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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858.

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Theile der Erdrinde, wo der Ausbruch des geschmolzenen Inneren, sei es durch die mindere Dicke der Gesteinschichten, sei es durch ihre Naturbeschaffenheit oder ursprüngliche Zerklüftung, minderen Widerstand gefunden hat. Drei Breitengrade umfaßt der Raum, in dem die vulkanische Thätigkeit sich furchtbar äußert im Aetna, in den Aeolischen Inseln, im Vesuv, und dem Brandland (den phlegräischen Feldern), von Puteoli (Dicäarchia) an bis Cumä und bis zum feuerspeienden Epopeus auf Ischia, der tyrrhenischen Affen-Insel Aenaria. Ein solcher Zusammenhang analoger Erscheinungen konnte den Griechen nicht entgehen. Strabo sagt: "Das ganze von Cumä beginnende Meer bis Sicilien ist mit Feuer durchzogen, und hat in der Tiefe gewisse, unter einander und mit dem Festlande sich in eins verbindende Hohlgänge.61 Es zeigen sich in solcher (entzündlicher) Natur, wie ihn Alle beschreiben, nicht nur der Aetna, sondern auch die Gegenden um Dicäarchia und Neapolis, um Bajä und Pithecusä"; daraus entstand die Fabel, daß Typhon unter Sicilien lagere und daß, wenn er sich kehre, Flammen und Gewässer hervorbrechen, ja zuweilen auch kleine Eilande mit siedendem Wasser. "Oftmals sind zwischen Strongyle und Lipara (in diesem weiten Bezirke) auf die Oberfläche des Meeres hervorbrechende Flammen gesehen worden, indem das Feuer aus den Höhlungen in der Tiefe sich einen Durchgang öffnete und mit Gewalt nach außen hervordrang." Im Pindar62 ist der Körper des Typhon von solcher Ausdehnung, daß "Sicilien und die meerumgrenzten Höhen über Cumä (Phlegra, das Brandfeld, genannt) auf der zottigen Brust des Unthiers liegen".

So war Typhon (der tobende Enceladus) in der griechischen Volksphantasie die mythische Bezeichnung der unbekannten,

Theile der Erdrinde, wo der Ausbruch des geschmolzenen Inneren, sei es durch die mindere Dicke der Gesteinschichten, sei es durch ihre Naturbeschaffenheit oder ursprüngliche Zerklüftung, minderen Widerstand gefunden hat. Drei Breitengrade umfaßt der Raum, in dem die vulkanische Thätigkeit sich furchtbar äußert im Aetna, in den Aeolischen Inseln, im Vesuv, und dem Brandland (den phlegräischen Feldern), von Puteoli (Dicäarchia) an bis Cumä und bis zum feuerspeienden Epopeus auf Ischia, der tyrrhenischen Affen-Insel Aenaria. Ein solcher Zusammenhang analoger Erscheinungen konnte den Griechen nicht entgehen. Strabo sagt: „Das ganze von Cumä beginnende Meer bis Sicilien ist mit Feuer durchzogen, und hat in der Tiefe gewisse, unter einander und mit dem Festlande sich in eins verbindende Hohlgänge.61 Es zeigen sich in solcher (entzündlicher) Natur, wie ihn Alle beschreiben, nicht nur der Aetna, sondern auch die Gegenden um Dicäarchia und Neapolis, um Bajä und Pithecusä"; daraus entstand die Fabel, daß Typhon unter Sicilien lagere und daß, wenn er sich kehre, Flammen und Gewässer hervorbrechen, ja zuweilen auch kleine Eilande mit siedendem Wasser. „Oftmals sind zwischen Strongyle und Lipara (in diesem weiten Bezirke) auf die Oberfläche des Meeres hervorbrechende Flammen gesehen worden, indem das Feuer aus den Höhlungen in der Tiefe sich einen Durchgang öffnete und mit Gewalt nach außen hervordrang." Im Pindar62 ist der Körper des Typhon von solcher Ausdehnung, daß „Sicilien und die meerumgrenzten Höhen über Cumä (Phlegra, das Brandfeld, genannt) auf der zottigen Brust des Unthiers liegen".

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[304/0309] Theile der Erdrinde, wo der Ausbruch des geschmolzenen Inneren, sei es durch die mindere Dicke der Gesteinschichten, sei es durch ihre Naturbeschaffenheit oder ursprüngliche Zerklüftung, minderen Widerstand gefunden hat. Drei Breitengrade umfaßt der Raum, in dem die vulkanische Thätigkeit sich furchtbar äußert im Aetna, in den Aeolischen Inseln, im Vesuv, und dem Brandland (den phlegräischen Feldern), von Puteoli (Dicäarchia) an bis Cumä und bis zum feuerspeienden Epopeus auf Ischia, der tyrrhenischen Affen-Insel Aenaria. Ein solcher Zusammenhang analoger Erscheinungen konnte den Griechen nicht entgehen. Strabo sagt: „Das ganze von Cumä beginnende Meer bis Sicilien ist mit Feuer durchzogen, und hat in der Tiefe gewisse, unter einander und mit dem Festlande sich in eins verbindende Hohlgänge. ⁶¹ Es zeigen sich in solcher (entzündlicher) Natur, wie ihn Alle beschreiben, nicht nur der Aetna, sondern auch die Gegenden um Dicäarchia und Neapolis, um Bajä und Pithecusä"; daraus entstand die Fabel, daß Typhon unter Sicilien lagere und daß, wenn er sich kehre, Flammen und Gewässer hervorbrechen, ja zuweilen auch kleine Eilande mit siedendem Wasser. „Oftmals sind zwischen Strongyle und Lipara (in diesem weiten Bezirke) auf die Oberfläche des Meeres hervorbrechende Flammen gesehen worden, indem das Feuer aus den Höhlungen in der Tiefe sich einen Durchgang öffnete und mit Gewalt nach außen hervordrang." Im Pindar ⁶² ist der Körper des Typhon von solcher Ausdehnung, daß „Sicilien und die meerumgrenzten Höhen über Cumä (Phlegra, das Brandfeld, genannt) auf der zottigen Brust des Unthiers liegen". So war Typhon (der tobende Enceladus) in der griechischen Volksphantasie die mythische Bezeichnung der unbekannten,

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Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858/309>, abgerufen am 20.05.2024.