Humboldt, Alexander von: Auszug eines Schreibens des Herrn Alexander v. Humboldt aus Cumaná in Südamerika vom 17ten Oktobr. 1800, an seinen Bruder, Herrn Wilhelm von Humboldt in Paris. In: Neue allgemeine deutsche Bibliothek, Bd. 58 (1801), S. 60-64.Jntelligenzblatt. nicht einem Umgange mit solchen Philosophen vorzuziehenseyn! Jch bin Landwärts eingedrungen, von den Küsten Por- Alle Beschwerlichkeiten dieser mühevollen Reise habe Mein Freund Bonpland (ein Naturkundiger aus Ro- ten *) Wenn, wie fast nicht zu zweifeln ist, unter dem französi-
schen Namen Noire der Negro gemeint ist: so ist nach den Charten von Mannert und d' Anville nicht abzusehen, wie Herr v. H. auf diesem Fluß nach Guyana hat kommen kön- nen. Auch ist auf diesen Charten der Fluß Niu unter dem Aequator nicht zu finden. A. d. U. Jntelligenzblatt. nicht einem Umgange mit ſolchen Philoſophen vorzuziehenſeyn! Jch bin Landwärts eingedrungen, von den Küſten Por- Alle Beſchwerlichkeiten dieſer mühevollen Reiſe habe Mein Freund Bonpland (ein Naturkundiger aus Ro- ten *) Wenn, wie faſt nicht zu zweifeln iſt, unter dem franzöſi-
ſchen Namen Noire der Negro gemeint iſt: ſo iſt nach den Charten von Mannert und d' Anville nicht abzuſehen, wie Herr v. H. auf dieſem Fluß nach Guyana hat kommen kön- nen. Auch iſt auf dieſen Charten der Fluß Niu unter dem Aequator nicht zu finden. A. d. U. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0004" n="62"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Jntelligenzblatt</hi>.</fw><lb/> nicht einem Umgange mit ſolchen Philoſophen vorzuziehen<lb/> ſeyn!</p><lb/> <p>Jch bin Landwärts eingedrungen, von den Küſten Por-<lb/> to-Cabello und dem großen See von Valencia durch die Lia-<lb/> nos, und über den Fluß Apureo bis an den Urſprung des<lb/> Orinoko und den Fluß Niu, unter dem Aequator; ich habe<lb/> das weitläuftige Land zwiſchen dem Orinoko und dem Amazo-<lb/> nenfluſſe, Popayan und Guyana, durchſtreift; ein Land, in<lb/> welches die Europäer ſeit 1766 nicht wieder gekommen ſind,<lb/> und wo nur jenſeit der Waſſerfälle ohngefähr 1800 Weiße in<lb/> einer Art von Dörfern beyſammen wohnen. Die Waſſerfälle<lb/> habe ich zweymal geſehen. Von St. Carl bin ich auf der<lb/><hi rendition="#aq">Rivière noire</hi> nach Guyana zurück gekommen.<note place="foot" n="*)">Wenn, wie faſt nicht zu zweifeln iſt, unter dem franzöſi-<lb/> ſchen Namen <hi rendition="#aq">Noire</hi> der Negro gemeint iſt: ſo iſt nach den<lb/> Charten von Mannert und d' Anville nicht abzuſehen, wie<lb/> Herr v. H. auf dieſem Fluß nach Guyana hat kommen kön-<lb/> nen. Auch iſt auf dieſen Charten der Fluß Niu unter dem<lb/> Aequator nicht zu finden.<lb/><hi rendition="#et">A. d. U.</hi><lb/></note> Durch<lb/> die Schnelle des Stroms legten wir in 25 Tagen, die Ruhe-<lb/> tage ungerechnet, einen Weg von 500 franzöſiſchen Meilen zu-<lb/> rück. Jch habe von mehr als 50 Orten die Länge und Breite<lb/> beſtimmt, viele Ein- und Austritte der Planeten beobachtet,<lb/> und werde von dieſem ungeheuern Lande, das von mehr als<lb/> 200 indianiſchen Völkerſchaften bewohnt wird, wovon die mei-<lb/> ſten noch keinen weißen Menſchen geſehen, und ganz verſchie-<lb/> dene Sprachen und Bildungen haben, eine genaue Charte her-<lb/> ausgeben.</p><lb/> <p>Alle Beſchwerlichkeiten dieſer mühevollen Reiſe habe<lb/> ich glücklich überſtanden. Vier Monate ſind wir vom Regen,<lb/> von fürchterlichen Mosquiten und Ameiſen, und vorzüglich<lb/> vom Hunger grauſam geplagt worden. Wir haben beſtändig<lb/> in Wäldern geſchlafen; Bananen, Manioc, Waſſer, und<lb/> zuweilen etwas Reiß war unſere ganze Nahrung.</p><lb/> <p>Mein Freund Bonpland (ein Naturkundiger aus Ro-<lb/> chelle) iſt von den Folgen unſerer Streiferey viel mehr an-<lb/> gegriffen worden, als ich. Er bekam nach unſerer Ankunft<lb/> in Guyana, Erbrechen und ein Fieber, das mich für ihn fürch-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ten</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [62/0004]
Jntelligenzblatt.
nicht einem Umgange mit ſolchen Philoſophen vorzuziehen
ſeyn!
Jch bin Landwärts eingedrungen, von den Küſten Por-
to-Cabello und dem großen See von Valencia durch die Lia-
nos, und über den Fluß Apureo bis an den Urſprung des
Orinoko und den Fluß Niu, unter dem Aequator; ich habe
das weitläuftige Land zwiſchen dem Orinoko und dem Amazo-
nenfluſſe, Popayan und Guyana, durchſtreift; ein Land, in
welches die Europäer ſeit 1766 nicht wieder gekommen ſind,
und wo nur jenſeit der Waſſerfälle ohngefähr 1800 Weiße in
einer Art von Dörfern beyſammen wohnen. Die Waſſerfälle
habe ich zweymal geſehen. Von St. Carl bin ich auf der
Rivière noire nach Guyana zurück gekommen. *) Durch
die Schnelle des Stroms legten wir in 25 Tagen, die Ruhe-
tage ungerechnet, einen Weg von 500 franzöſiſchen Meilen zu-
rück. Jch habe von mehr als 50 Orten die Länge und Breite
beſtimmt, viele Ein- und Austritte der Planeten beobachtet,
und werde von dieſem ungeheuern Lande, das von mehr als
200 indianiſchen Völkerſchaften bewohnt wird, wovon die mei-
ſten noch keinen weißen Menſchen geſehen, und ganz verſchie-
dene Sprachen und Bildungen haben, eine genaue Charte her-
ausgeben.
Alle Beſchwerlichkeiten dieſer mühevollen Reiſe habe
ich glücklich überſtanden. Vier Monate ſind wir vom Regen,
von fürchterlichen Mosquiten und Ameiſen, und vorzüglich
vom Hunger grauſam geplagt worden. Wir haben beſtändig
in Wäldern geſchlafen; Bananen, Manioc, Waſſer, und
zuweilen etwas Reiß war unſere ganze Nahrung.
Mein Freund Bonpland (ein Naturkundiger aus Ro-
chelle) iſt von den Folgen unſerer Streiferey viel mehr an-
gegriffen worden, als ich. Er bekam nach unſerer Ankunft
in Guyana, Erbrechen und ein Fieber, das mich für ihn fürch-
ten
*) Wenn, wie faſt nicht zu zweifeln iſt, unter dem franzöſi-
ſchen Namen Noire der Negro gemeint iſt: ſo iſt nach den
Charten von Mannert und d' Anville nicht abzuſehen, wie
Herr v. H. auf dieſem Fluß nach Guyana hat kommen kön-
nen. Auch iſt auf dieſen Charten der Fluß Niu unter dem
Aequator nicht zu finden.
A. d. U.
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