Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.den Boden von Hindustan schmücken. Die Bindhya-Kette, lange die Grenzscheide der ost-arischen Völker, fällt noch in die Tropenzone, während ganz Persien jenseits des Wendekreises liegt, ja die persische Dichtung theilweise sogar dem nördlichen Boden von Balkh und Fergana zugehört. Die von den persischen Dichtern gefeierten vier Paradiese63 waren das anmuthige Thal von Soghd bei Samarkand, Maschanrud bei Hamadan, Scha'abi Bowan bei Kal'eh Sofid in Fars, und Ghute, die Ebene von Damascus. Beiden, Iran und Turan, fehlt indeß die Waldnatur und mit ihr das Einsiedlerleben des Waldes, welche beide so mächtig auf die Einbildungskraft der indischen Dichter gewirkt haben. Gärten, durch springende Wasser erfrischt, mit Rosengebüsch und Fruchtbäumen gefüllt, ersetzen nicht die wilden, großartigen Naturscenen von Hindustan. Kein Wunder daher, daß die beschreibende Poesie minder lebensfrisch, oft nüchtern und von gekünstelter Zierlichkeit ist. Wenn nach dem Sinne der Eingebornen das höchste Lob dem gezollt wird, was wir durch die Worte Geist und Witz bezeichnen, so muß die Bewunderung sich auf die Fruchtbarkeit der persischen Dichter, auf die unabsehbare Mannigfaltigkeit der Formen64 beschränken, unter welchen sie denselben Stoff zu behandeln wissen; Tiefe und Innigkeit der Gefühle werden vermißt. Auch die Schilderung der Landschaft unterbricht nur selten die Erzählung in dem National-Epos oder geschichtlichen Heldenbuche des Firdusi. Besonders anmuthig und von localer Wahrheit, die Milde des Klima's und Kraft der Vegetation beschreibend, scheint mir das Lob des Küstenlandes Mazenderan im Munde eines wandernden Sängers. Der König Kei Kawus wird durch dies Lob zu einem Zuge den Boden von Hindustan schmücken. Die Bindhya-Kette, lange die Grenzscheide der ost-arischen Völker, fällt noch in die Tropenzone, während ganz Persien jenseits des Wendekreises liegt, ja die persische Dichtung theilweise sogar dem nördlichen Boden von Balkh und Fergana zugehört. Die von den persischen Dichtern gefeierten vier Paradiese63 waren das anmuthige Thal von Soghd bei Samarkand, Maschanrud bei Hamadan, Scha'abi Bowan bei Kal'eh Sofid in Fars, und Ghute, die Ebene von Damascus. Beiden, Iran und Turan, fehlt indeß die Waldnatur und mit ihr das Einsiedlerleben des Waldes, welche beide so mächtig auf die Einbildungskraft der indischen Dichter gewirkt haben. Gärten, durch springende Wasser erfrischt, mit Rosengebüsch und Fruchtbäumen gefüllt, ersetzen nicht die wilden, großartigen Naturscenen von Hindustan. Kein Wunder daher, daß die beschreibende Poesie minder lebensfrisch, oft nüchtern und von gekünstelter Zierlichkeit ist. Wenn nach dem Sinne der Eingebornen das höchste Lob dem gezollt wird, was wir durch die Worte Geist und Witz bezeichnen, so muß die Bewunderung sich auf die Fruchtbarkeit der persischen Dichter, auf die unabsehbare Mannigfaltigkeit der Formen64 beschränken, unter welchen sie denselben Stoff zu behandeln wissen; Tiefe und Innigkeit der Gefühle werden vermißt. Auch die Schilderung der Landschaft unterbricht nur selten die Erzählung in dem National-Epos oder geschichtlichen Heldenbuche des Firdusi. Besonders anmuthig und von localer Wahrheit, die Milde des Klima's und Kraft der Vegetation beschreibend, scheint mir das Lob des Küstenlandes Mazenderan im Munde eines wandernden Sängers. Der König Kei Kawus wird durch dies Lob zu einem Zuge <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0047" n="42"/> den Boden von Hindustan schmücken. 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den Boden von Hindustan schmücken. Die Bindhya-Kette, lange die Grenzscheide der ost-arischen Völker, fällt noch in die Tropenzone, während ganz Persien jenseits des Wendekreises liegt, ja die persische Dichtung theilweise sogar dem nördlichen Boden von Balkh und Fergana zugehört. Die von den persischen Dichtern gefeierten vier Paradiese
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waren das anmuthige Thal von Soghd bei Samarkand, Maschanrud bei Hamadan, Scha'abi Bowan bei Kal'eh Sofid in Fars, und Ghute, die Ebene von Damascus. Beiden, Iran und Turan, fehlt indeß die Waldnatur und mit ihr das Einsiedlerleben des Waldes, welche beide so mächtig auf die Einbildungskraft der indischen Dichter gewirkt haben. Gärten, durch springende Wasser erfrischt, mit Rosengebüsch und Fruchtbäumen gefüllt, ersetzen nicht die wilden, großartigen Naturscenen von Hindustan. Kein Wunder daher, daß die beschreibende Poesie minder lebensfrisch, oft nüchtern und von gekünstelter Zierlichkeit ist. Wenn nach dem Sinne der Eingebornen das höchste Lob dem gezollt wird, was wir durch die Worte Geist und Witz bezeichnen, so muß die Bewunderung sich auf die Fruchtbarkeit der persischen Dichter, auf die unabsehbare Mannigfaltigkeit der Formen
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beschränken, unter welchen sie denselben Stoff zu behandeln wissen; Tiefe und Innigkeit der Gefühle werden vermißt.
Auch die Schilderung der Landschaft unterbricht nur selten die Erzählung in dem National-Epos oder geschichtlichen Heldenbuche des Firdusi. Besonders anmuthig und von localer Wahrheit, die Milde des Klima's und Kraft der Vegetation beschreibend, scheint mir das Lob des Küstenlandes Mazenderan im Munde eines wandernden Sängers. Der König Kei Kawus wird durch dies Lob zu einem Zuge
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