Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.oder der iberischen Halbinsel nähert; aber der jetzt so allgemein gebrauchte, auch ethnologisch richtige Name indogermanischer Stämme sollte allein schon daran erinnern, daß man jenen Einflüssen des nordischen Winters nicht eine zu allgemeine Wirksamkeit zuschreiben müsse. Die überreiche dichterische Litteratur der Inder lehrt, daß zwischen den Wendekreisen und denselben nahe, südlich von der Himalaya-Kette, immer grüne und immer blüthenreiche Wälder die Einbildungskraft der ost-arischen Völker von je her lebhaft anregten, daß diese Völker sich zur naturbeschreibenden Poesie mehr noch hingeneigt fühlten als die im unwirthbaren Norden bis Island verbreiteten ächt germanischen Stämme. Eine Entbehrung oder wenigstens eine gewisse Unterbrechung des Naturgenusses ist aber auch den beglückteren Klimaten des südlichen Asiens eigen. Die Jahreszeiten sind schroff von einander geschieden, durch Wechsel von allbefruchtendem Regen und staubig verödender Dürre. In Persien (der west-arischen Hochebene) dringt die pflanzenleere Wüste mannigfach busenförmig in die gesegnetsten Fruchtländer ein. Waldung bildet oft in Mittel- und Vorderasien das Ufer der weitgedehnten inneren Steppenmeere. So gewähren dem Bewohner jener heißen Klimate die räumlichen Verhältnisse des Bodens in horizontaler Richtung denselben Contrast der Oede und des Pflanzenreichthums als in senkrechter Richtung die schneebedeckten Bergketten von Indien und Afghanistan. Großartige Contraste der Jahreszeiten, der Vegetation und der Höhe sind aber überall, wo eine lebendige Naturanschauung mit der ganzen Cultur und den religiösen Ahndungen eines Volksstammes verwebt ist, die anregenden Elemente dichterischer Phantasie. oder der iberischen Halbinsel nähert; aber der jetzt so allgemein gebrauchte, auch ethnologisch richtige Name indogermanischer Stämme sollte allein schon daran erinnern, daß man jenen Einflüssen des nordischen Winters nicht eine zu allgemeine Wirksamkeit zuschreiben müsse. Die überreiche dichterische Litteratur der Inder lehrt, daß zwischen den Wendekreisen und denselben nahe, südlich von der Himalaya-Kette, immer grüne und immer blüthenreiche Wälder die Einbildungskraft der ost-arischen Völker von je her lebhaft anregten, daß diese Völker sich zur naturbeschreibenden Poesie mehr noch hingeneigt fühlten als die im unwirthbaren Norden bis Island verbreiteten ächt germanischen Stämme. Eine Entbehrung oder wenigstens eine gewisse Unterbrechung des Naturgenusses ist aber auch den beglückteren Klimaten des südlichen Asiens eigen. Die Jahreszeiten sind schroff von einander geschieden, durch Wechsel von allbefruchtendem Regen und staubig verödender Dürre. In Persien (der west-arischen Hochebene) dringt die pflanzenleere Wüste mannigfach busenförmig in die gesegnetsten Fruchtländer ein. Waldung bildet oft in Mittel- und Vorderasien das Ufer der weitgedehnten inneren Steppenmeere. So gewähren dem Bewohner jener heißen Klimate die räumlichen Verhältnisse des Bodens in horizontaler Richtung denselben Contrast der Oede und des Pflanzenreichthums als in senkrechter Richtung die schneebedeckten Bergketten von Indien und Afghanistan. Großartige Contraste der Jahreszeiten, der Vegetation und der Höhe sind aber überall, wo eine lebendige Naturanschauung mit der ganzen Cultur und den religiösen Ahndungen eines Volksstammes verwebt ist, die anregenden Elemente dichterischer Phantasie. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0037" n="32"/> oder der iberischen Halbinsel nähert; aber der jetzt so allgemein gebrauchte, auch ethnologisch richtige Name <hi rendition="#g">indogermanischer</hi> Stämme sollte allein schon daran erinnern, daß man jenen Einflüssen des nordischen Winters nicht eine zu allgemeine Wirksamkeit zuschreiben müsse. Die überreiche dichterische Litteratur der Inder lehrt, daß zwischen den Wendekreisen und denselben nahe, südlich von der Himalaya-Kette, immer grüne und immer blüthenreiche Wälder die Einbildungskraft der <hi rendition="#g">ost-arischen Völker</hi> von je her lebhaft anregten, daß diese Völker sich zur naturbeschreibenden Poesie mehr noch hingeneigt fühlten als die im unwirthbaren Norden bis Island verbreiteten ächt germanischen Stämme. Eine Entbehrung oder wenigstens eine gewisse Unterbrechung des Naturgenusses ist aber auch den beglückteren Klimaten des südlichen Asiens eigen. Die Jahreszeiten sind schroff von einander geschieden, durch Wechsel von allbefruchtendem Regen und staubig verödender Dürre. In Persien (der west-arischen Hochebene) dringt die pflanzenleere Wüste mannigfach busenförmig in die gesegnetsten Fruchtländer ein. Waldung bildet oft in Mittel- und Vorderasien das Ufer der weitgedehnten inneren Steppenmeere. So gewähren dem Bewohner jener heißen Klimate die räumlichen Verhältnisse des Bodens in horizontaler Richtung denselben Contrast der Oede und des Pflanzenreichthums als in senkrechter Richtung die schneebedeckten Bergketten von Indien und Afghanistan. Großartige Contraste der Jahreszeiten, der Vegetation und der Höhe sind aber überall, wo eine lebendige Naturanschauung mit der ganzen Cultur und den religiösen Ahndungen eines Volksstammes verwebt ist, die anregenden Elemente dichterischer Phantasie.</p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [32/0037]
oder der iberischen Halbinsel nähert; aber der jetzt so allgemein gebrauchte, auch ethnologisch richtige Name indogermanischer Stämme sollte allein schon daran erinnern, daß man jenen Einflüssen des nordischen Winters nicht eine zu allgemeine Wirksamkeit zuschreiben müsse. Die überreiche dichterische Litteratur der Inder lehrt, daß zwischen den Wendekreisen und denselben nahe, südlich von der Himalaya-Kette, immer grüne und immer blüthenreiche Wälder die Einbildungskraft der ost-arischen Völker von je her lebhaft anregten, daß diese Völker sich zur naturbeschreibenden Poesie mehr noch hingeneigt fühlten als die im unwirthbaren Norden bis Island verbreiteten ächt germanischen Stämme. Eine Entbehrung oder wenigstens eine gewisse Unterbrechung des Naturgenusses ist aber auch den beglückteren Klimaten des südlichen Asiens eigen. Die Jahreszeiten sind schroff von einander geschieden, durch Wechsel von allbefruchtendem Regen und staubig verödender Dürre. In Persien (der west-arischen Hochebene) dringt die pflanzenleere Wüste mannigfach busenförmig in die gesegnetsten Fruchtländer ein. Waldung bildet oft in Mittel- und Vorderasien das Ufer der weitgedehnten inneren Steppenmeere. So gewähren dem Bewohner jener heißen Klimate die räumlichen Verhältnisse des Bodens in horizontaler Richtung denselben Contrast der Oede und des Pflanzenreichthums als in senkrechter Richtung die schneebedeckten Bergketten von Indien und Afghanistan. Großartige Contraste der Jahreszeiten, der Vegetation und der Höhe sind aber überall, wo eine lebendige Naturanschauung mit der ganzen Cultur und den religiösen Ahndungen eines Volksstammes verwebt ist, die anregenden Elemente dichterischer Phantasie.
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