Humboldt, Alexander von: Ueber die Schwankungen der Goldproduktion mit Rücksicht auf staatswirthschaftliche Probleme. In: Deutsche Vierteljahrs Schrift, Bd. 1, H. IV (1838), S. 1-40.Ueber die Schwankungen fuhr des amerikanischen Goldes zu dem des amerikanischenSilbers dem Gewichte nach, wie 1 zu 65. Gegenwärtig ist dies Verhältniß, wenn man den europäischen Metallhandel mit allen Welttheilen in einem Blicke umfaßt, wohl nicht höher als 1 zu 47. So ergibt es wenigstens die Vergleichung der Massen* beider Metalle, welche gleichzeitig in Europa gemünzt vorhanden sind. Die Angaben, welche die sonst so vortreffliche Schrift von Adam Smith enthält, sind, wie der größere Theil der darin aufgestellten uumerischen Resultate, überaus unrichtig, ja in dem eben berührten Verhältniß um mehr als die Hälfte falsch. Jm Geldhandel schwankte der relative Werth von Gold und Silber unter den gebildeten und also unmittelbar mit einander verkehrenden Völkern Europa's, in den ersten hundert Jahren seit der Entdeckung des Neuen Continents, zwischen 1:10 und 1:12, in den letzten zweihundert Jahren zwischen 1:14 und 1:16. Dieses Schwanken hängt keineswegs allein von den relativen Quantitäten der Metalle ab, welche jähr- lich dem Schoße der Erde entrissen werden. Das Verhältniß des Werthes beider Metalle wird zugleich durch die Produktionskosten, durch die Nachfrage oder das Bedürfniß der Consumenten, durch die ungleiche Abnützung, durch die Verwendung zu Geschmeiden und anderen Metallwaaren mannigfaltig modificirt. So viele gleichzeitig einwirkende Elemente machen bei der Leichtigkeit des Zuströmens im allgemeinen und schnellen Weltverkehr und bei der ungeheuren Masse der schon vorhandenen, in Europa angehäuften Metalle, jetzt jede sehr große oder lange dauernde, partielle Oscil- lation im relativen Werthe von Gdld und Silber unmöglich. So hat es sich gezeigt, wenn plötzlich Störungen der Produktion ein- traten, wie nach dem Ausbruche der Revolution im spanischen Amerika; so bei übermäßigem Verbrauche eines der edeln Metalle in einer vielbeschäftigten Münzstätte. Jn England wurden nämlich in den zehn Jahren zwischen 1817 und 1827 über 1,294,000 Mark Gold geprägt, und dieser Goldankauf hat doch nur das Verhältniß des Goldes zum Silber in London von 1:14,97 zu 1:15,60 steigen * S. mein Essai politique T. III, 400, 430-448 und 463. Jacob,
Prec. Metals T. II, p. 187. Das von mir aufgefundene Resultat ist von Say (Traite d'economie politique T. II, L. 3, Chap. 10) durch Analogien aus dem Waarenhandel scharfsinnig erläutert worden. Ueber die Schwankungen fuhr des amerikaniſchen Goldes zu dem des amerikaniſchenSilbers dem Gewichte nach, wie 1 zu 65. Gegenwärtig iſt dies Verhältniß, wenn man den europäiſchen Metallhandel mit allen Welttheilen in einem Blicke umfaßt, wohl nicht höher als 1 zu 47. So ergibt es wenigſtens die Vergleichung der Maſſen* beider Metalle, welche gleichzeitig in Europa gemünzt vorhanden ſind. Die Angaben, welche die ſonſt ſo vortreffliche Schrift von Adam Smith enthält, ſind, wie der größere Theil der darin aufgeſtellten uumeriſchen Reſultate, überaus unrichtig, ja in dem eben berührten Verhältniß um mehr als die Hälfte falſch. Jm Geldhandel ſchwankte der relative Werth von Gold und Silber unter den gebildeten und alſo unmittelbar mit einander verkehrenden Völkern Europa's, in den erſten hundert Jahren ſeit der Entdeckung des Neuen Continents, zwiſchen 1:10 und 1:12, in den letzten zweihundert Jahren zwiſchen 1:14 und 1:16. Dieſes Schwanken hängt keineswegs allein von den relativen Quantitäten der Metalle ab, welche jähr- lich dem Schoße der Erde entriſſen werden. Das Verhältniß des Werthes beider Metalle wird zugleich durch die Produktionskoſten, durch die Nachfrage oder das Bedürfniß der Conſumenten, durch die ungleiche Abnützung, durch die Verwendung zu Geſchmeiden und anderen Metallwaaren mannigfaltig modificirt. So viele gleichzeitig einwirkende Elemente machen bei der Leichtigkeit des Zuſtrömens im allgemeinen und ſchnellen Weltverkehr und bei der ungeheuren Maſſe der ſchon vorhandenen, in Europa angehäuften Metalle, jetzt jede ſehr große oder lange dauernde, partielle Oscil- lation im relativen Werthe von Gdld und Silber unmöglich. So hat es ſich gezeigt, wenn plötzlich Störungen der Produktion ein- traten, wie nach dem Ausbruche der Revolution im ſpaniſchen Amerika; ſo bei übermäßigem Verbrauche eines der edeln Metalle in einer vielbeſchäftigten Münzſtätte. Jn England wurden nämlich in den zehn Jahren zwiſchen 1817 und 1827 über 1,294,000 Mark Gold geprägt, und dieſer Goldankauf hat doch nur das Verhältniß des Goldes zum Silber in London von 1:14,97 zu 1:15,60 ſteigen * S. mein Essai politique T. III, 400, 430–448 und 463. Jacob,
Prec. Metals T. II, p. 187. Das von mir aufgefundene Reſultat iſt von Say (Traité d'économie politique T. II, L. 3, Chap. 10) durch Analogien aus dem Waarenhandel ſcharfſinnig erläutert worden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0013" n="12"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">Ueber die Schwankungen</hi></fw><lb/> fuhr des <hi rendition="#g">amerikaniſchen</hi> Goldes zu dem des <hi rendition="#g">amerikaniſchen</hi><lb/> Silbers dem Gewichte nach, wie 1 zu 65. Gegenwärtig iſt dies<lb/> Verhältniß, wenn man den europäiſchen Metallhandel <hi rendition="#g">mit allen<lb/> Welttheilen</hi> in einem Blicke umfaßt, wohl nicht höher als<lb/> 1 zu 47. So ergibt es wenigſtens die Vergleichung der Maſſen<note place="foot" n="*">S. mein <hi rendition="#aq">Essai politique T. III</hi>, 400, 430–448 und 463. <hi rendition="#aq">Jacob,<lb/> Prec. Metals T. II, p</hi>. 187. Das von mir aufgefundene Reſultat iſt<lb/> von Say (<hi rendition="#aq">Traité d'économie politique T. II, L</hi>. 3, <hi rendition="#aq">Chap</hi>. 10) durch<lb/> Analogien aus dem Waarenhandel ſcharfſinnig erläutert worden.</note> beider<lb/> Metalle, welche gleichzeitig in Europa gemünzt vorhanden ſind.<lb/> Die Angaben, welche die ſonſt ſo vortreffliche Schrift von Adam<lb/> Smith enthält, ſind, wie der größere Theil der darin aufgeſtellten<lb/> uumeriſchen Reſultate, überaus unrichtig, ja in dem eben berührten<lb/> Verhältniß um mehr als die Hälfte falſch. Jm Geldhandel ſchwankte<lb/> der relative Werth von Gold und Silber unter den gebildeten und alſo<lb/> unmittelbar mit einander verkehrenden Völkern Europa's, in den<lb/> erſten hundert Jahren ſeit der Entdeckung des Neuen Continents,<lb/> zwiſchen 1:10<formula notation="TeX">\nicefrac{7}{10}</formula> und 1:12, in den letzten zweihundert Jahren<lb/> zwiſchen 1:14 und 1:16. Dieſes Schwanken hängt keineswegs<lb/> allein von den relativen Quantitäten der Metalle ab, welche jähr-<lb/> lich dem Schoße der Erde entriſſen werden. Das Verhältniß des<lb/> Werthes beider Metalle wird zugleich durch die Produktionskoſten,<lb/> durch die Nachfrage oder das Bedürfniß der Conſumenten, durch<lb/> die ungleiche Abnützung, durch die Verwendung zu Geſchmeiden<lb/> und anderen Metallwaaren mannigfaltig modificirt. So viele<lb/> gleichzeitig einwirkende Elemente machen bei der Leichtigkeit des<lb/> Zuſtrömens im allgemeinen und ſchnellen Weltverkehr und bei der<lb/> ungeheuren Maſſe der ſchon vorhandenen, in Europa angehäuften<lb/> Metalle, jetzt jede ſehr große oder lange dauernde, partielle Oscil-<lb/> lation im relativen Werthe von Gdld und Silber unmöglich. So<lb/> hat es ſich gezeigt, wenn plötzlich Störungen der Produktion ein-<lb/> traten, wie nach dem Ausbruche der Revolution im ſpaniſchen<lb/> Amerika; ſo bei übermäßigem Verbrauche eines der edeln Metalle<lb/> in einer vielbeſchäftigten Münzſtätte. Jn England wurden nämlich<lb/> in den zehn Jahren zwiſchen 1817 und 1827 über 1,294,000 Mark<lb/> Gold geprägt, und dieſer Goldankauf hat doch nur das Verhältniß<lb/> des Goldes zum Silber in London von 1:14,97 zu 1:15,60 ſteigen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [12/0013]
Ueber die Schwankungen
fuhr des amerikaniſchen Goldes zu dem des amerikaniſchen
Silbers dem Gewichte nach, wie 1 zu 65. Gegenwärtig iſt dies
Verhältniß, wenn man den europäiſchen Metallhandel mit allen
Welttheilen in einem Blicke umfaßt, wohl nicht höher als
1 zu 47. So ergibt es wenigſtens die Vergleichung der Maſſen * beider
Metalle, welche gleichzeitig in Europa gemünzt vorhanden ſind.
Die Angaben, welche die ſonſt ſo vortreffliche Schrift von Adam
Smith enthält, ſind, wie der größere Theil der darin aufgeſtellten
uumeriſchen Reſultate, überaus unrichtig, ja in dem eben berührten
Verhältniß um mehr als die Hälfte falſch. Jm Geldhandel ſchwankte
der relative Werth von Gold und Silber unter den gebildeten und alſo
unmittelbar mit einander verkehrenden Völkern Europa's, in den
erſten hundert Jahren ſeit der Entdeckung des Neuen Continents,
zwiſchen 1:10[FORMEL] und 1:12, in den letzten zweihundert Jahren
zwiſchen 1:14 und 1:16. Dieſes Schwanken hängt keineswegs
allein von den relativen Quantitäten der Metalle ab, welche jähr-
lich dem Schoße der Erde entriſſen werden. Das Verhältniß des
Werthes beider Metalle wird zugleich durch die Produktionskoſten,
durch die Nachfrage oder das Bedürfniß der Conſumenten, durch
die ungleiche Abnützung, durch die Verwendung zu Geſchmeiden
und anderen Metallwaaren mannigfaltig modificirt. So viele
gleichzeitig einwirkende Elemente machen bei der Leichtigkeit des
Zuſtrömens im allgemeinen und ſchnellen Weltverkehr und bei der
ungeheuren Maſſe der ſchon vorhandenen, in Europa angehäuften
Metalle, jetzt jede ſehr große oder lange dauernde, partielle Oscil-
lation im relativen Werthe von Gdld und Silber unmöglich. So
hat es ſich gezeigt, wenn plötzlich Störungen der Produktion ein-
traten, wie nach dem Ausbruche der Revolution im ſpaniſchen
Amerika; ſo bei übermäßigem Verbrauche eines der edeln Metalle
in einer vielbeſchäftigten Münzſtätte. Jn England wurden nämlich
in den zehn Jahren zwiſchen 1817 und 1827 über 1,294,000 Mark
Gold geprägt, und dieſer Goldankauf hat doch nur das Verhältniß
des Goldes zum Silber in London von 1:14,97 zu 1:15,60 ſteigen
* S. mein Essai politique T. III, 400, 430–448 und 463. Jacob,
Prec. Metals T. II, p. 187. Das von mir aufgefundene Reſultat iſt
von Say (Traité d'économie politique T. II, L. 3, Chap. 10) durch
Analogien aus dem Waarenhandel ſcharfſinnig erläutert worden.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Weitere Informationen:Eine weitere Fassung dieses Textes finden Sie in der Ausgabe Sämtliche Schriften digital (2021 ff.) der Universität Bern.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |