Humboldt, Alexander von: Ueber die Schwankungen der Goldproduktion mit Rücksicht auf staatswirthschaftliche Probleme. In: Deutsche Vierteljahrs Schrift, Bd. 1, H. IV (1838), S. 1-40.Ueber die Schwankungen Zeit der portugiesischen Entdeckungen, dem Westen den Weg nachJndien gezeigt. Ophir (das Dorado des Salomo) dehnte sich nun bis in den Osten des Ganges aus. Dort erschien Chryse, das lange die Reisenden des Mittelalters beschäftigt hat, und bald als Jnsel, bald als Theil des Goldchersoneses betrachtet wurde. Die Goldmenge, welche noch heute, nach John Crawfurd, Borneo und Sumatra in Umlauf bringen, erklärt die alte Berühmtheit dieser Gegend. Nahe bei Chryse, dem Goldlande, dem erwünschten Ziele der Jndodromen, mußte symmetrisch, nach den Jdeen einer syste- matisirenden Erdkunde, eine Silberinsel, Argyre, liegen, gleichsam um beide edeln Metalle (die Reichthümer von Ophir und des ibe- rischen Tartessus) zu vereinigen. Jn der Geographie des Mittel- alters spiegeln sich, aber mannichfach verunstaltet, die geographischen Mythen der classischen Vorzeit ab. Bei den Arabern Edrisi und Bakui finden wir, am Ende des indischen Meeres, wieder eine Jnsel Sahabet mit Silbersand, und daneben Saila (nicht mit Ceylon oder Serendiv zu verwechseln), wo Hunde und Affen goldene Halsbänder tragen. Aber in Bestimmung der eigentlichen Heimath des Goldes * Reise nach dem Ural, dem Altai und dem Caspischen Meere von
A. v. Humboldt, G. Rose und G. Ehrenberg. Thl. I. S. 352-373. Ueber die Schwankungen Zeit der portugieſiſchen Entdeckungen, dem Weſten den Weg nachJndien gezeigt. Ophir (das Dorado des Salomo) dehnte ſich nun bis in den Oſten des Ganges aus. Dort erſchien Chryſe, das lange die Reiſenden des Mittelalters beſchäftigt hat, und bald als Jnſel, bald als Theil des Goldcherſoneſes betrachtet wurde. Die Goldmenge, welche noch heute, nach John Crawfurd, Borneo und Sumatra in Umlauf bringen, erklärt die alte Berühmtheit dieſer Gegend. Nahe bei Chryſe, dem Goldlande, dem erwünſchten Ziele der Jndodromen, mußte ſymmetriſch, nach den Jdeen einer ſyſte- matiſirenden Erdkunde, eine Silberinſel, Argyre, liegen, gleichſam um beide edeln Metalle (die Reichthümer von Ophir und des ibe- riſchen Tarteſſus) zu vereinigen. Jn der Geographie des Mittel- alters ſpiegeln ſich, aber mannichfach verunſtaltet, die geographiſchen Mythen der claſſiſchen Vorzeit ab. Bei den Arabern Edriſi und Bakui finden wir, am Ende des indiſchen Meeres, wieder eine Jnſel Sahabet mit Silberſand, und daneben Saila (nicht mit Ceylon oder Serendiv zu verwechſeln), wo Hunde und Affen goldene Halsbänder tragen. Aber in Beſtimmung der eigentlichen Heimath des Goldes * Reiſe nach dem Ural, dem Altai und dem Caspiſchen Meere von
A. v. Humboldt, G. Roſe und G. Ehrenberg. Thl. I. S. 352–373. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0003" n="2"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">Ueber die Schwankungen</hi></fw><lb/> Zeit der portugieſiſchen Entdeckungen, dem Weſten den Weg nach<lb/> Jndien gezeigt. Ophir (das Dorado des Salomo) dehnte ſich nun<lb/> bis in den Oſten des Ganges aus. Dort erſchien Chryſe, das<lb/> lange die Reiſenden des Mittelalters beſchäftigt hat, und bald als<lb/> Jnſel, bald als Theil des Goldcherſoneſes betrachtet wurde. Die<lb/> Goldmenge, welche noch heute, nach John Crawfurd, Borneo und<lb/> Sumatra in Umlauf bringen, erklärt die alte Berühmtheit dieſer<lb/> Gegend. Nahe bei Chryſe, dem Goldlande, dem erwünſchten Ziele<lb/> der Jndodromen, mußte ſymmetriſch, nach den Jdeen einer ſyſte-<lb/> matiſirenden Erdkunde, eine Silberinſel, Argyre, liegen, gleichſam<lb/> um beide edeln Metalle (die Reichthümer von Ophir und des ibe-<lb/> riſchen Tarteſſus) zu vereinigen. Jn der Geographie des Mittel-<lb/> alters ſpiegeln ſich, aber mannichfach verunſtaltet, die geographiſchen<lb/> Mythen der claſſiſchen Vorzeit ab. Bei den Arabern Edriſi und<lb/> Bakui finden wir, am Ende des indiſchen Meeres, wieder eine<lb/> Jnſel Sahabet mit Silberſand, und daneben Saila (nicht mit<lb/> Ceylon oder Serendiv zu verwechſeln), wo Hunde und Affen goldene<lb/> Halsbänder tragen.</p><lb/> <p>Aber in Beſtimmung der eigentlichen Heimath des Goldes<lb/> und aller herrlichen Erzeugniſſe der Erde vereinigte ſich mit der<lb/> Jdee der Ferne auch die der tropiſchen Hitze. „So lange Ew. Herr-<lb/> lichkeit nicht ſchwarze Menſchen finden werden,“ ſchreibt ein cata-<lb/> loniſcher Steinſchneider, Moſſen Jaime Ferrer, 1495 an den Ad-<lb/> miral Chriſtoph Columbus, „können Sie nicht große Dinge, wirk-<lb/> liche Schätze, wie Spezereien, Diamanten und Gold erwarten.“<lb/> Der Brief iſt in einem 1545 zu Barcelona gedruckten Buche, das<lb/> den ſonderbaren Titel: <hi rendition="#aq">Sentencias catholicas del Divi poeta<lb/> Dant</hi> führt, vor Kurzem aufgefunden worden. Der Goldreichthum<lb/> am Uralgebirge, der ſich im woguliſchen Norden bis dahin erſtreckt,<lb/> wo die Erde kaum in den Sommermonaten aufthauet, die Dia-<lb/> manten, welche während meiner, auf Befehl des Kaiſers Nicolaus<lb/> im Jahr 1829 gemachten ſibiriſchen Expedition von zweien meiner<lb/> Begleiter, nahe bei dem 60ſten Breitengrade, auf dem europäiſchen<lb/> Abfall des Urals entdeckt worden ſind,<note place="foot" n="*">Reiſe nach dem Ural, dem Altai und dem Caspiſchen Meere von<lb/> A. v. Humboldt, G. Roſe und G. Ehrenberg. Thl. <hi rendition="#aq">I</hi>. S. 352–373.</note> ſprechen eben nicht für<lb/> den Zuſammenhang des Goldes und der Diamanten mit tropiſcher<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [2/0003]
Ueber die Schwankungen
Zeit der portugieſiſchen Entdeckungen, dem Weſten den Weg nach
Jndien gezeigt. Ophir (das Dorado des Salomo) dehnte ſich nun
bis in den Oſten des Ganges aus. Dort erſchien Chryſe, das
lange die Reiſenden des Mittelalters beſchäftigt hat, und bald als
Jnſel, bald als Theil des Goldcherſoneſes betrachtet wurde. Die
Goldmenge, welche noch heute, nach John Crawfurd, Borneo und
Sumatra in Umlauf bringen, erklärt die alte Berühmtheit dieſer
Gegend. Nahe bei Chryſe, dem Goldlande, dem erwünſchten Ziele
der Jndodromen, mußte ſymmetriſch, nach den Jdeen einer ſyſte-
matiſirenden Erdkunde, eine Silberinſel, Argyre, liegen, gleichſam
um beide edeln Metalle (die Reichthümer von Ophir und des ibe-
riſchen Tarteſſus) zu vereinigen. Jn der Geographie des Mittel-
alters ſpiegeln ſich, aber mannichfach verunſtaltet, die geographiſchen
Mythen der claſſiſchen Vorzeit ab. Bei den Arabern Edriſi und
Bakui finden wir, am Ende des indiſchen Meeres, wieder eine
Jnſel Sahabet mit Silberſand, und daneben Saila (nicht mit
Ceylon oder Serendiv zu verwechſeln), wo Hunde und Affen goldene
Halsbänder tragen.
Aber in Beſtimmung der eigentlichen Heimath des Goldes
und aller herrlichen Erzeugniſſe der Erde vereinigte ſich mit der
Jdee der Ferne auch die der tropiſchen Hitze. „So lange Ew. Herr-
lichkeit nicht ſchwarze Menſchen finden werden,“ ſchreibt ein cata-
loniſcher Steinſchneider, Moſſen Jaime Ferrer, 1495 an den Ad-
miral Chriſtoph Columbus, „können Sie nicht große Dinge, wirk-
liche Schätze, wie Spezereien, Diamanten und Gold erwarten.“
Der Brief iſt in einem 1545 zu Barcelona gedruckten Buche, das
den ſonderbaren Titel: Sentencias catholicas del Divi poeta
Dant führt, vor Kurzem aufgefunden worden. Der Goldreichthum
am Uralgebirge, der ſich im woguliſchen Norden bis dahin erſtreckt,
wo die Erde kaum in den Sommermonaten aufthauet, die Dia-
manten, welche während meiner, auf Befehl des Kaiſers Nicolaus
im Jahr 1829 gemachten ſibiriſchen Expedition von zweien meiner
Begleiter, nahe bei dem 60ſten Breitengrade, auf dem europäiſchen
Abfall des Urals entdeckt worden ſind, * ſprechen eben nicht für
den Zuſammenhang des Goldes und der Diamanten mit tropiſcher
* Reiſe nach dem Ural, dem Altai und dem Caspiſchen Meere von
A. v. Humboldt, G. Roſe und G. Ehrenberg. Thl. I. S. 352–373.
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