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Humboldt, Alexander von: Vorwort von Alexander v. Humboldt. In: Humboldt, Wilhelm von: Sonette. Berlin, 1853, S. [III]-XVI.

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Thätigkeit in einen engen Familienkreis zurücktritt,
um dem Genuß der freien Natur, um großen, aber
schmerzlichen Erinnerungen, um dem Studium des
Alterthums und der Entwickelung der Sprachorga-
nismen zu leben: sind eine solche Milde, ein solcher
innerer Friede des Gemüths eine seltene, schön er-
rungene Himmelsgabe zu nennen.

Jn dieser Betrachtung ist wenigstens theilweise
die Ursach des Beifalls bezeichnet, der in weiten Krei-
sen in und außerhalb Deutschlands den Briefen
Wilhelms von Humboldt an eine Freundin

so anhaltend geschenkt worden ist. Die kleinen poe-
tischen Schöpfungen, welche hier zum ersten Male
vereint erscheinen, nachdem sie vorher in 7 Bänden
der gesammelten Werke zerstreut waren, enthal-
ten gleichsam die Selbstbiographie, die Charakter-
schilderung des theuren Bruders, dessen Beispiel we-
sentlich auf meine geistigen Bestrebungen eingewirkt
hat und den ich so viele Jahre zu überleben bestimmt
bin. Die Sonette sind ausgewählt aus einer großen
Zahl, da er nach dem Verluste seiner hochbegabten
Gattin (26 März 1829) fast jeden Tag eines, bis-
weilen in später Nacht, aus dem Gedächtniß nieder-

Thätigkeit in einen engen Familienkreis zurücktritt,
um dem Genuß der freien Natur, um großen, aber
ſchmerzlichen Erinnerungen, um dem Studium des
Alterthums und der Entwickelung der Sprachorga-
nismen zu leben: ſind eine ſolche Milde, ein ſolcher
innerer Friede des Gemüths eine ſeltene, ſchön er-
rungene Himmelsgabe zu nennen.

Jn dieſer Betrachtung iſt wenigſtens theilweiſe
die Urſach des Beifalls bezeichnet, der in weiten Krei-
ſen in und außerhalb Deutſchlands den Briefen
Wilhelms von Humboldt an eine Freundin

ſo anhaltend geſchenkt worden iſt. Die kleinen poe-
tiſchen Schöpfungen, welche hier zum erſten Male
vereint erſcheinen, nachdem ſie vorher in 7 Bänden
der geſammelten Werke zerſtreut waren, enthal-
ten gleichſam die Selbſtbiographie, die Charakter-
ſchilderung des theuren Bruders, deſſen Beiſpiel we-
ſentlich auf meine geiſtigen Beſtrebungen eingewirkt
hat und den ich ſo viele Jahre zu überleben beſtimmt
bin. Die Sonette ſind ausgewählt aus einer großen
Zahl, da er nach dem Verluſte ſeiner hochbegabten
Gattin (26 März 1829) faſt jeden Tag eines, bis-
weilen in ſpäter Nacht, aus dem Gedächtniß nieder-

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[IV/0005] Thätigkeit in einen engen Familienkreis zurücktritt, um dem Genuß der freien Natur, um großen, aber ſchmerzlichen Erinnerungen, um dem Studium des Alterthums und der Entwickelung der Sprachorga- nismen zu leben: ſind eine ſolche Milde, ein ſolcher innerer Friede des Gemüths eine ſeltene, ſchön er- rungene Himmelsgabe zu nennen. Jn dieſer Betrachtung iſt wenigſtens theilweiſe die Urſach des Beifalls bezeichnet, der in weiten Krei- ſen in und außerhalb Deutſchlands den Briefen Wilhelms von Humboldt an eine Freundin ſo anhaltend geſchenkt worden iſt. Die kleinen poe- tiſchen Schöpfungen, welche hier zum erſten Male vereint erſcheinen, nachdem ſie vorher in 7 Bänden der geſammelten Werke zerſtreut waren, enthal- ten gleichſam die Selbſtbiographie, die Charakter- ſchilderung des theuren Bruders, deſſen Beiſpiel we- ſentlich auf meine geiſtigen Beſtrebungen eingewirkt hat und den ich ſo viele Jahre zu überleben beſtimmt bin. Die Sonette ſind ausgewählt aus einer großen Zahl, da er nach dem Verluſte ſeiner hochbegabten Gattin (26 März 1829) faſt jeden Tag eines, bis- weilen in ſpäter Nacht, aus dem Gedächtniß nieder-

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Vorwort von Alexander v. Humboldt. In: Humboldt, Wilhelm von: Sonette. Berlin, 1853, S. [III]-XVI, S. IV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_vorwort_1853/5>, abgerufen am 29.03.2024.