Humboldt, Alexander von: Ueber die Rindviehseuche als Nervenfieber behandelt. In: Neues Magazin für Aerzte. Bd. 18, 5. St., 1796, S. 421-425.Achtzehnten Bandes Fünftes Stück. 1796. Schwäche. -- Selten bleibt die Krankheit aber so ein-fach. Meist gesellen sich andre Uebel hinzu, ein Entzün- dungsfieber, unnatürliche Absonderungen der Galle, Ver- stopfung oder (am häufigsten) ein catarrhalischer Affect der Därme -- Ruhr. Wird die Deho'sche Methode daher nicht früh genug, sondern in einem Zeitpunkt angewandt, wo die Complicationen bereits eingetreten sind, so muß der Arzt natürlich auf dieselben Rücksicht nehmen. Deho's Methode gründet sich auf Brownische Grundsätze. Dies war bey mir nicht die einzige Empfehlung für sie. Aber ich glaube daß man in einer Sache, welche den Wohlstand des Volks so nahe angeht, Erfahrungen nur durch Erfahrungen prü- fen könne. Jch glaubte, daß in einer Sache, von der nie- mand etwas bestimmtes weiß, alles zu versuchen sey. Jch wartete den Zeitpunkt ab, wo die Seuche sich unserer Stadt nähern würde, um dann selbst krankes Vieh zu kau- fen und die Wirkung reizender Mittel zu prüfen. Andere Beschäftigungen hielten mich von der Ausführung dieses Entschlußes ab und ich reichte daher bey der hiesigen König- lichen Krieges- und Domainencammer ein Memoire ein, in welchem ich dieselbe aufforderte, jene Versuche anstellen zu lassen. Bey dem regen Eifer, welchen der Herr Prä- sident von Schukmann für jedes nützliche Unternehmen äußert, blieb mein Wunsch nicht unerfüllt. Ein überaus thätiger und kenntnißvoller hiesiger Arzt, Herr von Schal- lern erhielt den Auftrag, Deho's Kurplan auszuführen -- und seine ersten Versuche haben einen Erfolg gehabt, über den Sie mit mir erstaunen werden. Jn Neustadt am Culm wüthete die Rindviehseuche so fürchterlich, daß dort von hundert Häuptern kaum eines die Krankheit überstand. Herr von Schallern nahm 21 Stück in die Kur und von diesen sind bereits 16 Stück gerettet!! Alle wur- den nach Deho's reizender Methode mit Wein, Theriak, Opium und Knoblauch behandelt; Eslust, Muskelstärke, munteres Aussehen kehrten in wenig Tagen zurück. Und doch D d 4
Achtzehnten Bandes Fuͤnftes Stuͤck. 1796. Schwaͤche. — Selten bleibt die Krankheit aber ſo ein-fach. Meiſt geſellen ſich andre Uebel hinzu, ein Entzuͤn- dungsfieber, unnatuͤrliche Abſonderungen der Galle, Ver- ſtopfung oder (am haͤufigſten) ein catarrhaliſcher Affect der Daͤrme — Ruhr. Wird die Deho'ſche Methode daher nicht fruͤh genug, ſondern in einem Zeitpunkt angewandt, wo die Complicationen bereits eingetreten ſind, ſo muß der Arzt natuͤrlich auf dieſelben Ruͤckſicht nehmen. Deho's Methode gruͤndet ſich auf Browniſche Grundſaͤtze. Dies war bey mir nicht die einzige Empfehlung fuͤr ſie. Aber ich glaube daß man in einer Sache, welche den Wohlſtand des Volks ſo nahe angeht, Erfahrungen nur durch Erfahrungen pruͤ- fen koͤnne. Jch glaubte, daß in einer Sache, von der nie- mand etwas beſtimmtes weiß, alles zu verſuchen ſey. Jch wartete den Zeitpunkt ab, wo die Seuche ſich unſerer Stadt naͤhern wuͤrde, um dann ſelbſt krankes Vieh zu kau- fen und die Wirkung reizender Mittel zu pruͤfen. Andere Beſchaͤftigungen hielten mich von der Ausfuͤhrung dieſes Entſchlußes ab und ich reichte daher bey der hieſigen Koͤnig- lichen Krieges- und Domainencammer ein Memoire ein, in welchem ich dieſelbe aufforderte, jene Verſuche anſtellen zu laſſen. Bey dem regen Eifer, welchen der Herr Praͤ- ſident von Schukmann fuͤr jedes nuͤtzliche Unternehmen aͤußert, blieb mein Wunſch nicht unerfuͤllt. Ein uͤberaus thaͤtiger und kenntnißvoller hieſiger Arzt, Herr von Schal- lern erhielt den Auftrag, Deho's Kurplan auszufuͤhren — und ſeine erſten Verſuche haben einen Erfolg gehabt, uͤber den Sie mit mir erſtaunen werden. Jn Neuſtadt am Culm wuͤthete die Rindviehſeuche ſo fuͤrchterlich, daß dort von hundert Haͤuptern kaum eines die Krankheit uͤberſtand. Herr von Schallern nahm 21 Stuͤck in die Kur und von dieſen ſind bereits 16 Stuͤck gerettet!! Alle wur- den nach Deho's reizender Methode mit Wein, Theriak, Opium und Knoblauch behandelt; Esluſt, Muskelſtaͤrke, munteres Ausſehen kehrten in wenig Tagen zuruͤck. Und doch D d 4
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Achtzehnten Bandes Fuͤnftes Stuͤck. 1796.
Schwaͤche. — Selten bleibt die Krankheit aber ſo ein-
fach. Meiſt geſellen ſich andre Uebel hinzu, ein Entzuͤn-
dungsfieber, unnatuͤrliche Abſonderungen der Galle, Ver-
ſtopfung oder (am haͤufigſten) ein catarrhaliſcher Affect der
Daͤrme — Ruhr. Wird die Deho'ſche Methode daher nicht
fruͤh genug, ſondern in einem Zeitpunkt angewandt, wo die
Complicationen bereits eingetreten ſind, ſo muß der Arzt
natuͤrlich auf dieſelben Ruͤckſicht nehmen. Deho's Methode
gruͤndet ſich auf Browniſche Grundſaͤtze. Dies war bey
mir nicht die einzige Empfehlung fuͤr ſie. Aber ich glaube
daß man in einer Sache, welche den Wohlſtand des Volks
ſo nahe angeht, Erfahrungen nur durch Erfahrungen pruͤ-
fen koͤnne. Jch glaubte, daß in einer Sache, von der nie-
mand etwas beſtimmtes weiß, alles zu verſuchen ſey.
Jch wartete den Zeitpunkt ab, wo die Seuche ſich unſerer
Stadt naͤhern wuͤrde, um dann ſelbſt krankes Vieh zu kau-
fen und die Wirkung reizender Mittel zu pruͤfen. Andere
Beſchaͤftigungen hielten mich von der Ausfuͤhrung dieſes
Entſchlußes ab und ich reichte daher bey der hieſigen Koͤnig-
lichen Krieges- und Domainencammer ein Memoire ein,
in welchem ich dieſelbe aufforderte, jene Verſuche anſtellen
zu laſſen. Bey dem regen Eifer, welchen der Herr Praͤ-
ſident von Schukmann fuͤr jedes nuͤtzliche Unternehmen
aͤußert, blieb mein Wunſch nicht unerfuͤllt. Ein uͤberaus
thaͤtiger und kenntnißvoller hieſiger Arzt, Herr von Schal-
lern erhielt den Auftrag, Deho's Kurplan auszufuͤhren —
und ſeine erſten Verſuche haben einen Erfolg gehabt, uͤber
den Sie mit mir erſtaunen werden. Jn Neuſtadt am Culm
wuͤthete die Rindviehſeuche ſo fuͤrchterlich, daß dort von
hundert Haͤuptern kaum eines die Krankheit uͤberſtand.
Herr von Schallern nahm 21 Stuͤck in die Kur und
von dieſen ſind bereits 16 Stuͤck gerettet!! Alle wur-
den nach Deho's reizender Methode mit Wein, Theriak,
Opium und Knoblauch behandelt; Esluſt, Muskelſtaͤrke,
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