Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850.empirischen Gesetzen aus der Theorie der Massen-Anziehung oder Gravitation darbietet. Zu derselben Zeit aber, in der Newton schon erkannt hatte, daß alle Bewegungen der Weltkörper Folgen einer und derselben Kraft seien, hielt er die Gravitation selbst nicht, wie Kant, für eine Grundkraft der Materie40; sondern entweder für abgeleitet von einer, ihm noch unbekannten, höheren Kraft, oder für Folge eines "Umschwunges des Aethers, welcher den Weltraum erfüllt, und in den Zwischenräumen der Massentheilchen dünner ist, nach außen aber an Dichtigkeit zunimmt." Die letztere Ansicht ist umständlich in einem Briefe an Robert Boyle41 (vom 28 Febr. 1678) entwickelt, welcher mit den Worten endigt: "ich suche in dem Aether die Ursach der Gravitation". Acht Jahre später, wie man aus einem Schreiben an Halley ersieht, gab Newton diese Hypothese des dünneren und dichteren Aethers gänzlich auf.42 Besonders auffallend ist es, daß er neun Jahre vor seinem Tode, 1717, in der so überaus kurzen Vorrede zu der zweiten Auflage seiner Optik es für nöthig hielt bestimmt zu erklären, daß er die Gravitation keinesweges für eine Grundkraft der Materie (essential property of bodies) halte43: während Gilbert schon 1600 den Magnetismus für eine aller Materie inwohnende Kraft ansah. So schwankend war der tiefsinnigste, immer der Erfahrung zugewandte Denker, Newton selbst, über die "letzte mechanische Ursach" aller Bewegung. Es ist allerdings eine glänzende, des menschlichen Geistes würdige Aufgabe, die ganze Naturlehre von den Gesetzen der Schwere an bis zu dem Bildungstriebe in den belebten Körpern als ein organisches Ganzes aufzustellen; aber der empirischen Gesetzen aus der Theorie der Massen-Anziehung oder Gravitation darbietet. Zu derselben Zeit aber, in der Newton schon erkannt hatte, daß alle Bewegungen der Weltkörper Folgen einer und derselben Kraft seien, hielt er die Gravitation selbst nicht, wie Kant, für eine Grundkraft der Materie40; sondern entweder für abgeleitet von einer, ihm noch unbekannten, höheren Kraft, oder für Folge eines „Umschwunges des Aethers, welcher den Weltraum erfüllt, und in den Zwischenräumen der Massentheilchen dünner ist, nach außen aber an Dichtigkeit zunimmt.“ Die letztere Ansicht ist umständlich in einem Briefe an Robert Boyle41 (vom 28 Febr. 1678) entwickelt, welcher mit den Worten endigt: „ich suche in dem Aether die Ursach der Gravitation“. Acht Jahre später, wie man aus einem Schreiben an Halley ersieht, gab Newton diese Hypothese des dünneren und dichteren Aethers gänzlich auf.42 Besonders auffallend ist es, daß er neun Jahre vor seinem Tode, 1717, in der so überaus kurzen Vorrede zu der zweiten Auflage seiner Optik es für nöthig hielt bestimmt zu erklären, daß er die Gravitation keinesweges für eine Grundkraft der Materie (essential property of bodies) halte43: während Gilbert schon 1600 den Magnetismus für eine aller Materie inwohnende Kraft ansah. So schwankend war der tiefsinnigste, immer der Erfahrung zugewandte Denker, Newton selbst, über die „letzte mechanische Ursach“ aller Bewegung. Es ist allerdings eine glänzende, des menschlichen Geistes würdige Aufgabe, die ganze Naturlehre von den Gesetzen der Schwere an bis zu dem Bildungstriebe in den belebten Körpern als ein organisches Ganzes aufzustellen; aber der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0028" n="23"/> empirischen Gesetzen aus der Theorie der <hi rendition="#g">Massen-Anziehung</hi> oder <hi rendition="#g">Gravitation</hi> darbietet.</p> <p>Zu derselben Zeit aber, in der Newton schon erkannt hatte, daß alle Bewegungen der Weltkörper Folgen einer und derselben Kraft seien, hielt er die Gravitation selbst nicht, wie Kant, für eine Grundkraft der Materie<note xml:id="ftn40" next="ftn40-text" place="end" n="40"/>; sondern entweder für abgeleitet von einer, ihm noch unbekannten, höheren Kraft, oder für Folge eines „Umschwunges des Aethers, welcher den Weltraum erfüllt, und in den Zwischenräumen der Massentheilchen dünner ist, nach außen aber an Dichtigkeit zunimmt.“ Die letztere Ansicht ist umständlich in einem Briefe an Robert Boyle<note xml:id="ftn41" next="ftn41-text" place="end" n="41"/> (vom 28 Febr. 1678) entwickelt, welcher mit den Worten endigt: „ich suche in dem Aether die Ursach der Gravitation“. 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empirischen Gesetzen aus der Theorie der Massen-Anziehung oder Gravitation darbietet.
Zu derselben Zeit aber, in der Newton schon erkannt hatte, daß alle Bewegungen der Weltkörper Folgen einer und derselben Kraft seien, hielt er die Gravitation selbst nicht, wie Kant, für eine Grundkraft der Materie
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; sondern entweder für abgeleitet von einer, ihm noch unbekannten, höheren Kraft, oder für Folge eines „Umschwunges des Aethers, welcher den Weltraum erfüllt, und in den Zwischenräumen der Massentheilchen dünner ist, nach außen aber an Dichtigkeit zunimmt.“ Die letztere Ansicht ist umständlich in einem Briefe an Robert Boyle
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(vom 28 Febr. 1678) entwickelt, welcher mit den Worten endigt: „ich suche in dem Aether die Ursach der Gravitation“. Acht Jahre später, wie man aus einem Schreiben an Halley ersieht, gab Newton diese Hypothese des dünneren und dichteren Aethers gänzlich auf.
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Besonders auffallend ist es, daß er neun Jahre vor seinem Tode, 1717, in der so überaus kurzen Vorrede zu der zweiten Auflage seiner Optik es für nöthig hielt bestimmt zu erklären, daß er die Gravitation keinesweges für eine Grundkraft der Materie (essential property of bodies) halte
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: während Gilbert schon 1600 den Magnetismus für eine aller Materie inwohnende Kraft ansah. So schwankend war der tiefsinnigste, immer der Erfahrung zugewandte Denker, Newton selbst, über die „letzte mechanische Ursach“ aller Bewegung.
Es ist allerdings eine glänzende, des menschlichen Geistes würdige Aufgabe, die ganze Naturlehre von den Gesetzen der Schwere an bis zu dem Bildungstriebe in den belebten Körpern als ein organisches Ganzes aufzustellen; aber der
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Zitationshilfe: | Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850/28>, abgerufen am 16.07.2024. |