Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 5. Stuttgart u. a., 1862.nicht auch ihr Geworden-Sein erkennen; wenn selbst in den numerischen Verhältnissen der Planeten-Abstände unter einander, ihrer Massen- und Größenfolge, in der Neigung ihrer Achsen, wie in der Form der Sternhaufen und Nebelflecke sich fast alles bisher der mathematischen Gedankenentwicklung entzieht (vielleicht weil, wie ich bereits erinnert, diese Verhältnisse Folgen sehr verschiedenartiger, partieller Himmels-Begebenheiten7 sind): so konnte in der terrestrischen Zone, wo die Stoff-Verschiedenheit thätig auftritt und die Probleme verwickelt, wohl nicht die Hoffnung entstehen, daß die Weltbeschreibung zugleich eine Welterklärung sein würde. Selbst Platons geistige verallgemeinernde Macht würde da nicht hinreichen:8 wo in jedem Zeitpunkt dem Versuch einer Lösung, bei jeder erhöhten Stufe des Wissens, noch die Ueberzeugung mangelt, die Bedingungen alle zu kennen, unter denen die Erscheinungen sich zeigen; die Stoffe alle, deren thätige Kräfte sich so geheimnißvoll äußern. Ich habe nicht unterlassen wollen den wichtigsten aller Vorwürfe, welche gegen die wissenschaftliche und litterarische Composition meines Kosmos gerichtet worden sind, frei selbst zu berühren. Eine solche erneuerte Rechtfertigung war mir geboten durch meine Verpflichtung gegen das Publikum, welches nun schon seit mehr als einem halben Jahrhundert meinen Arbeiten eine anregende Aufmerksamkeit geschenkt hat. Mein Zweck war, in einzelnen großen Gruppen der realen Naturprocesse Gesetze und unverkennbare Beweise eines Causalzusammenhangs aufzusuchen. Die Zahl und die Wichtigkeit dieser einzelnen Gruppen hat sich seit einem halben Jahrhundert mit wachsender Schnelligkeit auf das glücklichste vermehrt. Beispiele aus weit von einander getrennten Gebieten sind hier mit wenigen Zügen zu bezeichnen. nicht auch ihr Geworden-Sein erkennen; wenn selbst in den numerischen Verhältnissen der Planeten-Abstände unter einander, ihrer Massen- und Größenfolge, in der Neigung ihrer Achsen, wie in der Form der Sternhaufen und Nebelflecke sich fast alles bisher der mathematischen Gedankenentwicklung entzieht (vielleicht weil, wie ich bereits erinnert, diese Verhältnisse Folgen sehr verschiedenartiger, partieller Himmels-Begebenheiten7 sind): so konnte in der terrestrischen Zone, wo die Stoff-Verschiedenheit thätig auftritt und die Probleme verwickelt, wohl nicht die Hoffnung entstehen, daß die Weltbeschreibung zugleich eine Welterklärung sein würde. Selbst Platons geistige verallgemeinernde Macht würde da nicht hinreichen:8 wo in jedem Zeitpunkt dem Versuch einer Lösung, bei jeder erhöhten Stufe des Wissens, noch die Ueberzeugung mangelt, die Bedingungen alle zu kennen, unter denen die Erscheinungen sich zeigen; die Stoffe alle, deren thätige Kräfte sich so geheimnißvoll äußern. Ich habe nicht unterlassen wollen den wichtigsten aller Vorwürfe, welche gegen die wissenschaftliche und litterarische Composition meines Kosmos gerichtet worden sind, frei selbst zu berühren. Eine solche erneuerte Rechtfertigung war mir geboten durch meine Verpflichtung gegen das Publikum, welches nun schon seit mehr als einem halben Jahrhundert meinen Arbeiten eine anregende Aufmerksamkeit geschenkt hat. Mein Zweck war, in einzelnen großen Gruppen der realen Naturprocesse Gesetze und unverkennbare Beweise eines Causalzusammenhangs aufzusuchen. Die Zahl und die Wichtigkeit dieser einzelnen Gruppen hat sich seit einem halben Jahrhundert mit wachsender Schnelligkeit auf das glücklichste vermehrt. Beispiele aus weit von einander getrennten Gebieten sind hier mit wenigen Zügen zu bezeichnen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0016" n="9"/> nicht auch ihr <hi rendition="#g">Geworden-Sein</hi> erkennen; wenn selbst in den numerischen Verhältnissen der Planeten-Abstände unter einander, ihrer Massen- und Größenfolge, in der Neigung ihrer Achsen, wie in der Form der Sternhaufen und Nebelflecke sich fast alles bisher der mathematischen Gedankenentwicklung entzieht (vielleicht weil, wie ich bereits erinnert, diese Verhältnisse Folgen sehr verschiedenartiger, partieller <hi rendition="#g">Himmels-Begebenheiten</hi><note xml:id="ftn7" next="#ftn7-text" place="end" n="7"/> sind): so konnte in der terrestrischen Zone, wo die <hi rendition="#g">Stoff-Verschiedenheit</hi> thätig auftritt und die Probleme verwickelt, wohl nicht die Hoffnung entstehen, daß die Wel<hi rendition="#g">tbeschreibung</hi> zugleich eine Welt<hi rendition="#g">erklärung</hi> sein würde. Selbst <hi rendition="#g">Platons</hi> geistige verallgemeinernde Macht würde da nicht hinreichen:<note xml:id="ftn8" next="#ftn8-text" place="end" n="8"/> wo in jedem Zeitpunkt dem Versuch einer Lösung, bei jeder erhöhten Stufe des Wissens, noch die Ueberzeugung mangelt, die Bedingungen alle zu kennen, unter denen die Erscheinungen sich zeigen; die Stoffe alle, deren thätige Kräfte sich so geheimnißvoll äußern. Ich habe nicht unterlassen wollen den wichtigsten aller Vorwürfe, welche gegen die wissenschaftliche und litterarische Composition meines Kosmos gerichtet worden sind, frei selbst zu berühren. Eine solche erneuerte Rechtfertigung war mir geboten durch meine Verpflichtung gegen das Publikum, welches nun schon seit mehr als einem halben Jahrhundert meinen Arbeiten eine anregende Aufmerksamkeit geschenkt hat.</p> <p>Mein Zweck war, in einzelnen großen Gruppen der realen Naturprocesse <hi rendition="#g">Gesetze</hi> und unverkennbare Beweise eines <hi rendition="#g">Causalzusammenhangs</hi> aufzusuchen. Die Zahl und die Wichtigkeit dieser einzelnen Gruppen hat sich seit einem halben Jahrhundert mit wachsender Schnelligkeit auf das glücklichste vermehrt. Beispiele aus weit von einander getrennten Gebieten sind hier mit wenigen Zügen zu bezeichnen. </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [9/0016]
nicht auch ihr Geworden-Sein erkennen; wenn selbst in den numerischen Verhältnissen der Planeten-Abstände unter einander, ihrer Massen- und Größenfolge, in der Neigung ihrer Achsen, wie in der Form der Sternhaufen und Nebelflecke sich fast alles bisher der mathematischen Gedankenentwicklung entzieht (vielleicht weil, wie ich bereits erinnert, diese Verhältnisse Folgen sehr verschiedenartiger, partieller Himmels-Begebenheiten
⁷
sind): so konnte in der terrestrischen Zone, wo die Stoff-Verschiedenheit thätig auftritt und die Probleme verwickelt, wohl nicht die Hoffnung entstehen, daß die Weltbeschreibung zugleich eine Welterklärung sein würde. Selbst Platons geistige verallgemeinernde Macht würde da nicht hinreichen:
⁸
wo in jedem Zeitpunkt dem Versuch einer Lösung, bei jeder erhöhten Stufe des Wissens, noch die Ueberzeugung mangelt, die Bedingungen alle zu kennen, unter denen die Erscheinungen sich zeigen; die Stoffe alle, deren thätige Kräfte sich so geheimnißvoll äußern. Ich habe nicht unterlassen wollen den wichtigsten aller Vorwürfe, welche gegen die wissenschaftliche und litterarische Composition meines Kosmos gerichtet worden sind, frei selbst zu berühren. Eine solche erneuerte Rechtfertigung war mir geboten durch meine Verpflichtung gegen das Publikum, welches nun schon seit mehr als einem halben Jahrhundert meinen Arbeiten eine anregende Aufmerksamkeit geschenkt hat.
Mein Zweck war, in einzelnen großen Gruppen der realen Naturprocesse Gesetze und unverkennbare Beweise eines Causalzusammenhangs aufzusuchen. Die Zahl und die Wichtigkeit dieser einzelnen Gruppen hat sich seit einem halben Jahrhundert mit wachsender Schnelligkeit auf das glücklichste vermehrt. Beispiele aus weit von einander getrennten Gebieten sind hier mit wenigen Zügen zu bezeichnen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen
(2013-04-18T11:04:31Z)
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |