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Humboldt, Alexander von: Ueber die Rindviehseuche als Nervenfieber behandelt. In: Neues Magazin für Aerzte. Bd. 18, 5. St., 1796, S. 421-425.

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Neues Magazin für Aerzte.
doch waren diese Versuche unter ungünstigen äußern Um-
ständen angestellt. Das Neustadter Vieh leidet seit dem
verflossenen Jahre meist an Lungenübeln, daher es die
Seuche jetzt um so gewaltsamer hinraft. Auch die Winter-
kälte schadet der Kur, da Herr von Schallern ausdrücklich
bemerkte, daß bey höheren Thermometerständen die Gene-
sung schneller als bey niedrigern erfolgte. Jch schreibe
Jhnen noch keine Bestimmungen über die quantitativen
Verhältnisse, in denen jedes Mittel gebraucht worden ist,
da man hier fortfährt, Versuche darüber zu machen, ob
nicht wohlfeilere Stoffe den theuerern zu substituiren sind.
Jn einer Sache, die so neu ist, muß man sich hüten, zu
voreilig bestimmte Vorschriften zu geben. Genug, daß
man hier auf einem neuen, vielversprechenden Wege ist.
Das Landvolk selbst hat das größte Vertrauen dazu gefaßt,
und wer würde eine Ausgabe von selbst mehreren Thalern
scheuen, um einen wohlgemästeten Ochsen und ein Stück
Zugvieh zu retten. Jch werde mich freuen, wenn durch
diese Betrachtungen die Aufmerksamkeit derer, deren Beruf
es ist, für den allgemeinen Landeswohlstand zu sorgen, auf
einen so wichtigen Gegenstand geleitet würde. Aber frey-
lich ist es leichter, eine Vorschrift, wie man sich bey der
Viehseuche zu verhalten habe, drucken zu lassen und Pur-
girsalze zu empfehlen, welche (wie hier die allgemeine Er-
fahrung lehrt) den letzten Rest der Kräfte rauben und den
Tod desto schneller herbeyrufen!

Am Schluß dieses Briefes nur noch wenige Worte
über den Ansteckungsstoff: Man hat bey der diesjährigen
Seuche einige auffallende Erfahrungen darüber gesammelt.
Wann angesteckte Dorfschaften von unangesteckten Gegen-
den gegen Westen lagen, so haben diese die Seuche oft nicht
eher zugeführt erhalten, als bis der Ostwind sich in einen
Westwind umsetzte. -- Nichts ist wichtiger für den Land-
mann, als das Reinigen der ausgestorbenen Ställe, wenn
neu gekauftes gesundes Vieh wieder hineingebracht werden

soll.

Neues Magazin fuͤr Aerzte.
doch waren dieſe Verſuche unter unguͤnſtigen aͤußern Um-
ſtaͤnden angeſtellt. Das Neuſtadter Vieh leidet ſeit dem
verfloſſenen Jahre meiſt an Lungenuͤbeln, daher es die
Seuche jetzt um ſo gewaltſamer hinraft. Auch die Winter-
kaͤlte ſchadet der Kur, da Herr von Schallern ausdruͤcklich
bemerkte, daß bey hoͤheren Thermometerſtaͤnden die Gene-
ſung ſchneller als bey niedrigern erfolgte. Jch ſchreibe
Jhnen noch keine Beſtimmungen uͤber die quantitativen
Verhaͤltniſſe, in denen jedes Mittel gebraucht worden iſt,
da man hier fortfaͤhrt, Verſuche daruͤber zu machen, ob
nicht wohlfeilere Stoffe den theuerern zu ſubſtituiren ſind.
Jn einer Sache, die ſo neu iſt, muß man ſich huͤten, zu
voreilig beſtimmte Vorſchriften zu geben. Genug, daß
man hier auf einem neuen, vielverſprechenden Wege iſt.
Das Landvolk ſelbſt hat das groͤßte Vertrauen dazu gefaßt,
und wer wuͤrde eine Ausgabe von ſelbſt mehreren Thalern
ſcheuen, um einen wohlgemaͤſteten Ochſen und ein Stuͤck
Zugvieh zu retten. Jch werde mich freuen, wenn durch
dieſe Betrachtungen die Aufmerkſamkeit derer, deren Beruf
es iſt, fuͤr den allgemeinen Landeswohlſtand zu ſorgen, auf
einen ſo wichtigen Gegenſtand geleitet wuͤrde. Aber frey-
lich iſt es leichter, eine Vorſchrift, wie man ſich bey der
Viehſeuche zu verhalten habe, drucken zu laſſen und Pur-
girſalze zu empfehlen, welche (wie hier die allgemeine Er-
fahrung lehrt) den letzten Reſt der Kraͤfte rauben und den
Tod deſto ſchneller herbeyrufen!

Am Schluß dieſes Briefes nur noch wenige Worte
uͤber den Anſteckungsſtoff: Man hat bey der diesjaͤhrigen
Seuche einige auffallende Erfahrungen daruͤber geſammelt.
Wann angeſteckte Dorfſchaften von unangeſteckten Gegen-
den gegen Weſten lagen, ſo haben dieſe die Seuche oft nicht
eher zugefuͤhrt erhalten, als bis der Oſtwind ſich in einen
Weſtwind umſetzte. — Nichts iſt wichtiger fuͤr den Land-
mann, als das Reinigen der ausgeſtorbenen Staͤlle, wenn
neu gekauftes geſundes Vieh wieder hineingebracht werden

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[424/0005] Neues Magazin fuͤr Aerzte. doch waren dieſe Verſuche unter unguͤnſtigen aͤußern Um- ſtaͤnden angeſtellt. Das Neuſtadter Vieh leidet ſeit dem verfloſſenen Jahre meiſt an Lungenuͤbeln, daher es die Seuche jetzt um ſo gewaltſamer hinraft. Auch die Winter- kaͤlte ſchadet der Kur, da Herr von Schallern ausdruͤcklich bemerkte, daß bey hoͤheren Thermometerſtaͤnden die Gene- ſung ſchneller als bey niedrigern erfolgte. Jch ſchreibe Jhnen noch keine Beſtimmungen uͤber die quantitativen Verhaͤltniſſe, in denen jedes Mittel gebraucht worden iſt, da man hier fortfaͤhrt, Verſuche daruͤber zu machen, ob nicht wohlfeilere Stoffe den theuerern zu ſubſtituiren ſind. Jn einer Sache, die ſo neu iſt, muß man ſich huͤten, zu voreilig beſtimmte Vorſchriften zu geben. Genug, daß man hier auf einem neuen, vielverſprechenden Wege iſt. Das Landvolk ſelbſt hat das groͤßte Vertrauen dazu gefaßt, und wer wuͤrde eine Ausgabe von ſelbſt mehreren Thalern ſcheuen, um einen wohlgemaͤſteten Ochſen und ein Stuͤck Zugvieh zu retten. Jch werde mich freuen, wenn durch dieſe Betrachtungen die Aufmerkſamkeit derer, deren Beruf es iſt, fuͤr den allgemeinen Landeswohlſtand zu ſorgen, auf einen ſo wichtigen Gegenſtand geleitet wuͤrde. Aber frey- lich iſt es leichter, eine Vorſchrift, wie man ſich bey der Viehſeuche zu verhalten habe, drucken zu laſſen und Pur- girſalze zu empfehlen, welche (wie hier die allgemeine Er- fahrung lehrt) den letzten Reſt der Kraͤfte rauben und den Tod deſto ſchneller herbeyrufen! Am Schluß dieſes Briefes nur noch wenige Worte uͤber den Anſteckungsſtoff: Man hat bey der diesjaͤhrigen Seuche einige auffallende Erfahrungen daruͤber geſammelt. Wann angeſteckte Dorfſchaften von unangeſteckten Gegen- den gegen Weſten lagen, ſo haben dieſe die Seuche oft nicht eher zugefuͤhrt erhalten, als bis der Oſtwind ſich in einen Weſtwind umſetzte. — Nichts iſt wichtiger fuͤr den Land- mann, als das Reinigen der ausgeſtorbenen Staͤlle, wenn neu gekauftes geſundes Vieh wieder hineingebracht werden ſoll.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber die Rindviehseuche als Nervenfieber behandelt. In: Neues Magazin für Aerzte. Bd. 18, 5. St., 1796, S. 421-425, hier S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_rindviehseuche_1796/5>, abgerufen am 21.11.2024.