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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858.

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Diese Bemerkung leitete ihn schon auf den Gedanken, der in späteren Jahrhunderten so viel die Seefahrer beschäftigt hat: durch die Lage der Variations-Curven, welche er noch dem Meridian parallel wähnte, die Länge zu finden. Man erfährt aus seinen Schiffsjournalen, daß er auf der zweiten Reise (1496), seiner Lage ungewiß, sich wirklich durch Declinations-Beobachtungen zu orientiren suchte. Die Einsicht in die Möglichkeit einer solchen Methode war gewiß auch "das untrügliche Geheimniß der See-Länge, welches durch besondere göttliche Offenbarung zu besitzen" Sebastian Cabot auf seinem Sterbebette sich rühmte.

An die atlantische Curve ohne Declination knüpften sich in der leicht erregbaren Phantasie des Columbus noch andere, etwas träumerische Ansichten über Veränderung der Klimate, anomale Gestaltung der Erdkugel und außerordentliche Bewegungen himmlischer Körper: so daß er darin Motive fand eine physikalische Grenzlinie zu einer politischen vorzuschlagen. Die raya, auf der die agujas de marear direct nach dem Polarstern hinweisen, wurde so die Demarcationslinie für die Kronen von Portugal und Castilien; und bei der Wichtigkeit, die geographische Länge einer solchen Grenze in beiden Hemisphären über die ganze Erdoberfläche astronomisch genau zu bestimmen, ward ein Decret päpstlichen Uebermuths, ohne es bezweckt zu haben, wohlthätig und folgereich für die Erweiterung der astronomischen Nautik und die Vervollkommnung magnetischer Instrumente. (Humboldt, Examen crit. de la Geogr. T. III. p. 54.) Felipe Guillen aus Sevilla (1525) und wahrscheinlich früher der Cosmograph Alonso de Santa Cruz, Lehrer der Mathematik des jugendlichen Kaisers Carls V, construirten neue Variations-Compasse,

Diese Bemerkung leitete ihn schon auf den Gedanken, der in späteren Jahrhunderten so viel die Seefahrer beschäftigt hat: durch die Lage der Variations-Curven, welche er noch dem Meridian parallel wähnte, die Länge zu finden. Man erfährt aus seinen Schiffsjournalen, daß er auf der zweiten Reise (1496), seiner Lage ungewiß, sich wirklich durch Declinations-Beobachtungen zu orientiren suchte. Die Einsicht in die Möglichkeit einer solchen Methode war gewiß auch „das untrügliche Geheimniß der See-Länge, welches durch besondere göttliche Offenbarung zu besitzen" Sebastian Cabot auf seinem Sterbebette sich rühmte.

An die atlantische Curve ohne Declination knüpften sich in der leicht erregbaren Phantasie des Columbus noch andere, etwas träumerische Ansichten über Veränderung der Klimate, anomale Gestaltung der Erdkugel und außerordentliche Bewegungen himmlischer Körper: so daß er darin Motive fand eine physikalische Grenzlinie zu einer politischen vorzuschlagen. Die raya, auf der die agujas de marear direct nach dem Polarstern hinweisen, wurde so die Demarcationslinie für die Kronen von Portugal und Castilien; und bei der Wichtigkeit, die geographische Länge einer solchen Grenze in beiden Hemisphären über die ganze Erdoberfläche astronomisch genau zu bestimmen, ward ein Decret päpstlichen Uebermuths, ohne es bezweckt zu haben, wohlthätig und folgereich für die Erweiterung der astronomischen Nautik und die Vervollkommnung magnetischer Instrumente. (Humboldt, Examen crit. de la Géogr. T. III. p. 54.) Felipe Guillen aus Sevilla (1525) und wahrscheinlich früher der Cosmograph Alonso de Santa Cruz, Lehrer der Mathematik des jugendlichen Kaisers Carls V, construirten neue Variations-Compasse,

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[54/0059] Diese Bemerkung leitete ihn schon auf den Gedanken, der in späteren Jahrhunderten so viel die Seefahrer beschäftigt hat: durch die Lage der Variations-Curven, welche er noch dem Meridian parallel wähnte, die Länge zu finden. Man erfährt aus seinen Schiffsjournalen, daß er auf der zweiten Reise (1496), seiner Lage ungewiß, sich wirklich durch Declinations-Beobachtungen zu orientiren suchte. Die Einsicht in die Möglichkeit einer solchen Methode war gewiß auch „das untrügliche Geheimniß der See-Länge, welches durch besondere göttliche Offenbarung zu besitzen" Sebastian Cabot auf seinem Sterbebette sich rühmte. An die atlantische Curve ohne Declination knüpften sich in der leicht erregbaren Phantasie des Columbus noch andere, etwas träumerische Ansichten über Veränderung der Klimate, anomale Gestaltung der Erdkugel und außerordentliche Bewegungen himmlischer Körper: so daß er darin Motive fand eine physikalische Grenzlinie zu einer politischen vorzuschlagen. Die raya, auf der die agujas de marear direct nach dem Polarstern hinweisen, wurde so die Demarcationslinie für die Kronen von Portugal und Castilien; und bei der Wichtigkeit, die geographische Länge einer solchen Grenze in beiden Hemisphären über die ganze Erdoberfläche astronomisch genau zu bestimmen, ward ein Decret päpstlichen Uebermuths, ohne es bezweckt zu haben, wohlthätig und folgereich für die Erweiterung der astronomischen Nautik und die Vervollkommnung magnetischer Instrumente. (Humboldt, Examen crit. de la Géogr. T. III. p. 54.) Felipe Guillen aus Sevilla (1525) und wahrscheinlich früher der Cosmograph Alonso de Santa Cruz, Lehrer der Mathematik des jugendlichen Kaisers Carls V, construirten neue Variations-Compasse,

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858/59>, abgerufen am 23.11.2024.