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Humboldt, Alexander von: Neue Versuche über den Metallreiz, besonders in Hinsicht auf die verschiedenartige Empfänglichkeit der thierischen Organe. In: Neues Journal der Physik. Bd. 3, H. 2 (1796), S. 165-184.

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alcalischen Auflösung zu machen. Jch ließ nun die Säu-
ren vom Muskel weg und benetzte bloß den Nerven mit
Oleum tartari per deliquium. Welche unerwartete Phä-
nomene wurde ich da gewahr! Alle, welche ich Jhnen,
lieber B, hier erzähle, sind nicht etwa von mir allein,
wenige Minuten lang, ein oder zweymal, beobachtet
worden; nein! alle diese Experimente wurden halbe
Stunden lang, auf trocknen Glasplatten, vor mehreren
Zeugen, die alle Nebenumstände vorsichtig prüften, an
acht, zehn und mehr Jndividuen angestellt. Es bleibt
mir daher kein Verdacht der Selbsttäuschung zurück.

Wenn man einen entblößten Nerv mit Oleum tar-
tari
befeuchtet, so werden zwar beym Galvanisiren
gleich in den ersten Augenblicken die Zuckun-
gen um vieles verstärkt*), in dem Muskel selbst aber
geht, (falls er auf einer Glasplatte sich selbst überlassen
ruht,) keine sichtliche Veränderung vor. Nach 3 bis 4
Minuten aber, besonders wenn man den Nerv in die
Höhe hebt, damit die alcalische Auflösung nach der Jn-
sertion des Nerven in den Muskel herabläuft, nach 3
bis 4 Minuten sieht man Kennzeichen eines fürchterli-
chen Stimulus. Der Schenkel auf einer bloßen Glas-
platte liegend, mit keinem Metall oder kohlenhaltigen
Stoffe in Berührung, geräth von selbst in die lebhafte-
sten Zuckungen. Wadenmuskel und Zehe spielten unauf-

hör-
*) Jch habe diesen Versuch an mir selbst gewagt. Jch ließ
meine Schulterwunde mit dem oleum tartari benetzen.
Der Schmerz war sehr gering dabey, aber kaum wurde
die benetzte Stelle galvanisirt, so erfolgten heftigere
Schläge
, ein empfindlicheres Brennen, als ich je vor-
her erfahren. Die Empfänglichkeit meines Organs war
erhöht. Eben so wollte mein Hauchversuch, Nerv. R.r.L.R.
an der Zunge mir nie deutlich glücken, bis ich die Zunge
mit Oleum tartari befeuchtete. Jn diesem Zustande war
die Säure mit Zink und Zink sehr genau wahrzunehmen.
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alcaliſchen Aufloͤſung zu machen. Jch ließ nun die Saͤu-
ren vom Muſkel weg und benetzte bloß den Nerven mit
Oleum tartari per deliquium. Welche unerwartete Phaͤ-
nomene wurde ich da gewahr! Alle, welche ich Jhnen,
lieber B, hier erzaͤhle, ſind nicht etwa von mir allein,
wenige Minuten lang, ein oder zweymal, beobachtet
worden; nein! alle dieſe Experimente wurden halbe
Stunden lang, auf trocknen Glasplatten, vor mehreren
Zeugen, die alle Nebenumſtaͤnde vorſichtig pruͤften, an
acht, zehn und mehr Jndividuen angeſtellt. Es bleibt
mir daher kein Verdacht der Selbſttaͤuſchung zuruͤck.

Wenn man einen entbloͤßten Nerv mit Oleum tar-
tari
befeuchtet, ſo werden zwar beym Galvaniſiren
gleich in den erſten Augenblicken die Zuckun-
gen um vieles verſtaͤrkt*), in dem Muskel ſelbſt aber
geht, (falls er auf einer Glasplatte ſich ſelbſt uͤberlaſſen
ruht,) keine ſichtliche Veraͤnderung vor. Nach 3 bis 4
Minuten aber, beſonders wenn man den Nerv in die
Hoͤhe hebt, damit die alcaliſche Aufloͤſung nach der Jn-
ſertion des Nerven in den Muskel herablaͤuft, nach 3
bis 4 Minuten ſieht man Kennzeichen eines fuͤrchterli-
chen Stimulus. Der Schenkel auf einer bloßen Glas-
platte liegend, mit keinem Metall oder kohlenhaltigen
Stoffe in Beruͤhrung, geraͤth von ſelbſt in die lebhafte-
ſten Zuckungen. Wadenmuskel und Zehe ſpielten unauf-

hoͤr-
*) Jch habe dieſen Verſuch an mir ſelbſt gewagt. Jch ließ
meine Schulterwunde mit dem oleum tartari benetzen.
Der Schmerz war ſehr gering dabey, aber kaum wurde
die benetzte Stelle galvaniſirt, ſo erfolgten heftigere
Schlaͤge
, ein empfindlicheres Brennen, als ich je vor-
her erfahren. Die Empfaͤnglichkeit meines Organs war
erhoͤht. Eben ſo wollte mein Hauchverſuch, Nerv. R.r.L.R.
an der Zunge mir nie deutlich gluͤcken, bis ich die Zunge
mit Oleum tartari befeuchtete. Jn dieſem Zuſtande war
die Saͤure mit Zink und Zink ſehr genau wahrzunehmen.
M 5
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[173/0010] alcaliſchen Aufloͤſung zu machen. Jch ließ nun die Saͤu- ren vom Muſkel weg und benetzte bloß den Nerven mit Oleum tartari per deliquium. Welche unerwartete Phaͤ- nomene wurde ich da gewahr! Alle, welche ich Jhnen, lieber B, hier erzaͤhle, ſind nicht etwa von mir allein, wenige Minuten lang, ein oder zweymal, beobachtet worden; nein! alle dieſe Experimente wurden halbe Stunden lang, auf trocknen Glasplatten, vor mehreren Zeugen, die alle Nebenumſtaͤnde vorſichtig pruͤften, an acht, zehn und mehr Jndividuen angeſtellt. Es bleibt mir daher kein Verdacht der Selbſttaͤuſchung zuruͤck. Wenn man einen entbloͤßten Nerv mit Oleum tar- tari befeuchtet, ſo werden zwar beym Galvaniſiren gleich in den erſten Augenblicken die Zuckun- gen um vieles verſtaͤrkt *), in dem Muskel ſelbſt aber geht, (falls er auf einer Glasplatte ſich ſelbſt uͤberlaſſen ruht,) keine ſichtliche Veraͤnderung vor. Nach 3 bis 4 Minuten aber, beſonders wenn man den Nerv in die Hoͤhe hebt, damit die alcaliſche Aufloͤſung nach der Jn- ſertion des Nerven in den Muskel herablaͤuft, nach 3 bis 4 Minuten ſieht man Kennzeichen eines fuͤrchterli- chen Stimulus. Der Schenkel auf einer bloßen Glas- platte liegend, mit keinem Metall oder kohlenhaltigen Stoffe in Beruͤhrung, geraͤth von ſelbſt in die lebhafte- ſten Zuckungen. Wadenmuskel und Zehe ſpielten unauf- hoͤr- *) Jch habe dieſen Verſuch an mir ſelbſt gewagt. Jch ließ meine Schulterwunde mit dem oleum tartari benetzen. Der Schmerz war ſehr gering dabey, aber kaum wurde die benetzte Stelle galvaniſirt, ſo erfolgten heftigere Schlaͤge, ein empfindlicheres Brennen, als ich je vor- her erfahren. Die Empfaͤnglichkeit meines Organs war erhoͤht. Eben ſo wollte mein Hauchverſuch, Nerv. R.r.L.R. an der Zunge mir nie deutlich gluͤcken, bis ich die Zunge mit Oleum tartari befeuchtete. Jn dieſem Zuſtande war die Saͤure mit Zink und Zink ſehr genau wahrzunehmen. M 5

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Neue Versuche über den Metallreiz, besonders in Hinsicht auf die verschiedenartige Empfänglichkeit der thierischen Organe. In: Neues Journal der Physik. Bd. 3, H. 2 (1796), S. 165-184, hier S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_metallreiz_1796/10>, abgerufen am 03.12.2024.