Humboldt, Alexander von: Briefe aus Paraguay. In: Hertha, Bd. 2 (1825), S. 696-707.mitgetheilt von Alexander v. Humboldt. durch die Provincia Cisplatina die schwierige Reise nachParaguay, wo der Doktor Francia jetzt unter dem Namen eines Diktators herrscht, fortgesetzt. Jch lebe noch immer der Hoffnung, durch meine angestrengtesten Bemühungen, die Empfehlungen des Jnstituts und Jhre an den Diktator ge- richteten Briefe zur endlichen Befreiung ihres Freundes beizu- tragen. Jch habe hier erfahren, daß er die Gefangenschaft mit mehr als 60 Personen theilt, unter denen sich einige Schweizer befinden, die in der Asuncion (Hauptstadt von Pa- raguay) sich mit naturhistorischen Untersuchungen beschäf- tigen. Das Land ist gegenwärtig zum Handel blos den Un- terthanen des Kaisers von Brasilien geöffnet, und da der Diktator die Republik Buenos-Ayres beschuldigt, ihm selbst nach dem Leben getrachtet zu haben, so sind ihm alle Rei- sende verdächtig, welche über Corrientes eindringen wollen. Jch hoffe, da ich unter brasilischem Schutze hier (in Jta- pua) anlange, meinen Zweck nicht zu verfehlen. Meine Ankunft ist gestern durch einen Kurier dem in Tranquiera kommandirendem General gemeldet worden, denn ehe nicht die Erlaubniß von dem Doktor Francia persönlich gegeben wird, kann ich von diesem Gränzorte nicht weiter vorwärts schrei- ten. Von San Borja bis hieher in der Provinz Entre Rios habe ich eine wahre Einöde gefunden. Die ganze Gegend ist durch Artiga2) verheert; alle Kirchen, welche die Jesuiten öst- lich von Parana gebaut hatten, und welche nach ihrer Ver- treibung durch Missionen anderer Mönche unterhalten wur- den, sind verbrannt. Die Kinder der Jndier irren mit verwilderten Ziegen in den Wäldern umher. Jch schicke Jhnen diesen Brief über San Borja, von wo aus ihn der Komman- dant an den Hofkapellan des Kaisers nach Rio Janeiro besor- gen wird. Jch habe auf dieser Reise mich überzeugt, daß die 2) Nachdem dieser von den Portugalen geschlagen, sich nach Pa-
raguay flüchtete, um dort neue Werbungen zu machen, wurde ihm vom Doktor Francia der Befehl gegeben, sich in ein Kloster zu begeben, in dem er jetzt noch seiner Freiheit beraubt ist. mitgetheilt von Alexander v. Humboldt. durch die Provincia Cisplatina die ſchwierige Reiſe nachParaguay, wo der Doktor Francia jetzt unter dem Namen eines Diktators herrſcht, fortgeſetzt. Jch lebe noch immer der Hoffnung, durch meine angeſtrengteſten Bemühungen, die Empfehlungen des Jnſtituts und Jhre an den Diktator ge- richteten Briefe zur endlichen Befreiung ihres Freundes beizu- tragen. Jch habe hier erfahren, daß er die Gefangenſchaft mit mehr als 60 Perſonen theilt, unter denen ſich einige Schweizer befinden, die in der Aſuncion (Hauptſtadt von Pa- raguay) ſich mit naturhiſtoriſchen Unterſuchungen beſchäf- tigen. Das Land iſt gegenwärtig zum Handel blos den Un- terthanen des Kaiſers von Braſilien geöffnet, und da der Diktator die Republik Buenos-Ayres beſchuldigt, ihm ſelbſt nach dem Leben getrachtet zu haben, ſo ſind ihm alle Rei- ſende verdächtig, welche über Corrientes eindringen wollen. Jch hoffe, da ich unter braſiliſchem Schutze hier (in Jta- pua) anlange, meinen Zweck nicht zu verfehlen. Meine Ankunft iſt geſtern durch einen Kurier dem in Tranquiera kommandirendem General gemeldet worden, denn ehe nicht die Erlaubniß von dem Doktor Francia perſönlich gegeben wird, kann ich von dieſem Gränzorte nicht weiter vorwärts ſchrei- ten. Von San Borja bis hieher in der Provinz Entre Rios habe ich eine wahre Einöde gefunden. Die ganze Gegend iſt durch Artiga2) verheert; alle Kirchen, welche die Jeſuiten öſt- lich von Parana gebaut hatten, und welche nach ihrer Ver- treibung durch Miſſionen anderer Mönche unterhalten wur- den, ſind verbrannt. Die Kinder der Jndier irren mit verwilderten Ziegen in den Wäldern umher. Jch ſchicke Jhnen dieſen Brief über San Borja, von wo aus ihn der Komman- dant an den Hofkapellan des Kaiſers nach Rio Janeiro beſor- gen wird. Jch habe auf dieſer Reiſe mich überzeugt, daß die 2) Nachdem dieſer von den Portugalen geſchlagen, ſich nach Pa-
raguay flüchtete, um dort neue Werbungen zu machen, wurde ihm vom Doktor Francia der Befehl gegeben, ſich in ein Kloſter zu begeben, in dem er jetzt noch ſeiner Freiheit beraubt iſt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <floatingText> <body> <div n="2"> <p><pb facs="#f0007" n="701"/><fw type="header" place="top"><hi rendition="#b">mitgetheilt von Alexander v. Humboldt.</hi></fw><lb/> durch die Provincia Cisplatina die ſchwierige Reiſe nach<lb/> Paraguay, wo der Doktor Francia jetzt unter dem Namen<lb/> eines Diktators herrſcht, fortgeſetzt. Jch lebe noch immer<lb/> der Hoffnung, durch meine angeſtrengteſten Bemühungen, die<lb/> Empfehlungen des Jnſtituts und Jhre an den Diktator ge-<lb/> richteten Briefe zur endlichen Befreiung ihres Freundes beizu-<lb/> tragen. Jch habe hier erfahren, daß er die Gefangenſchaft<lb/> mit mehr als 60 Perſonen theilt, unter denen ſich einige<lb/> Schweizer befinden, die in der Aſuncion (Hauptſtadt von Pa-<lb/> raguay) ſich mit naturhiſtoriſchen Unterſuchungen beſchäf-<lb/> tigen. Das Land iſt gegenwärtig zum Handel blos den Un-<lb/> terthanen des Kaiſers von Braſilien geöffnet, und da der<lb/> Diktator die Republik Buenos-Ayres beſchuldigt, ihm ſelbſt<lb/> nach dem Leben getrachtet zu haben, ſo ſind ihm alle Rei-<lb/> ſende verdächtig, welche über Corrientes eindringen wollen.<lb/> Jch hoffe, da ich unter braſiliſchem Schutze hier (in Jta-<lb/> pua) anlange, meinen Zweck nicht zu verfehlen. Meine<lb/> Ankunft iſt geſtern durch einen Kurier dem in Tranquiera<lb/> kommandirendem General gemeldet worden, denn ehe nicht die<lb/> Erlaubniß von dem Doktor Francia perſönlich gegeben wird,<lb/> kann ich von dieſem Gränzorte nicht weiter vorwärts ſchrei-<lb/> ten. Von San Borja bis hieher in der Provinz Entre Rios<lb/> habe ich eine wahre Einöde gefunden. Die ganze Gegend iſt<lb/> durch Artiga<note place="foot" n="2)">Nachdem dieſer von den Portugalen geſchlagen, ſich nach Pa-<lb/> raguay flüchtete, um dort neue Werbungen zu machen, wurde<lb/> ihm vom Doktor Francia der Befehl gegeben, ſich in ein Kloſter<lb/> zu begeben, in dem er jetzt noch ſeiner Freiheit beraubt iſt.</note> verheert; alle Kirchen, welche die Jeſuiten öſt-<lb/> lich von Parana gebaut hatten, und welche nach ihrer Ver-<lb/> treibung durch Miſſionen anderer Mönche unterhalten wur-<lb/> den, ſind verbrannt. Die Kinder der Jndier irren mit<lb/> verwilderten Ziegen in den Wäldern umher. Jch ſchicke Jhnen<lb/> dieſen Brief über San Borja, von wo aus ihn der Komman-<lb/> dant an den Hofkapellan des Kaiſers nach Rio Janeiro beſor-<lb/> gen wird. Jch habe auf dieſer Reiſe mich überzeugt, daß die</p><lb/> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [701/0007]
mitgetheilt von Alexander v. Humboldt.
durch die Provincia Cisplatina die ſchwierige Reiſe nach
Paraguay, wo der Doktor Francia jetzt unter dem Namen
eines Diktators herrſcht, fortgeſetzt. Jch lebe noch immer
der Hoffnung, durch meine angeſtrengteſten Bemühungen, die
Empfehlungen des Jnſtituts und Jhre an den Diktator ge-
richteten Briefe zur endlichen Befreiung ihres Freundes beizu-
tragen. Jch habe hier erfahren, daß er die Gefangenſchaft
mit mehr als 60 Perſonen theilt, unter denen ſich einige
Schweizer befinden, die in der Aſuncion (Hauptſtadt von Pa-
raguay) ſich mit naturhiſtoriſchen Unterſuchungen beſchäf-
tigen. Das Land iſt gegenwärtig zum Handel blos den Un-
terthanen des Kaiſers von Braſilien geöffnet, und da der
Diktator die Republik Buenos-Ayres beſchuldigt, ihm ſelbſt
nach dem Leben getrachtet zu haben, ſo ſind ihm alle Rei-
ſende verdächtig, welche über Corrientes eindringen wollen.
Jch hoffe, da ich unter braſiliſchem Schutze hier (in Jta-
pua) anlange, meinen Zweck nicht zu verfehlen. Meine
Ankunft iſt geſtern durch einen Kurier dem in Tranquiera
kommandirendem General gemeldet worden, denn ehe nicht die
Erlaubniß von dem Doktor Francia perſönlich gegeben wird,
kann ich von dieſem Gränzorte nicht weiter vorwärts ſchrei-
ten. Von San Borja bis hieher in der Provinz Entre Rios
habe ich eine wahre Einöde gefunden. Die ganze Gegend iſt
durch Artiga 2) verheert; alle Kirchen, welche die Jeſuiten öſt-
lich von Parana gebaut hatten, und welche nach ihrer Ver-
treibung durch Miſſionen anderer Mönche unterhalten wur-
den, ſind verbrannt. Die Kinder der Jndier irren mit
verwilderten Ziegen in den Wäldern umher. Jch ſchicke Jhnen
dieſen Brief über San Borja, von wo aus ihn der Komman-
dant an den Hofkapellan des Kaiſers nach Rio Janeiro beſor-
gen wird. Jch habe auf dieſer Reiſe mich überzeugt, daß die
2) Nachdem dieſer von den Portugalen geſchlagen, ſich nach Pa-
raguay flüchtete, um dort neue Werbungen zu machen, wurde
ihm vom Doktor Francia der Befehl gegeben, ſich in ein Kloſter
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