Humboldt, Alexander von: Ueber die Schwankungen der Goldproduktion mit Rücksicht auf staatswirthschaftliche Probleme. In: Deutsche Vierteljahrs Schrift, Bd. 1, H. IV (1838), S. 1-40.Ueber die Schwankungen Ansichten, Einfluß des landbesitzenden Adels, ja ungleiche locale An-häufung von Geld und Waaren auf die Gesetzgebung jeglicher Epoche einwirken. Dazu umfassen Temperaturveränderungen (die mittlere Wärme der Frühlings- und Sommermonate), welche die Cultur der Cerealien begünstigen, nicht gleichzeitig das ganze ackerbauende Europa. Selbst die Fortschritte dieser Cultur, die bessere Benützung der erzeugenden Erdkräfte modificiren die Preise. Eine ungleich wachsende Bevölkerung und der damit zunehmende Verkehr vermehren die Nach- frage nach den Metallen. Bei dem Maaße, das man sucht und in den wechselnden Kornpreisen zu finden glaubt, hat man also mit zwei gleichzeitig veränderlichen Größen zu thun. Die erhöhten Korn- preise drücken selbst für ein einzelnes Land nicht die in gleichem Maaße anwachsende Menge von Gold und Silber aus, so wenig als sie uns unmittelbar über die allgemeinen Witterungsverhältnisse und (nach der Hypothese eines großen Astronomen) über die Quan- tität der Sonnenflecke belehren. Angaben, welche in derselben Epoche einen großen Theil von Europa umfassen, fehlen uns gänz- lich, und genaue Untersuchungen haben gezeigt, daß in Oberitalien zum Beispiel das Steigen der Preise von Getreide, Wein und Oel zwischen dem fünfzehnten und achtzehnten Jahrhundert viel geringer* gewesen ist, als man berechtigt war, es anzunehmen, nach dem, was uns aus England, Frankreich und Spanien** * Gianrinaldo Carli. Opere, T. VII, p. 190. Savigny, Geschichte des Rechts, B. III, S. 567. Die Nachrichten über die Preise der Dinge im südlichen Europa reichen sehr bestimmt bis in das vier- zehnte Jahrhundert, da (1321) Marino Sanuto dem Papste Jo- hannes XXII. den Kostenanschlag eines Kreuzzuges vorlegte, durch den der ganze Handel des Orients abgeleitet werden sollte. Jn diesem Kostenanschlage, wie in den Preisangaben von Balducci Pegoletti, ist aber der Silbergehalt der Münzen mit mehr Sorgfalt zu bestim- men, als bisher von denen geschehen ist, die sich mit der Waaren- kunde und der Geschichte des Handels beschäftigt haben. ** Clemencin in den Mem. de la Academia Real de Historia, T. VI, p. 553.
Die Vanega Weizen (trigo) kostete in Spanien von 1406 bis 1502 im Mittel 10, von 1793 bis 1808 aber 62 Reales, die Münze auf gleichen Silbergehalt reducirt. Damit stimmen Say's Untersuchun- gen über die Kornpreise in Frankreich überein (Traite d'economie politique, T. I, p. 352). Zur Zeit der Jungfrau von Orleans, unter Carl VII., war das Hectoliter Weizen (an Gewicht 75 Kil.) bis zum Preise von 219 Gran Silber gesunken. Der Mittelpreis kurz Ueber die Schwankungen Anſichten, Einfluß des landbeſitzenden Adels, ja ungleiche locale An-häufung von Geld und Waaren auf die Geſetzgebung jeglicher Epoche einwirken. Dazu umfaſſen Temperaturveränderungen (die mittlere Wärme der Frühlings- und Sommermonate), welche die Cultur der Cerealien begünſtigen, nicht gleichzeitig das ganze ackerbauende Europa. Selbſt die Fortſchritte dieſer Cultur, die beſſere Benützung der erzeugenden Erdkräfte modificiren die Preiſe. Eine ungleich wachſende Bevölkerung und der damit zunehmende Verkehr vermehren die Nach- frage nach den Metallen. Bei dem Maaße, das man ſucht und in den wechſelnden Kornpreiſen zu finden glaubt, hat man alſo mit zwei gleichzeitig veränderlichen Größen zu thun. Die erhöhten Korn- preiſe drücken ſelbſt für ein einzelnes Land nicht die in gleichem Maaße anwachſende Menge von Gold und Silber aus, ſo wenig als ſie uns unmittelbar über die allgemeinen Witterungsverhältniſſe und (nach der Hypotheſe eines großen Aſtronomen) über die Quan- tität der Sonnenflecke belehren. Angaben, welche in derſelben Epoche einen großen Theil von Europa umfaſſen, fehlen uns gänz- lich, und genaue Unterſuchungen haben gezeigt, daß in Oberitalien zum Beiſpiel das Steigen der Preiſe von Getreide, Wein und Oel zwiſchen dem fünfzehnten und achtzehnten Jahrhundert viel geringer* geweſen iſt, als man berechtigt war, es anzunehmen, nach dem, was uns aus England, Frankreich und Spanien** * Gianrinaldo Carli. Opere, T. VII, p. 190. Savigny, Geſchichte des Rechts, B. III, S. 567. Die Nachrichten über die Preiſe der Dinge im ſüdlichen Europa reichen ſehr beſtimmt bis in das vier- zehnte Jahrhundert, da (1321) Marino Sanuto dem Papſte Jo- hannes XXII. den Koſtenanſchlag eines Kreuzzuges vorlegte, durch den der ganze Handel des Orients abgeleitet werden ſollte. Jn dieſem Koſtenanſchlage, wie in den Preisangaben von Balducci Pegoletti, iſt aber der Silbergehalt der Münzen mit mehr Sorgfalt zu beſtim- men, als bisher von denen geſchehen iſt, die ſich mit der Waaren- kunde und der Geſchichte des Handels beſchäftigt haben. ** Clemencin in den Mem. de la Academia Real de Historia, T. VI, p. 553.
Die Vanega Weizen (trigo) koſtete in Spanien von 1406 bis 1502 im Mittel 10, von 1793 bis 1808 aber 62 Reales, die Münze auf gleichen Silbergehalt reducirt. Damit ſtimmen Say's Unterſuchun- gen über die Kornpreiſe in Frankreich überein (Traité d'économie politique, T. I, p. 352). Zur Zeit der Jungfrau von Orleans, unter Carl VII., war das Hectoliter Weizen (an Gewicht 75 Kil.) bis zum Preiſe von 219 Gran Silber geſunken. Der Mittelpreis kurz <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0017" n="16"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">Ueber die Schwankungen</hi></fw><lb/> Anſichten, Einfluß des landbeſitzenden Adels, ja ungleiche locale An-<lb/> häufung von Geld und Waaren auf die Geſetzgebung jeglicher Epoche<lb/> einwirken. Dazu umfaſſen Temperaturveränderungen (die mittlere<lb/> Wärme der Frühlings- und Sommermonate), welche die Cultur<lb/> der Cerealien begünſtigen, nicht gleichzeitig das ganze ackerbauende<lb/> Europa. Selbſt die Fortſchritte dieſer Cultur, die beſſere Benützung der<lb/> erzeugenden Erdkräfte modificiren die Preiſe. Eine ungleich wachſende<lb/> Bevölkerung und der damit zunehmende Verkehr vermehren die Nach-<lb/> frage nach den Metallen. Bei dem Maaße, das man ſucht und in den<lb/> wechſelnden Kornpreiſen zu finden glaubt, hat man alſo mit zwei<lb/> gleichzeitig veränderlichen Größen zu thun. Die erhöhten Korn-<lb/> preiſe drücken ſelbſt für ein einzelnes Land nicht die <hi rendition="#g">in gleichem<lb/> Maaße</hi> anwachſende Menge von Gold und Silber aus, ſo wenig<lb/> als ſie uns unmittelbar über die allgemeinen Witterungsverhältniſſe<lb/> und (nach der Hypotheſe eines großen Aſtronomen) über die Quan-<lb/> tität der Sonnenflecke belehren. Angaben, welche in derſelben<lb/> Epoche einen großen Theil von Europa umfaſſen, fehlen uns gänz-<lb/> lich, und genaue Unterſuchungen haben gezeigt, daß in Oberitalien<lb/> zum Beiſpiel das Steigen der Preiſe von Getreide, Wein und<lb/> Oel zwiſchen dem fünfzehnten und achtzehnten Jahrhundert viel<lb/> geringer<note place="foot" n="*"><hi rendition="#aq">Gianrinaldo Carli. Opere, T. VII, p</hi>. 190. <hi rendition="#g">Savigny</hi>, <hi rendition="#g">Geſchichte<lb/> des Rechts</hi>, B. <hi rendition="#aq">III</hi>, S. 567. Die Nachrichten über die Preiſe der<lb/> Dinge im ſüdlichen Europa reichen ſehr beſtimmt bis in das vier-<lb/> zehnte Jahrhundert, da (1321) Marino Sanuto dem Papſte Jo-<lb/> hannes <hi rendition="#aq">XXII</hi>. den Koſtenanſchlag eines Kreuzzuges vorlegte, durch<lb/> den der ganze Handel des Orients abgeleitet werden ſollte. Jn dieſem<lb/> Koſtenanſchlage, wie in den Preisangaben von Balducci Pegoletti, iſt<lb/> aber der Silbergehalt der Münzen mit mehr Sorgfalt zu beſtim-<lb/> men, als bisher von denen geſchehen iſt, die ſich mit der Waaren-<lb/> kunde und der Geſchichte des Handels beſchäftigt haben.</note> geweſen iſt, als man berechtigt war, es anzunehmen,<lb/> nach dem, was uns aus England, Frankreich und Spanien<note xml:id="fn3" next="#fn3.1" place="foot" n="**">Clemencin in den <hi rendition="#aq">Mem. de la Academia Real de Historia, T. VI, p</hi>. 553.<lb/> Die Vanega Weizen (<hi rendition="#aq">trigo</hi>) koſtete in Spanien von 1406 bis 1502<lb/> im Mittel 10, von 1793 bis 1808 aber 62 Reales, die Münze auf<lb/> gleichen Silbergehalt reducirt. Damit ſtimmen Say's Unterſuchun-<lb/> gen über die Kornpreiſe in Frankreich überein (<hi rendition="#aq">Traité d'économie<lb/> politique, T. I, p</hi>. 352). Zur Zeit der Jungfrau von Orleans, unter<lb/> Carl <hi rendition="#aq">VII</hi>., war das Hectoliter Weizen (an Gewicht 75 Kil.) bis<lb/> zum Preiſe von 219 Gran Silber geſunken. Der Mittelpreis kurz</note><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [16/0017]
Ueber die Schwankungen
Anſichten, Einfluß des landbeſitzenden Adels, ja ungleiche locale An-
häufung von Geld und Waaren auf die Geſetzgebung jeglicher Epoche
einwirken. Dazu umfaſſen Temperaturveränderungen (die mittlere
Wärme der Frühlings- und Sommermonate), welche die Cultur
der Cerealien begünſtigen, nicht gleichzeitig das ganze ackerbauende
Europa. Selbſt die Fortſchritte dieſer Cultur, die beſſere Benützung der
erzeugenden Erdkräfte modificiren die Preiſe. Eine ungleich wachſende
Bevölkerung und der damit zunehmende Verkehr vermehren die Nach-
frage nach den Metallen. Bei dem Maaße, das man ſucht und in den
wechſelnden Kornpreiſen zu finden glaubt, hat man alſo mit zwei
gleichzeitig veränderlichen Größen zu thun. Die erhöhten Korn-
preiſe drücken ſelbſt für ein einzelnes Land nicht die in gleichem
Maaße anwachſende Menge von Gold und Silber aus, ſo wenig
als ſie uns unmittelbar über die allgemeinen Witterungsverhältniſſe
und (nach der Hypotheſe eines großen Aſtronomen) über die Quan-
tität der Sonnenflecke belehren. Angaben, welche in derſelben
Epoche einen großen Theil von Europa umfaſſen, fehlen uns gänz-
lich, und genaue Unterſuchungen haben gezeigt, daß in Oberitalien
zum Beiſpiel das Steigen der Preiſe von Getreide, Wein und
Oel zwiſchen dem fünfzehnten und achtzehnten Jahrhundert viel
geringer * geweſen iſt, als man berechtigt war, es anzunehmen,
nach dem, was uns aus England, Frankreich und Spanien **
* Gianrinaldo Carli. Opere, T. VII, p. 190. Savigny, Geſchichte
des Rechts, B. III, S. 567. Die Nachrichten über die Preiſe der
Dinge im ſüdlichen Europa reichen ſehr beſtimmt bis in das vier-
zehnte Jahrhundert, da (1321) Marino Sanuto dem Papſte Jo-
hannes XXII. den Koſtenanſchlag eines Kreuzzuges vorlegte, durch
den der ganze Handel des Orients abgeleitet werden ſollte. Jn dieſem
Koſtenanſchlage, wie in den Preisangaben von Balducci Pegoletti, iſt
aber der Silbergehalt der Münzen mit mehr Sorgfalt zu beſtim-
men, als bisher von denen geſchehen iſt, die ſich mit der Waaren-
kunde und der Geſchichte des Handels beſchäftigt haben.
** Clemencin in den Mem. de la Academia Real de Historia, T. VI, p. 553.
Die Vanega Weizen (trigo) koſtete in Spanien von 1406 bis 1502
im Mittel 10, von 1793 bis 1808 aber 62 Reales, die Münze auf
gleichen Silbergehalt reducirt. Damit ſtimmen Say's Unterſuchun-
gen über die Kornpreiſe in Frankreich überein (Traité d'économie
politique, T. I, p. 352). Zur Zeit der Jungfrau von Orleans, unter
Carl VII., war das Hectoliter Weizen (an Gewicht 75 Kil.) bis
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