Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Ueber zwei Versuche den Chimborazo zu besteigen. In: Jahrbuch für 1837. Herausgegeben von H. C. Schumacher. Stuttgart und Tübingen, 1837, S. 176-206.

Bild:
<< vorherige Seite

Besteigung des Chimborazo.
unsere Stiefel ganz von Schneewasser durchzogen,
denn der Sand, der bisweilen den Grath bedeckte,
war mit altem Schnee vermengt. Wir hatten nach
der La Place'schen Barometerformel, eine Höhe von
3016 Toisen, genauer von 18097 Pariser Fuss er-
reicht. Wäre La Condamine's Angabe der Höhe des
Chimborazo, wie sie auf der noch in Quito, im Jesuiter-
Collegio, aufbewahrten Steintafel aufgezeichnet ist,
die richtige, so fehlten uns noch bis zum Gipfel
senkrecht 1224 Fuss oder die dreimalige Höhe der
Peterskirche zu Rom.

La Condamine und Bouguer sagen ausdrücklich,
dass sie am Chimborazo nur bis 2400 Toisen Höhe
gelangt waren, aber am Corazon, einem der male-
rischsten Schneeberge (Nevados) in der nahen Umge-
bung von Quito, rühmen sie sich das Barometer auf
15 Zoll 10 Linien gesehen zu haben. Sie sagen, dies
sey "ein tieferer Stand als je ein Mensch bisher
habe beobachten können." An dem oben beschriebe-
nen Punkte des Chimborazo war der Luftdruck um
fast zwei Zoll geringer, geringer auch, als da, wo
sechzehn Jahre später, 1818, sich Capitain Gerard
am höchsten im Himalayagebirge, auf dem Tarhigang
erhoben hat. In einer Taucherglocke bin ich in Eng-
land einem Luftdruck von 45 Zoll fast eine Stunde
lang ausgesetzt gewesen. Die Flexibilität der mensch-
lichen Organisation erträgt demnach Veränderungen
im Barometerstande, die 31 Zoll betragen. Doch
sonderbar möchte die physische Constitution des Men-
schengeschlechts allmälig umgewandelt werden, wenn
grosse kosmische Ursachen solche Extreme der Luft-
verdünnung oder Luftverdichtung permanent machten.

Besteigung des Chimborazo.
unsere Stiefel ganz von Schneewasser durchzogen,
denn der Sand, der bisweilen den Grath bedeckte,
war mit altem Schnee vermengt. Wir hatten nach
der La Place'schen Barometerformel, eine Höhe von
3016 Toisen, genauer von 18097 Pariser Fuss er-
reicht. Wäre La Condamine's Angabe der Höhe des
Chimborazo, wie sie auf der noch in Quito, im Jesuiter-
Collegio, aufbewahrten Steintafel aufgezeichnet ist,
die richtige, so fehlten uns noch bis zum Gipfel
senkrecht 1224 Fuss oder die dreimalige Höhe der
Peterskirche zu Rom.

La Condamine und Bouguer sagen ausdrücklich,
dass sie am Chimborazo nur bis 2400 Toisen Höhe
gelangt waren, aber am Corazon, einem der male-
rischsten Schneeberge (Nevados) in der nahen Umge-
bung von Quito, rühmen sie sich das Barometer auf
15 Zoll 10 Linien gesehen zu haben. Sie sagen, dies
sey „ein tieferer Stand als je ein Mensch bisher
habe beobachten können.“ An dem oben beschriebe-
nen Punkte des Chimborazo war der Luftdruck um
fast zwei Zoll geringer, geringer auch, als da, wo
sechzehn Jahre später, 1818, sich Capitain Gerard
am höchsten im Himalayagebirge, auf dem Tarhigang
erhoben hat. In einer Taucherglocke bin ich in Eng-
land einem Luftdruck von 45 Zoll fast eine Stunde
lang ausgesetzt gewesen. Die Flexibilität der mensch-
lichen Organisation erträgt demnach Veränderungen
im Barometerstande, die 31 Zoll betragen. Doch
sonderbar möchte die physische Constitution des Men-
schengeschlechts allmälig umgewandelt werden, wenn
grosse kosmische Ursachen solche Extreme der Luft-
verdünnung oder Luftverdichtung permanent machten.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0022" n="195"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">Besteigung des Chimborazo</hi>.</fw><lb/>
unsere Stiefel ganz von Schneewasser durchzogen,<lb/>
denn der Sand, der bisweilen den <hi rendition="#i">Grath</hi> bedeckte,<lb/>
war mit altem Schnee vermengt. Wir hatten nach<lb/>
der <hi rendition="#i">La Place</hi>'schen Barometerformel, eine Höhe von<lb/>
3016 Toisen, genauer von 18097 Pariser Fuss er-<lb/>
reicht. Wäre <hi rendition="#i">La Condamine's</hi> Angabe der Höhe des<lb/>
Chimborazo, wie sie auf der noch in Quito, im Jesuiter-<lb/>
Collegio, aufbewahrten Steintafel aufgezeichnet ist,<lb/>
die richtige, so fehlten uns noch bis zum Gipfel<lb/>
senkrecht 1224 Fuss oder die dreimalige Höhe der<lb/>
Peterskirche zu Rom.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#i">La Condamine</hi> und <hi rendition="#i">Bouguer</hi> sagen ausdrücklich,<lb/>
dass sie am Chimborazo nur bis 2400 Toisen Höhe<lb/>
gelangt waren, aber am Corazon, einem der male-<lb/>
rischsten Schneeberge (Nevados) in der nahen Umge-<lb/>
bung von Quito, rühmen sie sich das Barometer auf<lb/>
15 Zoll 10 Linien gesehen zu haben. Sie sagen, dies<lb/>
sey &#x201E;ein tieferer Stand als je ein Mensch bisher<lb/>
habe beobachten können.&#x201C; An dem oben beschriebe-<lb/>
nen Punkte des Chimborazo war der Luftdruck um<lb/>
fast zwei Zoll geringer, geringer auch, als da, wo<lb/>
sechzehn Jahre später, 1818, sich Capitain <hi rendition="#i">Gerard</hi><lb/>
am höchsten im Himalayagebirge, auf dem Tarhigang<lb/>
erhoben hat. In einer Taucherglocke bin ich in Eng-<lb/>
land einem Luftdruck von 45 Zoll fast eine Stunde<lb/>
lang ausgesetzt gewesen. Die Flexibilität der mensch-<lb/>
lichen Organisation erträgt demnach Veränderungen<lb/>
im Barometerstande, die 31 Zoll betragen. Doch<lb/>
sonderbar möchte die physische Constitution des Men-<lb/>
schengeschlechts allmälig umgewandelt werden, wenn<lb/>
grosse kosmische Ursachen solche Extreme der Luft-<lb/>
verdünnung oder Luftverdichtung permanent machten.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[195/0022] Besteigung des Chimborazo. unsere Stiefel ganz von Schneewasser durchzogen, denn der Sand, der bisweilen den Grath bedeckte, war mit altem Schnee vermengt. Wir hatten nach der La Place'schen Barometerformel, eine Höhe von 3016 Toisen, genauer von 18097 Pariser Fuss er- reicht. Wäre La Condamine's Angabe der Höhe des Chimborazo, wie sie auf der noch in Quito, im Jesuiter- Collegio, aufbewahrten Steintafel aufgezeichnet ist, die richtige, so fehlten uns noch bis zum Gipfel senkrecht 1224 Fuss oder die dreimalige Höhe der Peterskirche zu Rom. La Condamine und Bouguer sagen ausdrücklich, dass sie am Chimborazo nur bis 2400 Toisen Höhe gelangt waren, aber am Corazon, einem der male- rischsten Schneeberge (Nevados) in der nahen Umge- bung von Quito, rühmen sie sich das Barometer auf 15 Zoll 10 Linien gesehen zu haben. Sie sagen, dies sey „ein tieferer Stand als je ein Mensch bisher habe beobachten können.“ An dem oben beschriebe- nen Punkte des Chimborazo war der Luftdruck um fast zwei Zoll geringer, geringer auch, als da, wo sechzehn Jahre später, 1818, sich Capitain Gerard am höchsten im Himalayagebirge, auf dem Tarhigang erhoben hat. In einer Taucherglocke bin ich in Eng- land einem Luftdruck von 45 Zoll fast eine Stunde lang ausgesetzt gewesen. Die Flexibilität der mensch- lichen Organisation erträgt demnach Veränderungen im Barometerstande, die 31 Zoll betragen. Doch sonderbar möchte die physische Constitution des Men- schengeschlechts allmälig umgewandelt werden, wenn grosse kosmische Ursachen solche Extreme der Luft- verdünnung oder Luftverdichtung permanent machten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Weitere Informationen:

Eine weitere Fassung dieses Textes finden Sie in der Ausgabe Sämtliche Schriften digital (2021 ff.) der Universität Bern.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_versuche_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_versuche_1837/22
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber zwei Versuche den Chimborazo zu besteigen. In: Jahrbuch für 1837. Herausgegeben von H. C. Schumacher. Stuttgart und Tübingen, 1837, S. 176-206, hier S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_versuche_1837/22>, abgerufen am 24.11.2024.