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Humboldt, Alexander von: Neue Untersuchungen über die Gesetze, welche man in der Vertheilung der Pflanzenformen bemerkt. In: Isis, Bd. 5 (1821), Sp. 1033-1047.

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äußere Ansehen, ich mögte sagen, die Art von Monotonie
der Natur in den verschiedenen Regionen des Erdkreises
ab. Wenn auf der anderen Seite die Reisenden die öftere
Wiederholung derselben Gattungen, der Anblick derer, die
über die anderen durch die Masse vorherrschen, überrascht,
so verwundert er sich nicht weniger über die Seltenheit der
Jndividuen einiger anderen, der menschlichen Gesellschaft
nützlichen Gattungen. Jn den Regionen, wo die Rubia-
ceen, die Leguminosen und die Therebinthaceen ganze Wäl-
der bilden, fällt die Seltenheit der Stämme aus gewissen
Zünften der Cinchona, Haemataxylum und Balsambäu-
me auf.

Bleibt man bey den Gattungen stehen, so kann man,
ohne auf ihre Vermehrung und auf die größere oder ge-
ringere Anzahl ihrer Jndividuen zu sehen, unter jeder Zo-
ne absolut die zu verschiedenen Familien gehörigen Gat-
tungen vergleichen. Diese interessante Vergleichung hat
Candolle angestellt in seinem großen Werke (Regni ve-
getabilis systema naturae, t[.] 1. p.
128, 396, 439,
464, 510). Kunth hat sie versucht bey mehr als 3300
bis jetzt bekannter Compositen (Nov. gen. T. IV. p.
238). Diese Vergleichung gibt nicht an, welche Familie
unter demselben Grade über die anderen einheimischen Pha-
nerogamen vorherrscht, sowohl in Ansehung der Masse
von Jndividuen als der Anzahl der Gattungen; sondern
sie zeigt die numerischen Verhältnisse zwischen den Gattun-
gen einer und derselben, verschiedenen Ländern angehörigen
Familie. Nach dieser Methode fallen die Resultate ge-
wöhnlich genauer aus, weil man sie erhält ohne die To-
tal-Masse der Phanerogamen auszurechnen, wenn man
nur vorher genau einige einzelne Familien studiert hat.
Die abwechselndsten Formen, z. B. der Farrenkräuter, fin-
den sich unter den Wendezirkeln, in den bergigen, gemä-
ßigten, feuchten und schattigen Regionen der Aequatorial-
Zone finden sich die meisten Gattungen von Farrenkräutern.
Unter der gemäßigten Zone gibt es deren weniger als unter
der tropischen, und je weiter man zum Pole kömmt je
geringer wird ihre absolute Zahl. Da aber die kalte Re-
gion, z. B. Lappland, Farrenkräutergattungen erzeugt, die
mehr der Kälte widerstehen als die große Masse von Pha-
nerogamen, so herrschen auch die Farrenkräuter, in Anse-
hung ihrer Gattungen in Lappland mehr über die anderen
Pflanzen vor als in Frankreich und in Deutschland. Die
numerischen Verhältnisse, in der Tabelle, welche ich
in meinen Prolegomena de distributione geographica
plantarum
gegeben habe und die hier, durch Herrn R.
Browns
große Arbeiten verbessert, wieder erscheint, wei-
chen gänzlich von den Verhältnissen ab, welche die abso-
lute Vergleichung
der unter verschiedenen Zonen wach-
senden Pflanzen, gibt. Die Abwechselung, welche man vom
Aequator zum Pole hin bemerkt, ist also in den Resulta-
ten beyder Methoden nicht dieselbe. Bey der Methode der
Brüche, welche H. Brown und ich anwenden, sind zwey
veränderliche Größen, weil, bey Veränderung der Breite,
oder vielmehr der Jsothermen-Zone, man nicht bemerkt,
daß die Totalzahl der Phanerogamen in demselben Verhält-
nisse abwechselt, als die Zahl der Gattungen, welche die-
selbe Familie bilden.

Geht man nun von den Gattungen oder von den
Jndividuen von gleicher Form, die nach feststehenden Ge-
[Spaltenumbruch]
setzen sich erzeugen, zu den Abtheilungen der natürlichen
Methode über, die nichts als verschiedene graduirte
Abstractionen
sind, so kann man bey den Sippen, Fa-
milien oder noch allgemeineren Sectionen stehen bleiben.
Es gibt einige Sippen und Familien, die gewissen Zonen,
einem besonderen Zusammentreffen climatischer Bedingun-
gen, ausschließlich angehören; allein es gibt eine weit grö-
ßere Anzahl von Sippen und Familien, die unter allen Zo-
nen und auf allen Höhen ihre Repräsentanten haben. Die
ersten Untersuchungen, welche über die geographische Ver-
theilung der Formen gemacht worden sind, die von Trevi-
ranus
nämlich, in seiner Biologie (t. II. p. 47, 63, 83
und 128), hatten den Zweck, die Sippen über die Erde zu
repartiren. Diese Methode ist weniger geeignet zu allge-
meinen Resultaten als jene, welche die Zahl der Gattungen
jeder Familie, oder die Hauptgruppen derselben Familie mit
der Totalmasse der Phanerogamen vergleicht. Jn der Eis-
zone vermindert sich die Verschiedenheit der sippischen For-
men nicht in demselben Grade, als die der Gattungen;
man findet da mehrere Sippen bey einer geringeren Anzahl
von Gattungen (de Candolle Theorie element. p. 190
Humboldt Nov. gen. t. I. p.
17 und 50). Fast eben so
verhält es sich auf den Gipfeln der hohen Berge, wo ein-
zelne Pflanzen aus einer Menge Sippen vorkommen, die
nach unserer Meynung ausschließlich der Vegetation der
Ebenen angehören.

Jch glaubte die verschiedenen Gesichtspuncte angeben
zu müssen, aus denen man die Gesetze der Pflanzenverthei-
lung betrachten kann. Nur die Verwechselung dieser Ge-
sichtspuncte macht, daß man Widersprüche zu finden glaubt,
die doch nur anscheinend sind und mit Unrecht auf Unsicher-
heit der Beobachtungen geschoben werden (Berliner Jahrbü-
cher der Gewächskunde, d. t. I. p. 18, 21, 30). Bedient
man sich folgender Ausdrücke, "diese Form oder diese Fa-
milie verliert sich gegen die Eiszone; ihr wahres Vaterland
ist unter dieser oder jener Parallele; dieß ist eine südliche
Form, sie ist häufig in der gemäßigten Zone;" so muß
man bestimmt ausdrücken, ob man auf die absolute Zahl
der Gattungen, ihre absolute, mit den Breiten steigende
oder fallende Häufigkeit sieht, oder ob man von den Fami-
lien spricht, welche unter einem bestimmten Grade über die
übrigen Phanerogamen vorherrschen. Solche Ausdrücke sind
richtig, und sie geben einen bestimmten Sinn, wenn man
die verschiedenen Methoden unterscheidet, nach welchen man
die Verschiedenheit der Formen studieren kann. Die Jnsel
Cuba (um ein analoges und aus der politischen Oeconomie
gezogenes Beyspiel anzuführen) hat weit mehr Jndividuen
von africanischer Race als die Jnsel Martinique, und den-
noch herrscht die Masse dieser Jndividuen auf dieser letzten
Jnsel weit mehr über die Zahl der Weissen vor als auf
Cuba.

Die schnellen Fortschritte, welche die Geographie der
Pflanzen seit 12 Jahren durch die Arbeiten von Brown,
Wahlenberg, v. Candolle, Leopold v. Buch, Par-
rot, Ramond, Schouw
und Hornemann gemacht
hat, verdanken wir größtentheils den Vorzügen der natürli-
chen Methode des Herrn Jussieu. Folgt man, wenn auch
nicht gerade den künstlichen Classificationen des Sexualsystems,
sondern den nach schwankenden und irrigen Grundsätzen auf-[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz]
aͤußere Anſehen, ich moͤgte ſagen, die Art von Monotonie
der Natur in den verſchiedenen Regionen des Erdkreiſes
ab. Wenn auf der anderen Seite die Reiſenden die oͤftere
Wiederholung derſelben Gattungen, der Anblick derer, die
uͤber die anderen durch die Maſſe vorherrſchen, uͤberraſcht,
ſo verwundert er ſich nicht weniger uͤber die Seltenheit der
Jndividuen einiger anderen, der menſchlichen Geſellſchaft
nuͤtzlichen Gattungen. Jn den Regionen, wo die Rubia-
ceen, die Leguminoſen und die Therebinthaceen ganze Waͤl-
der bilden, faͤllt die Seltenheit der Staͤmme aus gewiſſen
Zuͤnften der Cinchona, Haemataxylum und Balſambaͤu-
me auf.

Bleibt man bey den Gattungen ſtehen, ſo kann man,
ohne auf ihre Vermehrung und auf die groͤßere oder ge-
ringere Anzahl ihrer Jndividuen zu ſehen, unter jeder Zo-
ne abſolut die zu verſchiedenen Familien gehoͤrigen Gat-
tungen vergleichen. Dieſe intereſſante Vergleichung hat
Candolle angeſtellt in ſeinem großen Werke (Regni ve-
getabilis systema naturae, t[.] 1. p.
128, 396, 439,
464, 510). Kunth hat ſie verſucht bey mehr als 3300
bis jetzt bekannter Compoſiten (Nov. gen. T. IV. p.
238). Dieſe Vergleichung gibt nicht an, welche Familie
unter demſelben Grade uͤber die anderen einheimiſchen Pha-
nerogamen vorherrſcht, ſowohl in Anſehung der Maſſe
von Jndividuen als der Anzahl der Gattungen; ſondern
ſie zeigt die numeriſchen Verhaͤltniſſe zwiſchen den Gattun-
gen einer und derſelben, verſchiedenen Laͤndern angehoͤrigen
Familie. Nach dieſer Methode fallen die Reſultate ge-
woͤhnlich genauer aus, weil man ſie erhaͤlt ohne die To-
tal-Maſſe der Phanerogamen auszurechnen, wenn man
nur vorher genau einige einzelne Familien ſtudiert hat.
Die abwechſelndſten Formen, z. B. der Farrenkraͤuter, fin-
den ſich unter den Wendezirkeln, in den bergigen, gemaͤ-
ßigten, feuchten und ſchattigen Regionen der Aequatorial-
Zone finden ſich die meiſten Gattungen von Farrenkraͤutern.
Unter der gemaͤßigten Zone gibt es deren weniger als unter
der tropiſchen, und je weiter man zum Pole koͤmmt je
geringer wird ihre abſolute Zahl. Da aber die kalte Re-
gion, z. B. Lappland, Farrenkraͤutergattungen erzeugt, die
mehr der Kaͤlte widerſtehen als die große Maſſe von Pha-
nerogamen, ſo herrſchen auch die Farrenkraͤuter, in Anſe-
hung ihrer Gattungen in Lappland mehr uͤber die anderen
Pflanzen vor als in Frankreich und in Deutſchland. Die
numeriſchen Verhaͤltniſſe, in der Tabelle, welche ich
in meinen Prolegomena de distributione geographica
plantarum
gegeben habe und die hier, durch Herrn R.
Browns
große Arbeiten verbeſſert, wieder erſcheint, wei-
chen gaͤnzlich von den Verhaͤltniſſen ab, welche die abſo-
lute Vergleichung
der unter verſchiedenen Zonen wach-
ſenden Pflanzen, gibt. Die Abwechſelung, welche man vom
Aequator zum Pole hin bemerkt, iſt alſo in den Reſulta-
ten beyder Methoden nicht dieſelbe. Bey der Methode der
Bruͤche, welche H. Brown und ich anwenden, ſind zwey
veraͤnderliche Groͤßen, weil, bey Veraͤnderung der Breite,
oder vielmehr der Jſothermen-Zone, man nicht bemerkt,
daß die Totalzahl der Phanerogamen in demſelben Verhaͤlt-
niſſe abwechſelt, als die Zahl der Gattungen, welche die-
ſelbe Familie bilden.

Geht man nun von den Gattungen oder von den
Jndividuen von gleicher Form, die nach feſtſtehenden Ge-
[Spaltenumbruch]
ſetzen ſich erzeugen, zu den Abtheilungen der natuͤrlichen
Methode uͤber, die nichts als verſchiedene graduirte
Abſtractionen
ſind, ſo kann man bey den Sippen, Fa-
milien oder noch allgemeineren Sectionen ſtehen bleiben.
Es gibt einige Sippen und Familien, die gewiſſen Zonen,
einem beſonderen Zuſammentreffen climatiſcher Bedingun-
gen, ausſchließlich angehoͤren; allein es gibt eine weit groͤ-
ßere Anzahl von Sippen und Familien, die unter allen Zo-
nen und auf allen Hoͤhen ihre Repraͤſentanten haben. Die
erſten Unterſuchungen, welche uͤber die geographiſche Ver-
theilung der Formen gemacht worden ſind, die von Trevi-
ranus
naͤmlich, in ſeiner Biologie (t. II. p. 47, 63, 83
und 128), hatten den Zweck, die Sippen uͤber die Erde zu
repartiren. Dieſe Methode iſt weniger geeignet zu allge-
meinen Reſultaten als jene, welche die Zahl der Gattungen
jeder Familie, oder die Hauptgruppen derſelben Familie mit
der Totalmaſſe der Phanerogamen vergleicht. Jn der Eis-
zone vermindert ſich die Verſchiedenheit der ſippiſchen For-
men nicht in demſelben Grade, als die der Gattungen;
man findet da mehrere Sippen bey einer geringeren Anzahl
von Gattungen (de Candolle Theorie élément. p. 190
Humboldt Nov. gen. t. I. p.
17 und 50). Faſt eben ſo
verhaͤlt es ſich auf den Gipfeln der hohen Berge, wo ein-
zelne Pflanzen aus einer Menge Sippen vorkommen, die
nach unſerer Meynung ausſchließlich der Vegetation der
Ebenen angehoͤren.

Jch glaubte die verſchiedenen Geſichtspuncte angeben
zu muͤſſen, aus denen man die Geſetze der Pflanzenverthei-
lung betrachten kann. Nur die Verwechſelung dieſer Ge-
ſichtspuncte macht, daß man Widerſpruͤche zu finden glaubt,
die doch nur anſcheinend ſind und mit Unrecht auf Unſicher-
heit der Beobachtungen geſchoben werden (Berliner Jahrbuͤ-
cher der Gewaͤchskunde, d. t. I. p. 18, 21, 30). Bedient
man ſich folgender Ausdruͤcke, „dieſe Form oder dieſe Fa-
milie verliert ſich gegen die Eiszone; ihr wahres Vaterland
iſt unter dieſer oder jener Parallele; dieß iſt eine ſuͤdliche
Form, ſie iſt haͤufig in der gemaͤßigten Zone;“ ſo muß
man beſtimmt ausdruͤcken, ob man auf die abſolute Zahl
der Gattungen, ihre abſolute, mit den Breiten ſteigende
oder fallende Haͤufigkeit ſieht, oder ob man von den Fami-
lien ſpricht, welche unter einem beſtimmten Grade uͤber die
uͤbrigen Phanerogamen vorherrſchen. Solche Ausdruͤcke ſind
richtig, und ſie geben einen beſtimmten Sinn, wenn man
die verſchiedenen Methoden unterſcheidet, nach welchen man
die Verſchiedenheit der Formen ſtudieren kann. Die Jnſel
Cuba (um ein analoges und aus der politiſchen Oeconomie
gezogenes Beyſpiel anzufuͤhren) hat weit mehr Jndividuen
von africaniſcher Raçe als die Jnſel Martinique, und den-
noch herrſcht die Maſſe dieſer Jndividuen auf dieſer letzten
Jnſel weit mehr uͤber die Zahl der Weiſſen vor als auf
Cuba.

Die ſchnellen Fortſchritte, welche die Geographie der
Pflanzen ſeit 12 Jahren durch die Arbeiten von Brown,
Wahlenberg, v. Candolle, Leopold v. Buch, Par-
rot, Ramond, Schouw
und Hornemann gemacht
hat, verdanken wir groͤßtentheils den Vorzuͤgen der natuͤrli-
chen Methode des Herrn Juſſieu. Folgt man, wenn auch
nicht gerade den kuͤnſtlichen Claſſificationen des Sexualſyſtems,
ſondern den nach ſchwankenden und irrigen Grundſaͤtzen auf-[Ende Spaltensatz]

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[0004] aͤußere Anſehen, ich moͤgte ſagen, die Art von Monotonie der Natur in den verſchiedenen Regionen des Erdkreiſes ab. Wenn auf der anderen Seite die Reiſenden die oͤftere Wiederholung derſelben Gattungen, der Anblick derer, die uͤber die anderen durch die Maſſe vorherrſchen, uͤberraſcht, ſo verwundert er ſich nicht weniger uͤber die Seltenheit der Jndividuen einiger anderen, der menſchlichen Geſellſchaft nuͤtzlichen Gattungen. Jn den Regionen, wo die Rubia- ceen, die Leguminoſen und die Therebinthaceen ganze Waͤl- der bilden, faͤllt die Seltenheit der Staͤmme aus gewiſſen Zuͤnften der Cinchona, Haemataxylum und Balſambaͤu- me auf. Bleibt man bey den Gattungen ſtehen, ſo kann man, ohne auf ihre Vermehrung und auf die groͤßere oder ge- ringere Anzahl ihrer Jndividuen zu ſehen, unter jeder Zo- ne abſolut die zu verſchiedenen Familien gehoͤrigen Gat- tungen vergleichen. Dieſe intereſſante Vergleichung hat Candolle angeſtellt in ſeinem großen Werke (Regni ve- getabilis systema naturae, t. 1. p. 128, 396, 439, 464, 510). Kunth hat ſie verſucht bey mehr als 3300 bis jetzt bekannter Compoſiten (Nov. gen. T. IV. p. 238). Dieſe Vergleichung gibt nicht an, welche Familie unter demſelben Grade uͤber die anderen einheimiſchen Pha- nerogamen vorherrſcht, ſowohl in Anſehung der Maſſe von Jndividuen als der Anzahl der Gattungen; ſondern ſie zeigt die numeriſchen Verhaͤltniſſe zwiſchen den Gattun- gen einer und derſelben, verſchiedenen Laͤndern angehoͤrigen Familie. Nach dieſer Methode fallen die Reſultate ge- woͤhnlich genauer aus, weil man ſie erhaͤlt ohne die To- tal-Maſſe der Phanerogamen auszurechnen, wenn man nur vorher genau einige einzelne Familien ſtudiert hat. Die abwechſelndſten Formen, z. B. der Farrenkraͤuter, fin- den ſich unter den Wendezirkeln, in den bergigen, gemaͤ- ßigten, feuchten und ſchattigen Regionen der Aequatorial- Zone finden ſich die meiſten Gattungen von Farrenkraͤutern. Unter der gemaͤßigten Zone gibt es deren weniger als unter der tropiſchen, und je weiter man zum Pole koͤmmt je geringer wird ihre abſolute Zahl. Da aber die kalte Re- gion, z. B. Lappland, Farrenkraͤutergattungen erzeugt, die mehr der Kaͤlte widerſtehen als die große Maſſe von Pha- nerogamen, ſo herrſchen auch die Farrenkraͤuter, in Anſe- hung ihrer Gattungen in Lappland mehr uͤber die anderen Pflanzen vor als in Frankreich und in Deutſchland. Die numeriſchen Verhaͤltniſſe, in der Tabelle, welche ich in meinen Prolegomena de distributione geographica plantarum gegeben habe und die hier, durch Herrn R. Browns große Arbeiten verbeſſert, wieder erſcheint, wei- chen gaͤnzlich von den Verhaͤltniſſen ab, welche die abſo- lute Vergleichung der unter verſchiedenen Zonen wach- ſenden Pflanzen, gibt. Die Abwechſelung, welche man vom Aequator zum Pole hin bemerkt, iſt alſo in den Reſulta- ten beyder Methoden nicht dieſelbe. Bey der Methode der Bruͤche, welche H. Brown und ich anwenden, ſind zwey veraͤnderliche Groͤßen, weil, bey Veraͤnderung der Breite, oder vielmehr der Jſothermen-Zone, man nicht bemerkt, daß die Totalzahl der Phanerogamen in demſelben Verhaͤlt- niſſe abwechſelt, als die Zahl der Gattungen, welche die- ſelbe Familie bilden. Geht man nun von den Gattungen oder von den Jndividuen von gleicher Form, die nach feſtſtehenden Ge- ſetzen ſich erzeugen, zu den Abtheilungen der natuͤrlichen Methode uͤber, die nichts als verſchiedene graduirte Abſtractionen ſind, ſo kann man bey den Sippen, Fa- milien oder noch allgemeineren Sectionen ſtehen bleiben. Es gibt einige Sippen und Familien, die gewiſſen Zonen, einem beſonderen Zuſammentreffen climatiſcher Bedingun- gen, ausſchließlich angehoͤren; allein es gibt eine weit groͤ- ßere Anzahl von Sippen und Familien, die unter allen Zo- nen und auf allen Hoͤhen ihre Repraͤſentanten haben. Die erſten Unterſuchungen, welche uͤber die geographiſche Ver- theilung der Formen gemacht worden ſind, die von Trevi- ranus naͤmlich, in ſeiner Biologie (t. II. p. 47, 63, 83 und 128), hatten den Zweck, die Sippen uͤber die Erde zu repartiren. Dieſe Methode iſt weniger geeignet zu allge- meinen Reſultaten als jene, welche die Zahl der Gattungen jeder Familie, oder die Hauptgruppen derſelben Familie mit der Totalmaſſe der Phanerogamen vergleicht. Jn der Eis- zone vermindert ſich die Verſchiedenheit der ſippiſchen For- men nicht in demſelben Grade, als die der Gattungen; man findet da mehrere Sippen bey einer geringeren Anzahl von Gattungen (de Candolle Theorie élément. p. 190 Humboldt Nov. gen. t. I. p. 17 und 50). Faſt eben ſo verhaͤlt es ſich auf den Gipfeln der hohen Berge, wo ein- zelne Pflanzen aus einer Menge Sippen vorkommen, die nach unſerer Meynung ausſchließlich der Vegetation der Ebenen angehoͤren. Jch glaubte die verſchiedenen Geſichtspuncte angeben zu muͤſſen, aus denen man die Geſetze der Pflanzenverthei- lung betrachten kann. Nur die Verwechſelung dieſer Ge- ſichtspuncte macht, daß man Widerſpruͤche zu finden glaubt, die doch nur anſcheinend ſind und mit Unrecht auf Unſicher- heit der Beobachtungen geſchoben werden (Berliner Jahrbuͤ- cher der Gewaͤchskunde, d. t. I. p. 18, 21, 30). Bedient man ſich folgender Ausdruͤcke, „dieſe Form oder dieſe Fa- milie verliert ſich gegen die Eiszone; ihr wahres Vaterland iſt unter dieſer oder jener Parallele; dieß iſt eine ſuͤdliche Form, ſie iſt haͤufig in der gemaͤßigten Zone;“ ſo muß man beſtimmt ausdruͤcken, ob man auf die abſolute Zahl der Gattungen, ihre abſolute, mit den Breiten ſteigende oder fallende Haͤufigkeit ſieht, oder ob man von den Fami- lien ſpricht, welche unter einem beſtimmten Grade uͤber die uͤbrigen Phanerogamen vorherrſchen. Solche Ausdruͤcke ſind richtig, und ſie geben einen beſtimmten Sinn, wenn man die verſchiedenen Methoden unterſcheidet, nach welchen man die Verſchiedenheit der Formen ſtudieren kann. Die Jnſel Cuba (um ein analoges und aus der politiſchen Oeconomie gezogenes Beyſpiel anzufuͤhren) hat weit mehr Jndividuen von africaniſcher Raçe als die Jnſel Martinique, und den- noch herrſcht die Maſſe dieſer Jndividuen auf dieſer letzten Jnſel weit mehr uͤber die Zahl der Weiſſen vor als auf Cuba. Die ſchnellen Fortſchritte, welche die Geographie der Pflanzen ſeit 12 Jahren durch die Arbeiten von Brown, Wahlenberg, v. Candolle, Leopold v. Buch, Par- rot, Ramond, Schouw und Hornemann gemacht hat, verdanken wir groͤßtentheils den Vorzuͤgen der natuͤrli- chen Methode des Herrn Juſſieu. Folgt man, wenn auch nicht gerade den kuͤnſtlichen Claſſificationen des Sexualſyſtems, ſondern den nach ſchwankenden und irrigen Grundſaͤtzen auf-

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Neue Untersuchungen über die Gesetze, welche man in der Vertheilung der Pflanzenformen bemerkt. In: Isis, Bd. 5 (1821), Sp. 1033-1047, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_untersuchungen_1821/4>, abgerufen am 21.11.2024.