Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.nach dem caspischen Meere und zu einer neuen Eroberung angereizt.65 Die Frühlingsgedichte von Enweri, Dschelaleddin Rumi, Adhad und des halbindischen Feisi (der zweite gilt für den größten mystischen Dichter des Orients) athmen ein frisches Leben, da wo der kleinliche Drang nach spielenden Gleichnissen den Genuß nicht unbehaglich stört.66 Sadi im Bostan und Gulistan (Frucht- und Rosengarten), Hafiz, dessen fröhliche Lebensphilosophie man mit der des Horaz verglichen hat, bezeichnen, wie Joseph von Hammer in seinem großen Werke über die Geschichte der persischen Dichtung sich ausdrückt, der erste ein Zeitalter der Sittenlehre, der zweite als Minnesänger den höchsten Schwung der Lyrik; aber Schwulst und Ziererei verunstalten oft die Schilderung der Natur67. Der Lieblingsgegenstand der persischen Dichtung, "die Liebe der Nachtigall und der Rose", kehrt immer ermüdend wieder, und in den conventionellen Künsteleien der Blumensprache erstirbt im Morgenlande das innere Naturgefühl. Wenn wir von dem iranischen Hochlande durch Turan (im Zend Tauirja)68 nordwärts in die Europa und Asien scheidende Uralkette übergehn, so gelangen wir zu dem Ursitze des finnischen Stammes; denn der Ural ist ein alt-finnisches, wie der Altai ein alt-türkisches Land. Bei den finnischen Stämmen nun, die sich weit in Westen auf europäischem Boden in der Niederung angesiedelt, hat aus dem Munde der Karelier und der Landleute von Olonez Elias Lönnrot eine große Zahl finnischer Lieder gesammelt, in denen nach dem Ausdruck von Jacob Grimm69 "ein reges sinniges Naturgefühl waltet, wie es fast nur in indischen Dichtungen angetroffen wird". Ein altes Epos nach dem caspischen Meere und zu einer neuen Eroberung angereizt.65 Die Frühlingsgedichte von Enweri, Dschelaleddin Rumi, Adhad und des halbindischen Feisi (der zweite gilt für den größten mystischen Dichter des Orients) athmen ein frisches Leben, da wo der kleinliche Drang nach spielenden Gleichnissen den Genuß nicht unbehaglich stört.66 Sadi im Bostan und Gulistan (Frucht- und Rosengarten), Hafiz, dessen fröhliche Lebensphilosophie man mit der des Horaz verglichen hat, bezeichnen, wie Joseph von Hammer in seinem großen Werke über die Geschichte der persischen Dichtung sich ausdrückt, der erste ein Zeitalter der Sittenlehre, der zweite als Minnesänger den höchsten Schwung der Lyrik; aber Schwulst und Ziererei verunstalten oft die Schilderung der Natur67. Der Lieblingsgegenstand der persischen Dichtung, „die Liebe der Nachtigall und der Rose", kehrt immer ermüdend wieder, und in den conventionellen Künsteleien der Blumensprache erstirbt im Morgenlande das innere Naturgefühl. Wenn wir von dem iranischen Hochlande durch Turan (im Zend Tûirja)68 nordwärts in die Europa und Asien scheidende Uralkette übergehn, so gelangen wir zu dem Ursitze des finnischen Stammes; denn der Ural ist ein alt-finnisches, wie der Altai ein alt-türkisches Land. Bei den finnischen Stämmen nun, die sich weit in Westen auf europäischem Boden in der Niederung angesiedelt, hat aus dem Munde der Karelier und der Landleute von Olonez Elias Lönnrot eine große Zahl finnischer Lieder gesammelt, in denen nach dem Ausdruck von Jacob Grimm69 „ein reges sinniges Naturgefühl waltet, wie es fast nur in indischen Dichtungen angetroffen wird". 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nach dem caspischen Meere und zu einer neuen Eroberung angereizt.
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Die Frühlingsgedichte von Enweri, Dschelaleddin Rumi, Adhad und des halbindischen Feisi (der zweite gilt für den größten mystischen Dichter des Orients) athmen ein frisches Leben, da wo der kleinliche Drang nach spielenden Gleichnissen den Genuß nicht unbehaglich stört.
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Sadi im Bostan und Gulistan (Frucht- und Rosengarten), Hafiz, dessen fröhliche Lebensphilosophie man mit der des Horaz verglichen hat, bezeichnen, wie Joseph von Hammer in seinem großen Werke über die Geschichte der persischen Dichtung sich ausdrückt, der erste ein Zeitalter der Sittenlehre, der zweite als Minnesänger den höchsten Schwung der Lyrik; aber Schwulst und Ziererei verunstalten oft die Schilderung der Natur
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. Der Lieblingsgegenstand der persischen Dichtung, „die Liebe der Nachtigall und der Rose", kehrt immer ermüdend wieder, und in den conventionellen Künsteleien der Blumensprache erstirbt im Morgenlande das innere Naturgefühl.
Wenn wir von dem iranischen Hochlande durch Turan (im Zend Tûirja)
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nordwärts in die Europa und Asien scheidende Uralkette übergehn, so gelangen wir zu dem Ursitze des finnischen Stammes; denn der Ural ist ein alt-finnisches, wie der Altai ein alt-türkisches Land. Bei den finnischen Stämmen nun, die sich weit in Westen auf europäischem Boden in der Niederung angesiedelt, hat aus dem Munde der Karelier und der Landleute von Olonez Elias Lönnrot eine große Zahl finnischer Lieder gesammelt, in denen nach dem Ausdruck von Jacob Grimm
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„ein reges sinniges Naturgefühl waltet, wie es fast nur in indischen Dichtungen angetroffen wird". Ein altes Epos
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