Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850.zugehöre. Diese, in der Geschichte der Astronomie bisher so wenig beachtete Ansicht der physischen Beschaffenheit des Sonnenkörpers hat viel7 Aehnlichkeit mit den jetzt herrschenden Meinungen. Die Sonnenflecken selbst, wie ich früher in den Geschichts-Epochen der physischen Weltanschauung8 entwickelt, sind nicht von Galilei, Scheiner oder Harriot, sondern von Johann Fabricius, dem Ostfriesen, zuerst gesehen und in gedruckten Schriften beschrieben worden. Sowohl der Entdecker als auch Galilei, wie dessen Brief an den Principe Cesi (vom 25 Mai 1612) beweist, wußten, daß die Flecken dem Sonnenkörper selbst angehören; aber 10 und 20 Jahre später behaupteten fast zugleich ein Canonicus von Sarlat, Jean Tarde, und ein belgischer Jesuit, daß die Sonnenflecken Durchgänge kleiner Planeten wären. Der Eine nannte sie Sidera Borbonia, der Andere Sidera Austriaca.9 Scheiner bediente sich zuerst bei Sonnen-Beobachtungen der, schon 70 Jahre früher von Apian (Bienewitz) im Astronomicum Caesareum vorgeschlagenen, auch von belgischen Piloten längst gebrauchten, blauen und grünen Blendgläser10, deren Nichtgebrauch viel zu Galilei's Erblindung beigetragen hat. Die bestimmteste Aeußerung über die Nothwendigkeit der Annahme einer dunklen Sonnenkugel, welche von einer Lichthülle (Photosphäre) umgeben sei, finde ich, durch wirkliche Beobachtung, nach Entdeckung der Sonnenflecken, hervorgerufen, zuerst bei dem großen Dominicus Cassini11 etwa um das Jahr 1671. Nach ihm ist die Sonnenscheibe, die wir sehen, "ein Licht-Ocean, welcher den festen und dunkelen Kern der Sonne umgiebt; gewaltsame Bewegungen (Aufwallungen), die in der Lichthülle vorgehen, lassen uns von Zeit zu Zeit zugehöre. Diese, in der Geschichte der Astronomie bisher so wenig beachtete Ansicht der physischen Beschaffenheit des Sonnenkörpers hat viel7 Aehnlichkeit mit den jetzt herrschenden Meinungen. Die Sonnenflecken selbst, wie ich früher in den Geschichts-Epochen der physischen Weltanschauung8 entwickelt, sind nicht von Galilei, Scheiner oder Harriot, sondern von Johann Fabricius, dem Ostfriesen, zuerst gesehen und in gedruckten Schriften beschrieben worden. Sowohl der Entdecker als auch Galilei, wie dessen Brief an den Principe Cesi (vom 25 Mai 1612) beweist, wußten, daß die Flecken dem Sonnenkörper selbst angehören; aber 10 und 20 Jahre später behaupteten fast zugleich ein Canonicus von Sarlat, Jean Tarde, und ein belgischer Jesuit, daß die Sonnenflecken Durchgänge kleiner Planeten wären. Der Eine nannte sie Sidera Borbonia, der Andere Sidera Austriaca.9 Scheiner bediente sich zuerst bei Sonnen-Beobachtungen der, schon 70 Jahre früher von Apian (Bienewitz) im Astronomicum Caesareum vorgeschlagenen, auch von belgischen Piloten längst gebrauchten, blauen und grünen Blendgläser10, deren Nichtgebrauch viel zu Galilei's Erblindung beigetragen hat. Die bestimmteste Aeußerung über die Nothwendigkeit der Annahme einer dunklen Sonnenkugel, welche von einer Lichthülle (Photosphäre) umgeben sei, finde ich, durch wirkliche Beobachtung, nach Entdeckung der Sonnenflecken, hervorgerufen, zuerst bei dem großen Dominicus Cassini11 etwa um das Jahr 1671. Nach ihm ist die Sonnenscheibe, die wir sehen, „ein Licht-Ocean, welcher den festen und dunkelen Kern der Sonne umgiebt; gewaltsame Bewegungen (Aufwallungen), die in der Lichthülle vorgehen, lassen uns von Zeit zu Zeit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0388" n="383"/> zugehöre. 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Der Eine nannte sie Sidera Borbonia, der Andere Sidera Austriaca.<note xml:id="ftn468" next="#ftn468-text" place="end" n="9"/> Scheiner bediente sich zuerst bei Sonnen-Beobachtungen der, schon 70 Jahre früher von Apian (Bienewitz) im <hi rendition="#g">Astronomicum Caesareum</hi> vorgeschlagenen, auch von belgischen Piloten längst gebrauchten, blauen und grünen Blendgläser<note xml:id="ftn469" next="#ftn469-text" place="end" n="10"/>, deren Nichtgebrauch viel zu Galilei's Erblindung beigetragen hat.</p> <p>Die bestimmteste Aeußerung über die Nothwendigkeit der Annahme einer dunklen Sonnenkugel, welche von einer Lichthülle (Photosphäre) umgeben sei, finde ich, durch wirkliche Beobachtung, nach Entdeckung der Sonnenflecken, hervorgerufen, zuerst bei dem großen Dominicus Cassini<note xml:id="ftn470" next="#ftn470-text" place="end" n="11"/> etwa um das Jahr 1671. 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zugehöre. Diese, in der Geschichte der Astronomie bisher so wenig beachtete Ansicht der physischen Beschaffenheit des Sonnenkörpers hat viel
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Aehnlichkeit mit den jetzt herrschenden Meinungen.
Die Sonnenflecken selbst, wie ich früher in den Geschichts-Epochen der physischen Weltanschauung
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entwickelt, sind nicht von Galilei, Scheiner oder Harriot, sondern von Johann Fabricius, dem Ostfriesen, zuerst gesehen und in gedruckten Schriften beschrieben worden. Sowohl der Entdecker als auch Galilei, wie dessen Brief an den Principe Cesi (vom 25 Mai 1612) beweist, wußten, daß die Flecken dem Sonnenkörper selbst angehören; aber 10 und 20 Jahre später behaupteten fast zugleich ein Canonicus von Sarlat, Jean Tarde, und ein belgischer Jesuit, daß die Sonnenflecken Durchgänge kleiner Planeten wären. Der Eine nannte sie Sidera Borbonia, der Andere Sidera Austriaca.
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Scheiner bediente sich zuerst bei Sonnen-Beobachtungen der, schon 70 Jahre früher von Apian (Bienewitz) im Astronomicum Caesareum vorgeschlagenen, auch von belgischen Piloten längst gebrauchten, blauen und grünen Blendgläser
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, deren Nichtgebrauch viel zu Galilei's Erblindung beigetragen hat.
Die bestimmteste Aeußerung über die Nothwendigkeit der Annahme einer dunklen Sonnenkugel, welche von einer Lichthülle (Photosphäre) umgeben sei, finde ich, durch wirkliche Beobachtung, nach Entdeckung der Sonnenflecken, hervorgerufen, zuerst bei dem großen Dominicus Cassini
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etwa um das Jahr 1671. Nach ihm ist die Sonnenscheibe, die wir sehen, „ein Licht-Ocean, welcher den festen und dunkelen Kern der Sonne umgiebt; gewaltsame Bewegungen (Aufwallungen), die in der Lichthülle vorgehen, lassen uns von Zeit zu Zeit
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