Humboldt, Alexander von: Briefe aus Paraguay. In: Hertha, Bd. 2 (1825), S. 696-707.mitgetheilt von Alexander v. Humboldt. dem Kaiser von Brasilien, der mir Empfehlungen nachder Provinz Mato Grosso gegeben, ganz besonders begün- stigt. Jch fügte hinzu, daß ich der spanischen Sprache nicht mächtig, auf die mir, von dem Majordomo von Jta- pua vorgelegten politischen Fragen schriftlich nicht zu ant- worten wage, daß ich aber dem Doktor Francia mündlich alle Auskunft geben würde. Es ist sehr wahrscheinlich, daß ich das Schicksal des armen Bonpland theilen werde; doch bin ich es der Wahrheit schuldig, zu sagen, daß nach allem, was ich hier sehe, seit 22 Jahren die Einwohner von Paraguay unter einer guten Administration, der glücklich- sten Ruhe genießen. Der Kontrast mit den Ländern, die ich bis hieher durchstrichen, ist überaus auffallend. Man reiset in Paraguay ohne alle Waffen, die Thüren der Häuser sind kaum verschlossen, denn jeder Diebstahl wird mit dem Tode bestraft, ja der Eigenthümer des Hauses oder der Ge- meinde, in welcher der Raub geschehen ist, werden zum Er- satz gezwungen. Bettler sieht man gar nicht, alle Menschen arbeiten. Jtapua hat 2000 Seelen, finden sich Dürftige darunter, so wenden sie sich an den Diktator, der die Kinder dann auf Kosten des Staats erziehen läßt. Die Erziehung ist ganz militärisch; statt der Glocke werden die Zöglinge durch Trommelschlag in die Klasse berufen; fast alle Ein- wohner können lesen und schreiben und die Alkalden, welche jährlich von dem Volke gewählt werden, bestimmen, wie lange die jungen Leute die Schule besuchen sollen. Der Dok- tor Francia wird mir als ein gebildeter Mann geschildert, der der französischen Sprache mächtig ist. Er ist 62 Jahr alt, aber noch immer überaus thätig, sorgsam für die Ele- ganz seiner Kleidung. Dieses herrliche Land kann einst für den europäischen Handel sehr wichtig werden, jetzt aber ist es bloß den Einwohnern von Brasilien zugänglich. Zwölf bis funfzehn Kaufleute dieser Nation unterhalten allein den Verkehr mit der Provinz Mato Grosso. Der Diktator ist sehr gereitzt über allen Tadel, welchen das Gouvernement von Buenos-Ayres in europäischen Zeitungen über ihn (wie er mitgetheilt von Alexander v. Humboldt. dem Kaiſer von Braſilien, der mir Empfehlungen nachder Provinz Mato Groſſo gegeben, ganz beſonders begün- ſtigt. Jch fügte hinzu, daß ich der ſpaniſchen Sprache nicht mächtig, auf die mir, von dem Majordomo von Jta- pua vorgelegten politiſchen Fragen ſchriftlich nicht zu ant- worten wage, daß ich aber dem Doktor Francia mündlich alle Auskunft geben würde. Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß ich das Schickſal des armen Bonpland theilen werde; doch bin ich es der Wahrheit ſchuldig, zu ſagen, daß nach allem, was ich hier ſehe, ſeit 22 Jahren die Einwohner von Paraguay unter einer guten Adminiſtration, der glücklich- ſten Ruhe genießen. Der Kontraſt mit den Ländern, die ich bis hieher durchſtrichen, iſt überaus auffallend. Man reiſet in Paraguay ohne alle Waffen, die Thüren der Häuſer ſind kaum verſchloſſen, denn jeder Diebſtahl wird mit dem Tode beſtraft, ja der Eigenthümer des Hauſes oder der Ge- meinde, in welcher der Raub geſchehen iſt, werden zum Er- ſatz gezwungen. Bettler ſieht man gar nicht, alle Menſchen arbeiten. Jtapua hat 2000 Seelen, finden ſich Dürftige darunter, ſo wenden ſie ſich an den Diktator, der die Kinder dann auf Koſten des Staats erziehen läßt. Die Erziehung iſt ganz militäriſch; ſtatt der Glocke werden die Zöglinge durch Trommelſchlag in die Klaſſe berufen; faſt alle Ein- wohner können leſen und ſchreiben und die Alkalden, welche jährlich von dem Volke gewählt werden, beſtimmen, wie lange die jungen Leute die Schule beſuchen ſollen. Der Dok- tor Francia wird mir als ein gebildeter Mann geſchildert, der der franzöſiſchen Sprache mächtig iſt. Er iſt 62 Jahr alt, aber noch immer überaus thätig, ſorgſam für die Ele- ganz ſeiner Kleidung. Dieſes herrliche Land kann einſt für den europäiſchen Handel ſehr wichtig werden, jetzt aber iſt es bloß den Einwohnern von Braſilien zugänglich. Zwölf bis funfzehn Kaufleute dieſer Nation unterhalten allein den Verkehr mit der Provinz Mato Groſſo. 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mitgetheilt von Alexander v. Humboldt.
dem Kaiſer von Braſilien, der mir Empfehlungen nach
der Provinz Mato Groſſo gegeben, ganz beſonders begün-
ſtigt. Jch fügte hinzu, daß ich der ſpaniſchen Sprache
nicht mächtig, auf die mir, von dem Majordomo von Jta-
pua vorgelegten politiſchen Fragen ſchriftlich nicht zu ant-
worten wage, daß ich aber dem Doktor Francia mündlich
alle Auskunft geben würde. Es iſt ſehr wahrſcheinlich,
daß ich das Schickſal des armen Bonpland theilen werde;
doch bin ich es der Wahrheit ſchuldig, zu ſagen, daß nach
allem, was ich hier ſehe, ſeit 22 Jahren die Einwohner von
Paraguay unter einer guten Adminiſtration, der glücklich-
ſten Ruhe genießen. Der Kontraſt mit den Ländern, die
ich bis hieher durchſtrichen, iſt überaus auffallend. Man
reiſet in Paraguay ohne alle Waffen, die Thüren der Häuſer
ſind kaum verſchloſſen, denn jeder Diebſtahl wird mit dem
Tode beſtraft, ja der Eigenthümer des Hauſes oder der Ge-
meinde, in welcher der Raub geſchehen iſt, werden zum Er-
ſatz gezwungen. Bettler ſieht man gar nicht, alle Menſchen
arbeiten. Jtapua hat 2000 Seelen, finden ſich Dürftige
darunter, ſo wenden ſie ſich an den Diktator, der die Kinder
dann auf Koſten des Staats erziehen läßt. Die Erziehung
iſt ganz militäriſch; ſtatt der Glocke werden die Zöglinge
durch Trommelſchlag in die Klaſſe berufen; faſt alle Ein-
wohner können leſen und ſchreiben und die Alkalden, welche
jährlich von dem Volke gewählt werden, beſtimmen, wie
lange die jungen Leute die Schule beſuchen ſollen. Der Dok-
tor Francia wird mir als ein gebildeter Mann geſchildert,
der der franzöſiſchen Sprache mächtig iſt. Er iſt 62 Jahr
alt, aber noch immer überaus thätig, ſorgſam für die Ele-
ganz ſeiner Kleidung. Dieſes herrliche Land kann einſt für
den europäiſchen Handel ſehr wichtig werden, jetzt aber iſt
es bloß den Einwohnern von Braſilien zugänglich. Zwölf
bis funfzehn Kaufleute dieſer Nation unterhalten allein den
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ſehr gereitzt über allen Tadel, welchen das Gouvernement von
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