Humboldt, Alexander von: Ueber die Schwankungen der Goldproduktion mit Rücksicht auf staatswirthschaftliche Probleme. In: Deutsche Vierteljahrs Schrift, Bd. 1, H. IV (1838), S. 1-40.der Goldproduktion. über die alte Geographie des caspischen Meeres* verthei-digt. Heeren und Völcker deuten dagegen das Herodotische Goldland auf den Altai, und ich gestehe, daß diese geographische Deutung mir mehr durch Lokalverhältnisse gerechtfertigt scheint.** Herodot beschreibt eine Handelsstraße, auf der das Gold des nördlichen Altai, durch Vermittlung der Jssedonen und Skythen, nach dem Pontus gelangen konnte, das Gold selbst oder wenigstens der Ruf davon.*** Um bis zu den Argippäern vorzudringen, die kahlköpfig sind, ein- gedrückte Nasen und große Kinnbacken haben,+ müssen die Skythen und die Griechen der pontischen Colonien sieben Dolmetscher von sieben verschiedenen Sprachen zu ihren Geschäften anwenden. (He- rodot, IV, 24.) Seitdem man in dem Gebirgsarme, welchen der Altai gegen Norden bis in den Parallel von Tomsk aussendet, so reiche Lager von Goldsand entdeckt hat, gewinnt die Deutung der Arimaspen auf eine vom Uralgürtel weit östlich liegende Gegend aller- dings an Wahrscheinlichkeit. Die Mythe von den goldhütenden Greifen des Herodot hängt, nach der Vermuthung eines gelehrten und talentvol- len Reisenden, Adolph Erman,++ mit den im nördlichen Sibirien so häufigen fossilen Knochen urweltlicher Pachydermen zusammen, in denen einheimische Jägervölker Klauen und Kopf eines Riesenvogels zu sehen glauben. "Will man sich nicht weigern," schließt Herr Erman, "in dieser arktischen Sage das Vorbild zu der griechischen von den Greifen zu finden, so ist es streng wahr, daß nordische Erzsucher das Gold von unter den Greifen hervorzogen, denn Goldsande unter Erd- und Torflagern, die mit jenen Knochen * S. 264. Eichwald leitet, wie Reichard, den Namen Jssedonen von dem Flusse Jsset her und hält das Volk für einen Wogulenstamm. ** Heeren, Jdeen über Politik und Verkehr (1824), Thl. I. Abth. 2. S. 281-287. *** Völcker, Mythische Geographie der Griechen und Römer. Thl. I. S. 188 und 191. Klausens Commentar dazu in der Allgemeinen Schulzei- tung. 1832. S. 653. (Völcker hat die Stellen der Alten, die ich hier nicht einzeln citire, am sorgfältigsten gesammelt.) + Diese Argippäer leben von den Früchten des Baumes Ponticum, deren Saft Aschy heißt, und deren ausgedrückte Masse zu Kuchen geknetet wird. Schon Nemnich und Heeren (Thl. 1. Abth. 2. S. 283) haben darin den Prunus Padus erkennen wollen. Siehe auch Erman, Reise um die Erde. Thl. I. S. 307. ++ A. a. O. Thl. I. S. 712.
der Goldproduktion. über die alte Geographie des caspiſchen Meeres* verthei-digt. Heeren und Völcker deuten dagegen das Herodotiſche Goldland auf den Altai, und ich geſtehe, daß dieſe geographiſche Deutung mir mehr durch Lokalverhältniſſe gerechtfertigt ſcheint.** Herodot beſchreibt eine Handelsſtraße, auf der das Gold des nördlichen Altai, durch Vermittlung der Jſſedonen und Skythen, nach dem Pontus gelangen konnte, das Gold ſelbſt oder wenigſtens der Ruf davon.*** Um bis zu den Argippäern vorzudringen, die kahlköpfig ſind, ein- gedrückte Naſen und große Kinnbacken haben,† müſſen die Skythen und die Griechen der pontiſchen Colonien ſieben Dolmetſcher von ſieben verſchiedenen Sprachen zu ihren Geſchäften anwenden. (He- rodot, IV, 24.) Seitdem man in dem Gebirgsarme, welchen der Altai gegen Norden bis in den Parallel von Tomsk ausſendet, ſo reiche Lager von Goldſand entdeckt hat, gewinnt die Deutung der Arimaspen auf eine vom Uralgürtel weit öſtlich liegende Gegend aller- dings an Wahrſcheinlichkeit. Die Mythe von den goldhütenden Greifen des Herodot hängt, nach der Vermuthung eines gelehrten und talentvol- len Reiſenden, Adolph Erman,†† mit den im nördlichen Sibirien ſo häufigen foſſilen Knochen urweltlicher Pachydermen zuſammen, in denen einheimiſche Jägervölker Klauen und Kopf eines Rieſenvogels zu ſehen glauben. „Will man ſich nicht weigern,“ ſchließt Herr Erman, „in dieſer arktiſchen Sage das Vorbild zu der griechiſchen von den Greifen zu finden, ſo iſt es ſtreng wahr, daß nordiſche Erzſucher das Gold von unter den Greifen hervorzogen, denn Goldſande unter Erd- und Torflagern, die mit jenen Knochen * S. 264. Eichwald leitet, wie Reichard, den Namen Jſſedonen von dem Fluſſe Jſſet her und hält das Volk für einen Wogulenſtamm. ** Heeren, Jdeen über Politik und Verkehr (1824), Thl. I. Abth. 2. S. 281–287. *** Völcker, Mythiſche Geographie der Griechen und Römer. Thl. I. S. 188 und 191. Klauſens Commentar dazu in der Allgemeinen Schulzei- tung. 1832. S. 653. (Völcker hat die Stellen der Alten, die ich hier nicht einzeln citire, am ſorgfältigſten geſammelt.) † Dieſe Argippäer leben von den Früchten des Baumes Ponticum, deren Saft Aſchy heißt, und deren ausgedrückte Maſſe zu Kuchen geknetet wird. Schon Nemnich und Heeren (Thl. 1. Abth. 2. S. 283) haben darin den Prunus Padus erkennen wollen. Siehe auch Erman, Reiſe um die Erde. Thl. I. S. 307. †† A. a. O. Thl. I. S. 712.
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über die alte Geographie des caspiſchen Meeres * verthei-
digt. Heeren und Völcker deuten dagegen das Herodotiſche Goldland
auf den Altai, und ich geſtehe, daß dieſe geographiſche Deutung
mir mehr durch Lokalverhältniſſe gerechtfertigt ſcheint. ** Herodot
beſchreibt eine Handelsſtraße, auf der das Gold des nördlichen Altai,
durch Vermittlung der Jſſedonen und Skythen, nach dem Pontus
gelangen konnte, das Gold ſelbſt oder wenigſtens der Ruf davon. ***
Um bis zu den Argippäern vorzudringen, die kahlköpfig ſind, ein-
gedrückte Naſen und große Kinnbacken haben, † müſſen die Skythen
und die Griechen der pontiſchen Colonien ſieben Dolmetſcher von
ſieben verſchiedenen Sprachen zu ihren Geſchäften anwenden. (He-
rodot, IV, 24.) Seitdem man in dem Gebirgsarme, welchen der
Altai gegen Norden bis in den Parallel von Tomsk ausſendet, ſo
reiche Lager von Goldſand entdeckt hat, gewinnt die Deutung der
Arimaspen auf eine vom Uralgürtel weit öſtlich liegende Gegend aller-
dings an Wahrſcheinlichkeit. Die Mythe von den goldhütenden Greifen
des Herodot hängt, nach der Vermuthung eines gelehrten und talentvol-
len Reiſenden, Adolph Erman, †† mit den im nördlichen Sibirien
ſo häufigen foſſilen Knochen urweltlicher Pachydermen zuſammen, in
denen einheimiſche Jägervölker Klauen und Kopf eines Rieſenvogels
zu ſehen glauben. „Will man ſich nicht weigern,“ ſchließt Herr
Erman, „in dieſer arktiſchen Sage das Vorbild zu der griechiſchen
von den Greifen zu finden, ſo iſt es ſtreng wahr, daß nordiſche
Erzſucher das Gold von unter den Greifen hervorzogen, denn
Goldſande unter Erd- und Torflagern, die mit jenen Knochen
* S. 264. Eichwald leitet, wie Reichard, den Namen Jſſedonen von
dem Fluſſe Jſſet her und hält das Volk für einen Wogulenſtamm.
** Heeren, Jdeen über Politik und Verkehr (1824), Thl. I. Abth. 2.
S. 281–287.
*** Völcker, Mythiſche Geographie der Griechen und Römer. Thl. I. S. 188
und 191. Klauſens Commentar dazu in der Allgemeinen Schulzei-
tung. 1832. S. 653. (Völcker hat die Stellen der Alten, die ich hier
nicht einzeln citire, am ſorgfältigſten geſammelt.)
† Dieſe Argippäer leben von den Früchten des Baumes Ponticum, deren
Saft Aſchy heißt, und deren ausgedrückte Maſſe zu Kuchen geknetet
wird. Schon Nemnich und Heeren (Thl. 1. Abth. 2. S. 283) haben
darin den Prunus Padus erkennen wollen. Siehe auch Erman, Reiſe
um die Erde. Thl. I. S. 307.
†† A. a. O. Thl. I. S. 712.
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