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Humboldt, Alexander von: Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse. Tübingen, 1806.

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dadurch oft einen eigenen melancholischen (man
möchte sagen afrikanischen) Charakter.

Wie die Aloeform sich durch ernste Ruhe und
Festigkeit, so charakterisirt sich die Grasform, besonders
die Physiognomie der baumartigen Gräser,
durch den Ausdruck fröhlicher Leichtigkeit und beweglicher
Schlankheit. Bambusgebüsche bilden schattige
Bogengänge in beiden Indien. Der glatte, oft
geneigt-hinschwebende Stamm der Tropen-Gräser
übertrift die Höhe unserer Erlen und Eichen. Schon
in Italien fängt im Arundo Donax diese Form an,
sich vom Boden zu erheben, und durch Höhe und
Masse den Naturcharakter des Landes zu bestimmen.

Mit der Gestalt der Gräser ist auch die der Farrenkräuter
in den heissen Erdstrichen veredelt.
Baumartige, oft 35 Fuss hohe Farrenkräuter haben
ein palmenartiges Ansehen; aber ihr Stamm ist minder
schlank, kürzer, schuppig-rauher als der der
Palmen. Das Laub ist zarter, lokker gewebt, durchscheinend,
und an den Rändern sauber ausgezakt.
Diese kolossalen Farrenkräuter sind fast ausschliesslich
den Tropen eigen, aber in diesen ziehen sie ein
gemässigtes Klima dem ganz heissen vor. Da nun die
Milderung der Hitze bloss eine Folge der Höhe ist;
so darf man Gebirge, die 2 bis 3000 Fuss über dem
Meere erhaben sind, oder die Höhe unsers deutschen
Brokkens, als den Hauptsiz dieser Form nennen.
Hochstämmige Farrenkräuter begleiten in Süd-Amerika
den wohlthätigen Baum, der die heilende Fieberrinde
darbietet. Beide bezeichnen die glükliche Region

dadurch oft einen eigenen melancholischen (man
möchte sagen afrikanischen) Charakter.

Wie die Aloeform sich durch ernste Ruhe und
Festigkeit, so charakterisirt sich die Grasform, besonders
die Physiognomie der baumartigen Gräser,
durch den Ausdruck fröhlicher Leichtigkeit und beweglicher
Schlankheit. Bambusgebüsche bilden schattige
Bogengänge in beiden Indien. Der glatte, oft
geneigt-hinschwebende Stamm der Tropen-Gräser
übertrift die Höhe unserer Erlen und Eichen. Schon
in Italien fängt im Arundo Donax diese Form an,
sich vom Boden zu erheben, und durch Höhe und
Masse den Naturcharakter des Landes zu bestimmen.

Mit der Gestalt der Gräser ist auch die der Farrenkräuter
in den heiſsen Erdstrichen veredelt.
Baumartige, oft 35 Fuſs hohe Farrenkräuter haben
ein palmenartiges Ansehen; aber ihr Stamm ist minder
schlank, kürzer, schuppig-rauher als der der
Palmen. Das Laub ist zarter, lokker gewebt, durchscheinend,
und an den Rändern sauber ausgezakt.
Diese kolossalen Farrenkräuter sind fast ausschlieſslich
den Tropen eigen, aber in diesen ziehen sie ein
gemäſsigtes Klima dem ganz heiſsen vor. Da nun die
Milderung der Hitze bloſs eine Folge der Höhe ist;
so darf man Gebirge, die 2 bis 3000 Fuſs über dem
Meere erhaben sind, oder die Höhe unsers deutschen
Brokkens, als den Hauptsiz dieser Form nennen.
Hochstämmige Farrenkräuter begleiten in Süd-Amerika
den wohlthätigen Baum, der die heilende Fieberrinde
darbietet. Beide bezeichnen die glükliche Region

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[24/0024] dadurch oft einen eigenen melancholischen (man möchte sagen afrikanischen) Charakter. Wie die Aloeform sich durch ernste Ruhe und Festigkeit, so charakterisirt sich die Grasform, besonders die Physiognomie der baumartigen Gräser, durch den Ausdruck fröhlicher Leichtigkeit und beweglicher Schlankheit. Bambusgebüsche bilden schattige Bogengänge in beiden Indien. Der glatte, oft geneigt-hinschwebende Stamm der Tropen-Gräser übertrift die Höhe unserer Erlen und Eichen. Schon in Italien fängt im Arundo Donax diese Form an, sich vom Boden zu erheben, und durch Höhe und Masse den Naturcharakter des Landes zu bestimmen. Mit der Gestalt der Gräser ist auch die der Farrenkräuter in den heiſsen Erdstrichen veredelt. Baumartige, oft 35 Fuſs hohe Farrenkräuter haben ein palmenartiges Ansehen; aber ihr Stamm ist minder schlank, kürzer, schuppig-rauher als der der Palmen. Das Laub ist zarter, lokker gewebt, durchscheinend, und an den Rändern sauber ausgezakt. Diese kolossalen Farrenkräuter sind fast ausschlieſslich den Tropen eigen, aber in diesen ziehen sie ein gemäſsigtes Klima dem ganz heiſsen vor. Da nun die Milderung der Hitze bloſs eine Folge der Höhe ist; so darf man Gebirge, die 2 bis 3000 Fuſs über dem Meere erhaben sind, oder die Höhe unsers deutschen Brokkens, als den Hauptsiz dieser Form nennen. Hochstämmige Farrenkräuter begleiten in Süd-Amerika den wohlthätigen Baum, der die heilende Fieberrinde darbietet. Beide bezeichnen die glükliche Region

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse. Tübingen, 1806, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_physiognomik_1806/24>, abgerufen am 21.11.2024.