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Humboldt, Alexander von: Ueber die Schwankungen der Goldproduktion mit Rücksicht auf staatswirthschaftliche Probleme. In: Deutsche Vierteljahrs Schrift, Bd. 1, H. IV (1838), S. 1-40.

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der Goldproduktion.
Der geistreiche Historiker hat meine officiellen Beweise* von der
geringen Menge edler Metalle, die bis 1545 der amerikanische
Bergbau und die sogenannten Jnca-Schätze geliefert, durch neue
Dokumente erweitert und bekräftigt.

Eine genauere Kenntniß der Geschichte der Metallproduktion
oder der allmähligen Entdeckung großer erzführenden Lagerstätten
in der Neuen Welt lehrt uns, warum das Sinken des Werthes
der edlen Metalle oder (was dasselbe ist) das Steigen der Preise
von Korn und anderer unentbehrlicher Erzeugnisse des Bodens
und des menschlichen Kunstfleißes erst gegen die Mitte des sech-
zehnten Jahrhunderts, und besonders zwischen 1570 und 1595 am
lebhaftesten gefühlt wurde. Damals fing die Silbermenge der
Bergwerke von Tasco, Zacatecas und Pachuca in Neuspanien, von
Potosi, Porco und Oruro in der peruanischen Andeskette erst an,
sich in Europa gleichmäßiger zu verbreiten, und ihren Effekt auf die
Preise des Weizens, der rohen Wolle und der Manufakturwaaren
auszuüben. Die eigentliche Eröffnung und Bearbeitung der Gruben
von Potosi durch die spanischen Conquistadores fällt in das
Jahr 1545, und die viel berufene Predigt, welche der Bischof La-
timer vor König Eduard VI. hielt,** und in der er seinen Zorn
über das Steigen der Preise aller Lebensmittel ausdrückt, ist vom
17. Januar 1548. Besser fast noch, als die von Fleetwood, Du-
pre de St. Maur, Garnier und Lloyd gesammelten Kornpreise
verkündigen die englischen Korngesetze zwischen 1554 bis 1688 die
Anhäufung der Metalle. Die Ausfuhr des Weizens ist bekanntlich
nur erlaubt, wenn der Preis eines gewissen Maßes eine durch das
Gesetz bestimmte Höhe erreicht. Nun war diese Grenze unter der Königin
Marie 1554 per Quarter 6 Schilling, unter Elisabeth 1593 gegen 20,
und im Jahr 1604 unter Jakob I. über 26 Schill. Diese numerischen
Thatsachen sind allerdings von großem Werthe, aber ihre Deutung
erheischt besondere Vorsicht, da das Problem der Kornpreise, ja aller
Preise ein sehr complicirtes ist, und sehr veränderliche theoretische

* Essai politique T. III, p. 361-382, 421-428. Der Bergbau lieferte
bis 1545 nicht drei Millionen Piaster jährlich. Atahnalpa's Lösegeld
betrug nach Gomara 52000 Mark Silber und die Beute (Tempelraub)
in Cuzco nach Herrera nur 25700 Mark Silber an Werth.
** Jacob on Precious Metals, T. II, p. 77, 132 und 388.

der Goldproduktion.
Der geiſtreiche Hiſtoriker hat meine officiellen Beweiſe* von der
geringen Menge edler Metalle, die bis 1545 der amerikaniſche
Bergbau und die ſogenannten Jnca-Schätze geliefert, durch neue
Dokumente erweitert und bekräftigt.

Eine genauere Kenntniß der Geſchichte der Metallproduktion
oder der allmähligen Entdeckung großer erzführenden Lagerſtätten
in der Neuen Welt lehrt uns, warum das Sinken des Werthes
der edlen Metalle oder (was daſſelbe iſt) das Steigen der Preiſe
von Korn und anderer unentbehrlicher Erzeugniſſe des Bodens
und des menſchlichen Kunſtfleißes erſt gegen die Mitte des ſech-
zehnten Jahrhunderts, und beſonders zwiſchen 1570 und 1595 am
lebhafteſten gefühlt wurde. Damals fing die Silbermenge der
Bergwerke von Tasco, Zacatecas und Pachuca in Neuſpanien, von
Potoſi, Porco und Oruro in der peruaniſchen Andeskette erſt an,
ſich in Europa gleichmäßiger zu verbreiten, und ihren Effekt auf die
Preiſe des Weizens, der rohen Wolle und der Manufakturwaaren
auszuüben. Die eigentliche Eröffnung und Bearbeitung der Gruben
von Potoſi durch die ſpaniſchen Conquiſtadores fällt in das
Jahr 1545, und die viel berufene Predigt, welche der Biſchof La-
timer vor König Eduard VI. hielt,** und in der er ſeinen Zorn
über das Steigen der Preiſe aller Lebensmittel ausdrückt, iſt vom
17. Januar 1548. Beſſer faſt noch, als die von Fleetwood, Du-
pré de St. Maur, Garnier und Lloyd geſammelten Kornpreiſe
verkündigen die engliſchen Korngeſetze zwiſchen 1554 bis 1688 die
Anhäufung der Metalle. Die Ausfuhr des Weizens iſt bekanntlich
nur erlaubt, wenn der Preis eines gewiſſen Maßes eine durch das
Geſetz beſtimmte Höhe erreicht. Nun war dieſe Grenze unter der Königin
Marie 1554 per Quarter 6 Schilling, unter Eliſabeth 1593 gegen 20,
und im Jahr 1604 unter Jakob I. über 26 Schill. Dieſe numeriſchen
Thatſachen ſind allerdings von großem Werthe, aber ihre Deutung
erheiſcht beſondere Vorſicht, da das Problem der Kornpreiſe, ja aller
Preiſe ein ſehr complicirtes iſt, und ſehr veränderliche theoretiſche

* Essai politique T. III, p. 361–382, 421–428. Der Bergbau lieferte
bis 1545 nicht drei Millionen Piaſter jährlich. Atahnalpa's Löſegeld
betrug nach Gomara 52000 Mark Silber und die Beute (Tempelraub)
in Cuzco nach Herrera nur 25700 Mark Silber an Werth.
** Jacob on Precious Metals, T. II, p. 77, 132 und 388.
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[15/0016] der Goldproduktion. Der geiſtreiche Hiſtoriker hat meine officiellen Beweiſe * von der geringen Menge edler Metalle, die bis 1545 der amerikaniſche Bergbau und die ſogenannten Jnca-Schätze geliefert, durch neue Dokumente erweitert und bekräftigt. Eine genauere Kenntniß der Geſchichte der Metallproduktion oder der allmähligen Entdeckung großer erzführenden Lagerſtätten in der Neuen Welt lehrt uns, warum das Sinken des Werthes der edlen Metalle oder (was daſſelbe iſt) das Steigen der Preiſe von Korn und anderer unentbehrlicher Erzeugniſſe des Bodens und des menſchlichen Kunſtfleißes erſt gegen die Mitte des ſech- zehnten Jahrhunderts, und beſonders zwiſchen 1570 und 1595 am lebhafteſten gefühlt wurde. Damals fing die Silbermenge der Bergwerke von Tasco, Zacatecas und Pachuca in Neuſpanien, von Potoſi, Porco und Oruro in der peruaniſchen Andeskette erſt an, ſich in Europa gleichmäßiger zu verbreiten, und ihren Effekt auf die Preiſe des Weizens, der rohen Wolle und der Manufakturwaaren auszuüben. Die eigentliche Eröffnung und Bearbeitung der Gruben von Potoſi durch die ſpaniſchen Conquiſtadores fällt in das Jahr 1545, und die viel berufene Predigt, welche der Biſchof La- timer vor König Eduard VI. hielt, ** und in der er ſeinen Zorn über das Steigen der Preiſe aller Lebensmittel ausdrückt, iſt vom 17. Januar 1548. Beſſer faſt noch, als die von Fleetwood, Du- pré de St. Maur, Garnier und Lloyd geſammelten Kornpreiſe verkündigen die engliſchen Korngeſetze zwiſchen 1554 bis 1688 die Anhäufung der Metalle. Die Ausfuhr des Weizens iſt bekanntlich nur erlaubt, wenn der Preis eines gewiſſen Maßes eine durch das Geſetz beſtimmte Höhe erreicht. Nun war dieſe Grenze unter der Königin Marie 1554 per Quarter 6 Schilling, unter Eliſabeth 1593 gegen 20, und im Jahr 1604 unter Jakob I. über 26 Schill. Dieſe numeriſchen Thatſachen ſind allerdings von großem Werthe, aber ihre Deutung erheiſcht beſondere Vorſicht, da das Problem der Kornpreiſe, ja aller Preiſe ein ſehr complicirtes iſt, und ſehr veränderliche theoretiſche * Essai politique T. III, p. 361–382, 421–428. Der Bergbau lieferte bis 1545 nicht drei Millionen Piaſter jährlich. Atahnalpa's Löſegeld betrug nach Gomara 52000 Mark Silber und die Beute (Tempelraub) in Cuzco nach Herrera nur 25700 Mark Silber an Werth. ** Jacob on Precious Metals, T. II, p. 77, 132 und 388.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber die Schwankungen der Goldproduktion mit Rücksicht auf staatswirthschaftliche Probleme. In: Deutsche Vierteljahrs Schrift, Bd. 1, H. IV (1838), S. 1-40, hier S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_schwankungen_1838/16>, abgerufen am 28.03.2024.