Humboldt, Alexander von: Ueber die Schwankungen der Goldproduktion mit Rücksicht auf staatswirthschaftliche Probleme. In: Deutsche Vierteljahrs Schrift, Bd. 1, H. IV (1838), S. 1-40.der Goldproduktion. der Quellen und ihre relative Reichhaltigkeit anzugeben. Der Schau-platz der Mythe von den goldsuchenden Ameisen bei dem Bergvolk der Derden ist fern von den Greifen der Arimaspen zu suchen. Jene Mythe scheint dem Tafellande von Kaschgar und Aksu, zwi- schen den Parallelketten des Himmelsgebirges und des Kuenlun, wo der Fluß Tarim sich in den Lop ergießt, zuzugehören. Der nördlicheren Arimaspen werden wir später noch einmal erwähnen, wenn wir großer, unmittelbar unter dem Rasen liegender Goldmassen des Urals gedenken. Der Ruf des indischen Reichthums erscholl in oft mißverstan- denen Tönen nach Persien hin. Ctesias,* aus dem Stamme der Ascle- piaden, Leibarzt des Königs Artaxerxes Mnemon, beschreibt, fast ohne es selbst zu ahnen, unter dem Bilde einer Goldquelle, auf das deutlichste ein Hüttenwerk, einen Schmelzofen, aus dem sich das flüssige Metall in Krüge (thönerne Formen) ergießt. Den Hellenen näher waren Lydien, an den Flüssen, die dem Tmolus entquellen, Phrygien und Kolchis goldreiche Länder. Die Natur schnell zu erschöpfender Schichten von Goldsand (der sogenannten Goldwäschen) macht dem praktischen Bergmanne begreiflich, warum manche der eben genannten und neuerlichst wiederbesuchten Länder den Reisenden goldarm erschienen. Wie leicht würde man nicht, wenn man gegen- wärtig die Schluchten und Flußthäler der westindischen Jnseln Cuba und Santo Domingo oder gar die Küste von Veragua durchforschte, ohne die vorhandenen historischen Zeugnisse verleitet werden, an der reichen Goldausbeute jener Gegenden am Ende des 15ten Jahrhunderts zu zweifeln? Dauernder, wenn ihn nicht äußere Verhältnisse stören, ist der eigentliche unterirdische Bergbau auf anstehende Golderze. Eben weil man die ganze Lagerstätte nicht auf einmal kennt, weil das Gebirge beim Gangbergbau nur allmählig aufgeschlossen wird, ist der menschlichen Thätigkeit hier eine längere Beschäftigung darge- boten. Goldhaltiges Schuttland wird schnell durchwühlt und der reicheren Geschiebe beraubt. Wie wenige der vierzig Goldwäschen, die Strabo so sorgsam beschreibt, mögen jetzt noch zu erkennen seyn? Diese auf Analogien und bergmännische Erfahrung gegrün- dete Bemerkung mußte hier um so mehr Platz finden, als leere Zweifelsucht gern die Ueberlieferungen des Alterthums erschüttert. Der den Hellenen bekannte Theil von Europa stand in me- * Oper. Reliquiae, ed. Baehr, Ind. cap. 4. p. 248 el 271.
der Goldproduktion. der Quellen und ihre relative Reichhaltigkeit anzugeben. Der Schau-platz der Mythe von den goldſuchenden Ameiſen bei dem Bergvolk der Derden iſt fern von den Greifen der Arimaspen zu ſuchen. Jene Mythe ſcheint dem Tafellande von Kaſchgar und Akſu, zwi- ſchen den Parallelketten des Himmelsgebirges und des Kuenlun, wo der Fluß Tarim ſich in den Lop ergießt, zuzugehören. Der nördlicheren Arimaspen werden wir ſpäter noch einmal erwähnen, wenn wir großer, unmittelbar unter dem Raſen liegender Goldmaſſen des Urals gedenken. Der Ruf des indiſchen Reichthums erſcholl in oft mißverſtan- denen Tönen nach Perſien hin. Cteſias,* aus dem Stamme der Ascle- piaden, Leibarzt des Königs Artaxerxes Mnemon, beſchreibt, faſt ohne es ſelbſt zu ahnen, unter dem Bilde einer Goldquelle, auf das deutlichſte ein Hüttenwerk, einen Schmelzofen, aus dem ſich das flüſſige Metall in Krüge (thönerne Formen) ergießt. Den Hellenen näher waren Lydien, an den Flüſſen, die dem Tmolus entquellen, Phrygien und Kolchis goldreiche Länder. Die Natur ſchnell zu erſchöpfender Schichten von Goldſand (der ſogenannten Goldwäſchen) macht dem praktiſchen Bergmanne begreiflich, warum manche der eben genannten und neuerlichſt wiederbeſuchten Länder den Reiſenden goldarm erſchienen. Wie leicht würde man nicht, wenn man gegen- wärtig die Schluchten und Flußthäler der weſtindiſchen Jnſeln Cuba und Santo Domingo oder gar die Küſte von Veragua durchforſchte, ohne die vorhandenen hiſtoriſchen Zeugniſſe verleitet werden, an der reichen Goldausbeute jener Gegenden am Ende des 15ten Jahrhunderts zu zweifeln? Dauernder, wenn ihn nicht äußere Verhältniſſe ſtören, iſt der eigentliche unterirdiſche Bergbau auf anſtehende Golderze. Eben weil man die ganze Lagerſtätte nicht auf einmal kennt, weil das Gebirge beim Gangbergbau nur allmählig aufgeſchloſſen wird, iſt der menſchlichen Thätigkeit hier eine längere Beſchäftigung darge- boten. Goldhaltiges Schuttland wird ſchnell durchwühlt und der reicheren Geſchiebe beraubt. Wie wenige der vierzig Goldwäſchen, die Strabo ſo ſorgſam beſchreibt, mögen jetzt noch zu erkennen ſeyn? Dieſe auf Analogien und bergmänniſche Erfahrung gegrün- dete Bemerkung mußte hier um ſo mehr Platz finden, als leere Zweifelſucht gern die Ueberlieferungen des Alterthums erſchüttert. Der den Hellenen bekannte Theil von Europa ſtand in me- * Oper. Reliquiae, ed. Baehr, Ind. cap. 4. p. 248 el 271.
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der Quellen und ihre relative Reichhaltigkeit anzugeben. Der Schau-
platz der Mythe von den goldſuchenden Ameiſen bei dem Bergvolk
der Derden iſt fern von den Greifen der Arimaspen zu ſuchen.
Jene Mythe ſcheint dem Tafellande von Kaſchgar und Akſu, zwi-
ſchen den Parallelketten des Himmelsgebirges und des Kuenlun, wo der
Fluß Tarim ſich in den Lop ergießt, zuzugehören. Der nördlicheren
Arimaspen werden wir ſpäter noch einmal erwähnen, wenn wir
großer, unmittelbar unter dem Raſen liegender Goldmaſſen des Urals
gedenken. Der Ruf des indiſchen Reichthums erſcholl in oft mißverſtan-
denen Tönen nach Perſien hin. Cteſias, * aus dem Stamme der Ascle-
piaden, Leibarzt des Königs Artaxerxes Mnemon, beſchreibt, faſt
ohne es ſelbſt zu ahnen, unter dem Bilde einer Goldquelle, auf das
deutlichſte ein Hüttenwerk, einen Schmelzofen, aus dem ſich das
flüſſige Metall in Krüge (thönerne Formen) ergießt. Den Hellenen
näher waren Lydien, an den Flüſſen, die dem Tmolus entquellen,
Phrygien und Kolchis goldreiche Länder. Die Natur ſchnell zu
erſchöpfender Schichten von Goldſand (der ſogenannten Goldwäſchen)
macht dem praktiſchen Bergmanne begreiflich, warum manche der
eben genannten und neuerlichſt wiederbeſuchten Länder den Reiſenden
goldarm erſchienen. Wie leicht würde man nicht, wenn man gegen-
wärtig die Schluchten und Flußthäler der weſtindiſchen Jnſeln Cuba
und Santo Domingo oder gar die Küſte von Veragua durchforſchte,
ohne die vorhandenen hiſtoriſchen Zeugniſſe verleitet werden, an der
reichen Goldausbeute jener Gegenden am Ende des 15ten Jahrhunderts
zu zweifeln? Dauernder, wenn ihn nicht äußere Verhältniſſe ſtören, iſt
der eigentliche unterirdiſche Bergbau auf anſtehende Golderze. Eben
weil man die ganze Lagerſtätte nicht auf einmal kennt, weil das
Gebirge beim Gangbergbau nur allmählig aufgeſchloſſen wird, iſt
der menſchlichen Thätigkeit hier eine längere Beſchäftigung darge-
boten. Goldhaltiges Schuttland wird ſchnell durchwühlt und der
reicheren Geſchiebe beraubt. Wie wenige der vierzig Goldwäſchen,
die Strabo ſo ſorgſam beſchreibt, mögen jetzt noch zu erkennen
ſeyn? Dieſe auf Analogien und bergmänniſche Erfahrung gegrün-
dete Bemerkung mußte hier um ſo mehr Platz finden, als leere
Zweifelſucht gern die Ueberlieferungen des Alterthums erſchüttert.
Der den Hellenen bekannte Theil von Europa ſtand in me-
talliſchem Reichthume gegen Aſien eben ſo zurück, als ſpäterhin
* Oper. Reliquiae, ed. Baehr, Ind. cap. 4. p. 248 el 271.
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