Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850.

Bild:
<< vorherige Seite
der Analogie ebenfalls dahin, daß man am südlichen Horizont zu erkennen glaubte, was man lange vorher gesucht. Erst als Amerigo Vespucci auf seiner zweiten Reise (Mai 1499 bis Sept. 1500) und Vicente Yannez Pinzon (beide Reisen sind vielleicht eine und dieselbe) in der südlichen Hemisphäre bis zum Cap San Augustin gelangten, beschäftigten sie sich fleißig, aber vergebens, mit dem Aufsuchen eines sichtbaren Sterns in der unmittelbaren Nähe des Südpols. (Bandini, Vita e Lettere di Amerigo Vespucci 1745 p. 70; Anghiera, Oceanica 1510 Dec. I lib. 9 p. 96; Humboldt, Examen crit. T. IV. p. 205, 319 und 325.) Der Südpol lag damals in der Constellation des Octanten, so daß b der Kleinen Wasserschlange, wenn man die Reduction nach dem Catalogus von Brisbane macht, noch volle 80° 5' südliche Declination hatte. "Indem ich mit den Wundern des südlichen Himmels beschäftigt war und umsonst einen Süd-Polarstern suchte", sagt Vespucci in dem Briefe an Pietro Francesco de' Medici, "erinnerte ich mich der Worte (de un detto) unseres Dante, als er im 1ten Capitel des Purgatorio fingirt aus einer Hemisphäre in die andere überzugehen, den antarctischen Pol beschreiben will und singt: Io mi volsi a man destra .... Mein Glaube ist, daß in diesen Versen der Dichter durch seine vier Sterne (non viste mai fuor ch'alla prima gente) den Pol des anderen Firmaments hat bezeichnen wollen. Ich bin um so gewisser, daß dem so sei, als ich in der That vier Sterne sah, die zusammen eine mandorla bildeten und eine geringe (?) Bewegung haben." Vespucci meint das südliche Kreuz, la croce maravigliosa des Andrea Corsali (Brief aus Cochin vom 6 Januar 1515 in Ramusio Vol. I. p. 177), dessen Namen er noch nicht kannte, das später allen Piloten (wie am Nordpole b und g des Kleinen Bären) zur Aufsuchung des Südpols (Mem. de l'Acad. des Sc. 1666-1699 T. VII. Part. 2. Paris 1729 p. 58) und zu Breiten-Bestimmungen (Pedro de Medina, Arte de Navegar 1545 libro V cap. 11 p. 204) diente. Vergl. meine Untersuchung der berühmten Stelle des Dante in dem Examen crit. de l'hist. de la Geogr. T. IV. p. 319-334. Eben da habe ich auch daran erinnert, daß a des südlichen Kreuzes, mit welchem in neuerer Zeit Dunlop (1826) und Rümker (1836) sich in Paramatta beschäftigt haben, zu den Sternen gehört, deren Vielfachheit am frühesten 1681 und 1687 von den Jesuiten Fontaney,
der Analogie ebenfalls dahin, daß man am südlichen Horizont zu erkennen glaubte, was man lange vorher gesucht. Erst als Amerigo Vespucci auf seiner zweiten Reise (Mai 1499 bis Sept. 1500) und Vicente Yañez Pinzon (beide Reisen sind vielleicht eine und dieselbe) in der südlichen Hemisphäre bis zum Cap San Augustin gelangten, beschäftigten sie sich fleißig, aber vergebens, mit dem Aufsuchen eines sichtbaren Sterns in der unmittelbaren Nähe des Südpols. (Bandini, Vita e Lettere di Amerigo Vespucci 1745 p. 70; Anghiera, Oceanica 1510 Dec. I lib. 9 p. 96; Humboldt, Examen crit. T. IV. p. 205, 319 und 325.) Der Südpol lag damals in der Constellation des Octanten, so daß b der Kleinen Wasserschlange, wenn man die Reduction nach dem Catalogus von Brisbane macht, noch volle 80° 5′ südliche Declination hatte. „Indem ich mit den Wundern des südlichen Himmels beschäftigt war und umsonst einen Süd-Polarstern suchte“, sagt Vespucci in dem Briefe an Pietro Francesco de' Medici, „erinnerte ich mich der Worte (de un detto) unseres Dante, als er im 1ten Capitel des Purgatorio fingirt aus einer Hemisphäre in die andere überzugehen, den antarctischen Pol beschreiben will und singt: Io mi volsi a man destra .... Mein Glaube ist, daß in diesen Versen der Dichter durch seine vier Sterne (non viste mai fuor ch'alla prima gente) den Pol des anderen Firmaments hat bezeichnen wollen. Ich bin um so gewisser, daß dem so sei, als ich in der That vier Sterne sah, die zusammen eine mandorla bildeten und eine geringe (?) Bewegung haben.“ Vespucci meint das südliche Kreuz, la croce maravigliosa des Andrea Corsali (Brief aus Cochin vom 6 Januar 1515 in Ramusio Vol. I. p. 177), dessen Namen er noch nicht kannte, das später allen Piloten (wie am Nordpole b und g des Kleinen Bären) zur Aufsuchung des Südpols (Mém. de l'Acad. des Sc. 1666–1699 T. VII. Part. 2. Paris 1729 p. 58) und zu Breiten-Bestimmungen (Pedro de Medina, Arte de Navegar 1545 libro V cap. 11 p. 204) diente. Vergl. meine Untersuchung der berühmten Stelle des Dante in dem Examen crit. de l'hist. de la Géogr. T. IV. p. 319–334. Eben da habe ich auch daran erinnert, daß a des südlichen Kreuzes, mit welchem in neuerer Zeit Dunlop (1826) und Rümker (1836) sich in Paramatta beschäftigt haben, zu den Sternen gehört, deren Vielfachheit am frühesten 1681 und 1687 von den Jesuiten Fontaney,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <note xml:id="ftn401-text" prev="ftn401" place="end" n="44"><pb facs="#f0366" n="361"/>
der Analogie ebenfalls dahin, daß man am südlichen Horizont zu erkennen glaubte, was man lange vorher gesucht. Erst als Amerigo Vespucci auf seiner zweiten Reise (Mai 1499 bis Sept. 1500) und Vicente Yañez Pinzon (beide Reisen sind vielleicht eine und dieselbe) in der südlichen Hemisphäre bis zum Cap San Augustin gelangten, beschäftigten sie sich fleißig, aber vergebens, mit dem Aufsuchen eines sichtbaren Sterns in der unmittelbaren Nähe des Südpols. <hi rendition="#g">(Bandini, Vita e Lettere di Amerigo Vespucci</hi> 1745 p. 70; <hi rendition="#g">Anghiera, Oceanica</hi> 1510 Dec. I lib. 9 p. 96; <hi rendition="#g">Humboldt, Examen crit.</hi> T. IV. p. 205, 319 und 325.) Der Südpol lag damals in der Constellation des Octanten, so daß <hi rendition="#g">b</hi> der Kleinen Wasserschlange, wenn man die Reduction nach dem Catalogus von Brisbane macht, noch volle 80° 5&#x2032; südliche Declination hatte. &#x201E;Indem ich mit den Wundern des südlichen Himmels beschäftigt war und umsonst einen Süd-Polarstern suchte&#x201C;, sagt Vespucci in dem Briefe an Pietro Francesco de' Medici, &#x201E;erinnerte ich mich der Worte (de un detto) unseres Dante, als er im 1ten Capitel des <hi rendition="#g">Purgatorio</hi> fingirt aus einer Hemisphäre in die andere überzugehen, den antarctischen Pol beschreiben will und singt: Io mi volsi a man destra .... Mein Glaube ist, daß in diesen Versen der Dichter durch seine vier Sterne (non viste mai fuor ch'alla prima gente) den Pol des anderen Firmaments hat bezeichnen wollen. Ich bin um so gewisser, daß dem so sei, als ich in der That vier Sterne sah, die zusammen eine mandorla bildeten und eine geringe (?) Bewegung haben.&#x201C; Vespucci meint das südliche Kreuz, la croce maravigliosa des Andrea Corsali (Brief aus Cochin vom 6 Januar 1515 in <hi rendition="#g">Ramusio</hi> Vol. I. p. 177), dessen Namen er noch nicht kannte, das später allen Piloten (wie am Nordpole <hi rendition="#g">b</hi> und <hi rendition="#g">g</hi> des Kleinen Bären) zur Aufsuchung des Südpols <hi rendition="#g">(Mém. de l'Acad. des Sc.</hi> 1666&#x2013;1699 T. VII. Part. 2. Paris 1729 p. 58) und zu Breiten-Bestimmungen (Pedro de <hi rendition="#g">Medina, Arte de Navegar</hi> 1545 libro V cap. 11 p. 204) diente. Vergl. meine Untersuchung der berühmten Stelle des Dante in dem <hi rendition="#g">Examen crit. de l'hist. de la Géogr.</hi> T. IV. p. 319&#x2013;334. Eben da habe ich auch daran erinnert, daß <hi rendition="#g">a</hi> des südlichen Kreuzes, mit welchem in neuerer Zeit Dunlop (1826) und Rümker (1836) sich in Paramatta beschäftigt haben, zu den Sternen gehört, deren Vielfachheit am frühesten 1681 und 1687 von den Jesuiten Fontaney,
</note>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[361/0366] ⁴⁴ der Analogie ebenfalls dahin, daß man am südlichen Horizont zu erkennen glaubte, was man lange vorher gesucht. Erst als Amerigo Vespucci auf seiner zweiten Reise (Mai 1499 bis Sept. 1500) und Vicente Yañez Pinzon (beide Reisen sind vielleicht eine und dieselbe) in der südlichen Hemisphäre bis zum Cap San Augustin gelangten, beschäftigten sie sich fleißig, aber vergebens, mit dem Aufsuchen eines sichtbaren Sterns in der unmittelbaren Nähe des Südpols. (Bandini, Vita e Lettere di Amerigo Vespucci 1745 p. 70; Anghiera, Oceanica 1510 Dec. I lib. 9 p. 96; Humboldt, Examen crit. T. IV. p. 205, 319 und 325.) Der Südpol lag damals in der Constellation des Octanten, so daß b der Kleinen Wasserschlange, wenn man die Reduction nach dem Catalogus von Brisbane macht, noch volle 80° 5′ südliche Declination hatte. „Indem ich mit den Wundern des südlichen Himmels beschäftigt war und umsonst einen Süd-Polarstern suchte“, sagt Vespucci in dem Briefe an Pietro Francesco de' Medici, „erinnerte ich mich der Worte (de un detto) unseres Dante, als er im 1ten Capitel des Purgatorio fingirt aus einer Hemisphäre in die andere überzugehen, den antarctischen Pol beschreiben will und singt: Io mi volsi a man destra .... Mein Glaube ist, daß in diesen Versen der Dichter durch seine vier Sterne (non viste mai fuor ch'alla prima gente) den Pol des anderen Firmaments hat bezeichnen wollen. Ich bin um so gewisser, daß dem so sei, als ich in der That vier Sterne sah, die zusammen eine mandorla bildeten und eine geringe (?) Bewegung haben.“ Vespucci meint das südliche Kreuz, la croce maravigliosa des Andrea Corsali (Brief aus Cochin vom 6 Januar 1515 in Ramusio Vol. I. p. 177), dessen Namen er noch nicht kannte, das später allen Piloten (wie am Nordpole b und g des Kleinen Bären) zur Aufsuchung des Südpols (Mém. de l'Acad. des Sc. 1666–1699 T. VII. Part. 2. Paris 1729 p. 58) und zu Breiten-Bestimmungen (Pedro de Medina, Arte de Navegar 1545 libro V cap. 11 p. 204) diente. Vergl. meine Untersuchung der berühmten Stelle des Dante in dem Examen crit. de l'hist. de la Géogr. T. IV. p. 319–334. Eben da habe ich auch daran erinnert, daß a des südlichen Kreuzes, mit welchem in neuerer Zeit Dunlop (1826) und Rümker (1836) sich in Paramatta beschäftigt haben, zu den Sternen gehört, deren Vielfachheit am frühesten 1681 und 1687 von den Jesuiten Fontaney,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850/366
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850/366>, abgerufen am 23.06.2024.