Zau- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0035" n="30"/> uns (bei dem ewig und regelmäßig wiederkehrenden Wechsel) in den Einklang der Wunderkräfte der Natur. 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Wer verachtet nicht alle Schöpfungen der Kunst, wenn er in der Stille des Herzens früh die aufgehende Sonne bewundert, indem sie ihr goldenes (krokosgelbes) Licht über den Erdkreis gießt; wenn er, an einer Quelle im tiefen Grase oder unter dem dunkeln Schatten dichtbelaubter Bäume ruhend, sein Auge weidet an der weiten dämmernd hinschwindenden Ferne?"<note xml:id="ftn49" next="#ftn49-text" place="end" n="50"/> Antiochien war damals von Einsiedeleien umgeben, und in einer derselben lebte Chrysostomus. 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uns (bei dem ewig und regelmäßig wiederkehrenden Wechsel) in den Einklang der Wunderkräfte der Natur. Wer diese mit dem sinnigen Auge der Seele durchschaut, fühlt des Menschen Kleinheit bei der Größe des Weltalls."
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Leitete eine solche Verherrlichung Gottes in liebevoller Anschauung der Natur die christlichen Griechen zu dichterischen Naturschilderungen, so waren sie dabei auch immer, in den früheren Zeiten des neuen Glaubens, nach der Eigenthümlichkeit ihrer Sinnesart, voll Verachtung aller Werke der menschlichen Kunst. Chrysostomus sagt in unzähligen Stellen: „Siehst du schimmernde Gebäude, will dich der Anblick der Säulengänge verführen, so betrachte schnell das Himmelsgewölbe und die freien Felder, in welchen die Heerden am Ufer der Seen weiden. Wer verachtet nicht alle Schöpfungen der Kunst, wenn er in der Stille des Herzens früh die aufgehende Sonne bewundert, indem sie ihr goldenes (krokosgelbes) Licht über den Erdkreis gießt; wenn er, an einer Quelle im tiefen Grase oder unter dem dunkeln Schatten dichtbelaubter Bäume ruhend, sein Auge weidet an der weiten dämmernd hinschwindenden Ferne?"
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Antiochien war damals von Einsiedeleien umgeben, und in einer derselben lebte Chrysostomus. Es war als hätte die Beredsamkeit am Quell der Natur, in den damals waldigen Berggegenden von Syrien und Kleinasien ihr Element, die Freiheit, wiedergefunden.
Als aber in den späteren, aller Geistescultur feindlichen Zeiten das Christenthum sich unter germanische und celtische Volksstämme verbreitete, die vormals, dem Naturdienst ergeben, in rohen Symbolen die erhaltenden und zerstörenden Mächte verehrten, wurden allmälig der nahe Umgang mit der Natur und das Aufspüren ihrer Kräfte, als zur Zau-
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(2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen
(2013-04-18T11:04:31Z)
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