Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

Bild:
<< vorherige Seite
blieb indeß Galilei wohlwollend gesinnt für die deutschen Astronomen. "Gli ingegni singolari, che in gran numero fioriscono nell' Alemagna, mi hanno lungo tempo tenuto in desiderio di vederla"; schreibt er im März 1611 (Opere T. II. p. 44). Auffallend ist es mir immer gewesen, daß, wenn Kepler in einem Gespräche mit Marius scherzhaft als Taufzeuge jener mythologischen Benennungen, Jo und Callisto, aufgeführt wird, derselbe weder in seinem in Prag (April 1610) erschienenen Commentar zum Nuncius Sidereus nuper ad mortales a Galilaeo missus, noch in seinen Briefen an Galilei oder an den Kaiser Rudolph (Herbst 1610) seines Landsmannes Marius Erwähnung thut, sondern überall von "der glorreichen Entdeckung der mediceischen Gestirne durch Galilei" spricht. Indem er seine eigenen Satelliten-Beobachtungen vom 4-9 Sept. 1610 veröffentlicht, giebt er einer kleinen zu Frankfurt 1611 erschienenen Schrift den Titel: Kepleri Narratio de observatis a se quatuor Jovis satellitibus erronibus quos Galilaeus Mathematicus Florentinus jure inventionis Medicea Sidera nuncupavit. Ein Brief aus Prag (25 Oct. 1610), an Galilei gerichtet, endigt mit den Worten: "neminem habes, quem metuas aemulum." Vergl. Venturi P. I. p. 100, 117, 139, 144 und 149. Durch einen Irrthum verleitet und nach einer sehr unsorgfältigen Durchsicht aller zu Petworth, dem Landsitze von Lord Egremont, aufbewahrten kostbaren Handschriften, hat Baron von Zach behauptet, daß der ausgezeichnete Astronom und virginische Reisende Thomas Harriot gleichzeitig mit Galilei und vielleicht selbst früher die Jupiterstrabanten entdeckt habe. Eine sorgfältigere von Rigaud angestellte Untersuchung von Harriot's Manuscripten hat gelehrt, daß seine Beobachtungen nicht am 16 Januar, sondern erst am 17 October 1610 anfangen, 9 Monate nach Galilei und Marius. (Vergl. Zach, Corr. astron. Vol. VII. p. 105; Rigaud, Account of Harriot's astron. papers Oxf. 1833 p. 37; Brewster, Martyrs of Science 1846 p. 32.) Die frühesten Originalbeobachtungen der Jupiterstrabanten, die Galilei und sein Schüler Renieri angestellt, sind erst vor zwei Jahren aufgefunden worden.
45 (S. 357.) Es sollte heißen 73 Jahre, denn das Verbot des copernicanischen Systems durch die Congregation des Index war vom 5 März 1616.
blieb indeß Galilei wohlwollend gesinnt für die deutschen Astronomen. »Gli ingegni singolari, che in gran numero fioriscono nell' Alemagna, mi hanno lungo tempo tenuto in desiderio di vederla«; schreibt er im März 1611 (Opere T. II. p. 44). Auffallend ist es mir immer gewesen, daß, wenn Kepler in einem Gespräche mit Marius scherzhaft als Taufzeuge jener mythologischen Benennungen, Jo und Callisto, aufgeführt wird, derselbe weder in seinem in Prag (April 1610) erschienenen Commentar zum Nuncius Sidereus nuper ad mortales a Galilaeo missus, noch in seinen Briefen an Galilei oder an den Kaiser Rudolph (Herbst 1610) seines Landsmannes Marius Erwähnung thut, sondern überall von „der glorreichen Entdeckung der mediceischen Gestirne durch Galilei" spricht. Indem er seine eigenen Satelliten-Beobachtungen vom 4–9 Sept. 1610 veröffentlicht, giebt er einer kleinen zu Frankfurt 1611 erschienenen Schrift den Titel: Kepleri Narratio de observatis a se quatuor Jovis satellitibus erronibus quos Galilaeus Mathematicus Florentinus jure inventionis Medicea Sidera nuncupavit. Ein Brief aus Prag (25 Oct. 1610), an Galilei gerichtet, endigt mit den Worten: »neminem habes, quem metuas aemulum.« Vergl. Venturi P. I. p. 100, 117, 139, 144 und 149. Durch einen Irrthum verleitet und nach einer sehr unsorgfältigen Durchsicht aller zu Petworth, dem Landsitze von Lord Egremont, aufbewahrten kostbaren Handschriften, hat Baron von Zach behauptet, daß der ausgezeichnete Astronom und virginische Reisende Thomas Harriot gleichzeitig mit Galilei und vielleicht selbst früher die Jupiterstrabanten entdeckt habe. Eine sorgfältigere von Rigaud angestellte Untersuchung von Harriot's Manuscripten hat gelehrt, daß seine Beobachtungen nicht am 16 Januar, sondern erst am 17 October 1610 anfangen, 9 Monate nach Galilei und Marius. (Vergl. Zach, Corr. astron. Vol. VII. p. 105; Rigaud, Account of Harriot's astron. papers Oxf. 1833 p. 37; Brewster, Martyrs of Science 1846 p. 32.) Die frühesten Originalbeobachtungen der Jupiterstrabanten, die Galilei und sein Schüler Renieri angestellt, sind erst vor zwei Jahren aufgefunden worden.
45 (S. 357.) Es sollte heißen 73 Jahre, denn das Verbot des copernicanischen Systems durch die Congregation des Index war vom 5 März 1616.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <note xml:id="ftn483-text" prev="#ftn483" place="end" n="44"><pb facs="#f0515" n="510"/>
blieb indeß Galilei wohlwollend gesinnt für die deutschen Astronomen. »Gli ingegni singolari, che in gran numero fioriscono nell' Alemagna, mi hanno lungo tempo tenuto in desiderio di vederla«; schreibt er im März 1611 <hi rendition="#g">(Opere</hi> T. II. p. 44). Auffallend ist es mir immer gewesen, daß, wenn Kepler in einem Gespräche mit Marius scherzhaft als Taufzeuge jener mythologischen Benennungen, Jo und Callisto, aufgeführt wird, derselbe weder in seinem in Prag (April 1610) erschienenen Commentar zum <hi rendition="#g">Nuncius Sidereus</hi> nuper ad mortales a <hi rendition="#g">Galilaeo</hi> missus, noch in seinen Briefen an Galilei oder an den Kaiser Rudolph (Herbst 1610) seines Landsmannes Marius Erwähnung thut, sondern überall von &#x201E;der glorreichen Entdeckung der mediceischen Gestirne durch Galilei" spricht. Indem er seine eigenen Satelliten-Beobachtungen vom 4&#x2013;9 Sept. 1610 veröffentlicht, giebt er einer kleinen zu Frankfurt 1611 erschienenen Schrift den Titel: <hi rendition="#g">Kepleri Narratio de observatis a se quatuor Jovis satellitibus erronibus</hi> quos <hi rendition="#g">Galilaeus</hi> Mathematicus Florentinus <hi rendition="#g">jure inventionis</hi> Medicea Sidera nuncupavit. Ein Brief aus Prag (25 Oct. 1610), an Galilei gerichtet, endigt mit den Worten: »neminem habes, quem metuas aemulum.« Vergl. <hi rendition="#g">Venturi</hi> P. I. p. 100, 117, 139, 144 und 149. Durch einen Irrthum verleitet und nach einer sehr unsorgfältigen Durchsicht aller zu Petworth, dem Landsitze von Lord Egremont, aufbewahrten kostbaren Handschriften, hat Baron von Zach behauptet, daß der ausgezeichnete Astronom und virginische Reisende Thomas Harriot gleichzeitig mit Galilei und vielleicht selbst früher die Jupiterstrabanten entdeckt habe. Eine sorgfältigere von Rigaud angestellte Untersuchung von Harriot's Manuscripten hat gelehrt, daß seine Beobachtungen nicht am 16 Januar, sondern erst am 17 October 1610 anfangen, 9 Monate nach Galilei und Marius. (Vergl. Zach, <hi rendition="#g">Corr. astron.</hi> Vol. VII. p. 105; <hi rendition="#g">Rigaud, Account of Harriot's astron. papers</hi> Oxf. 1833 p. 37; <hi rendition="#g">Brewster, Martyrs of Science</hi> 1846 p. 32.) Die frühesten Originalbeobachtungen der Jupiterstrabanten, die Galilei und sein Schüler Renieri angestellt, sind erst vor zwei Jahren aufgefunden worden.</note>
            <note xml:id="ftn484-text" prev="#ftn484" place="end" n="45"> (S. 357.) Es sollte heißen 73 Jahre, denn das Verbot des copernicanischen Systems durch die Congregation des <hi rendition="#g">Index</hi> war vom 5 März 1616.</note>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[510/0515] ⁴⁴ blieb indeß Galilei wohlwollend gesinnt für die deutschen Astronomen. »Gli ingegni singolari, che in gran numero fioriscono nell' Alemagna, mi hanno lungo tempo tenuto in desiderio di vederla«; schreibt er im März 1611 (Opere T. II. p. 44). Auffallend ist es mir immer gewesen, daß, wenn Kepler in einem Gespräche mit Marius scherzhaft als Taufzeuge jener mythologischen Benennungen, Jo und Callisto, aufgeführt wird, derselbe weder in seinem in Prag (April 1610) erschienenen Commentar zum Nuncius Sidereus nuper ad mortales a Galilaeo missus, noch in seinen Briefen an Galilei oder an den Kaiser Rudolph (Herbst 1610) seines Landsmannes Marius Erwähnung thut, sondern überall von „der glorreichen Entdeckung der mediceischen Gestirne durch Galilei" spricht. Indem er seine eigenen Satelliten-Beobachtungen vom 4–9 Sept. 1610 veröffentlicht, giebt er einer kleinen zu Frankfurt 1611 erschienenen Schrift den Titel: Kepleri Narratio de observatis a se quatuor Jovis satellitibus erronibus quos Galilaeus Mathematicus Florentinus jure inventionis Medicea Sidera nuncupavit. Ein Brief aus Prag (25 Oct. 1610), an Galilei gerichtet, endigt mit den Worten: »neminem habes, quem metuas aemulum.« Vergl. Venturi P. I. p. 100, 117, 139, 144 und 149. Durch einen Irrthum verleitet und nach einer sehr unsorgfältigen Durchsicht aller zu Petworth, dem Landsitze von Lord Egremont, aufbewahrten kostbaren Handschriften, hat Baron von Zach behauptet, daß der ausgezeichnete Astronom und virginische Reisende Thomas Harriot gleichzeitig mit Galilei und vielleicht selbst früher die Jupiterstrabanten entdeckt habe. Eine sorgfältigere von Rigaud angestellte Untersuchung von Harriot's Manuscripten hat gelehrt, daß seine Beobachtungen nicht am 16 Januar, sondern erst am 17 October 1610 anfangen, 9 Monate nach Galilei und Marius. (Vergl. Zach, Corr. astron. Vol. VII. p. 105; Rigaud, Account of Harriot's astron. papers Oxf. 1833 p. 37; Brewster, Martyrs of Science 1846 p. 32.) Die frühesten Originalbeobachtungen der Jupiterstrabanten, die Galilei und sein Schüler Renieri angestellt, sind erst vor zwei Jahren aufgefunden worden. ⁴⁵ (S. 357.) Es sollte heißen 73 Jahre, denn das Verbot des copernicanischen Systems durch die Congregation des Index war vom 5 März 1616.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/515
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 510. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/515>, abgerufen am 22.11.2024.