noch nicht vollendet war. Sein Sohn Mar und sein Nachfolger Maremar brachten dies Werk in drei und siebzig Jahren, denn vom J. 427 bis zum J. 500 arbeiteten sie daran, völlig zu Stande. Diese letztere Gemara bildet nebst der Mischna Ju- da's des Heiligen den Talmud von Babylon. Beide Talmude haben also nur Eine Mischna, aber jeder seine besondere Gemara. Die Mischna ist in hebräischer, die Gemara in verdorbener chaldäischer Sprache geschrieben. Der Talmud von Jerusalem ist sehr dunkel; deßhalb bedienen sich die meisten Juden des Babylonischen, und setzen, wenn sie sich auf den andern beziehen, das Wort Jeruschalmi hinzu.
Obgleich sie beiden Gesetzen, sowohl dem ge- schriebenen im alten Testamente enthaltenen als dem mündlichen oder dem Talmud das Ansehen unmittelbarer göttlicher Offenbarungen zugestehen, so erheben sie doch den Talmud sehr hoch über die Bibel. "Die Bibel, sagen sie, gleicht dem Wasser, die Mischna gleicht dem Wein, und die Gemara dem gewürzten Wein. Die Welt kann nicht seyn ohne Wasser; die Welt kann nicht seyn ohne Wein; die Welt kann nicht seyn ohne gewürzten Wein. Also kann die Welt auch nimmermehr seyn ohne Bibel, ohne Mischna und Gemara. Die Bibel gleicht dem Salz, die Mischna dem Pfeffer, die Gemara dem Gewürz; die Welt kann nicht seyn ohne Salz; die Welt kann nicht seyn ohne Pfeffer;
noch nicht vollendet war. Sein Sohn Mar und ſein Nachfolger Maremar brachten dies Werk in drei und ſiebzig Jahren, denn vom J. 427 bis zum J. 500 arbeiteten ſie daran, voͤllig zu Stande. Dieſe letztere Gemara bildet nebſt der Miſchna Ju- da’s des Heiligen den Talmud von Babylon. Beide Talmude haben alſo nur Eine Miſchna, aber jeder ſeine beſondere Gemara. Die Miſchna iſt in hebraͤiſcher, die Gemara in verdorbener chaldaͤiſcher Sprache geſchrieben. Der Talmud von Jeruſalem iſt ſehr dunkel; deßhalb bedienen ſich die meiſten Juden des Babyloniſchen, und ſetzen, wenn ſie ſich auf den andern beziehen, das Wort Jeruſchalmi hinzu.
Obgleich ſie beiden Geſetzen, ſowohl dem ge- ſchriebenen im alten Teſtamente enthaltenen als dem muͤndlichen oder dem Talmud das Anſehen unmittelbarer goͤttlicher Offenbarungen zugeſtehen, ſo erheben ſie doch den Talmud ſehr hoch uͤber die Bibel. „Die Bibel, ſagen ſie, gleicht dem Waſſer, die Miſchna gleicht dem Wein, und die Gemara dem gewuͤrzten Wein. Die Welt kann nicht ſeyn ohne Waſſer; die Welt kann nicht ſeyn ohne Wein; die Welt kann nicht ſeyn ohne gewuͤrzten Wein. Alſo kann die Welt auch nimmermehr ſeyn ohne Bibel, ohne Miſchna und Gemara. Die Bibel gleicht dem Salz, die Miſchna dem Pfeffer, die Gemara dem Gewuͤrz; die Welt kann nicht ſeyn ohne Salz; die Welt kann nicht ſeyn ohne Pfeffer;
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noch nicht vollendet war. Sein Sohn Mar und
ſein Nachfolger Maremar brachten dies Werk
in drei und ſiebzig Jahren, denn vom J. 427 bis
zum J. 500 arbeiteten ſie daran, voͤllig zu Stande.
Dieſe letztere Gemara bildet nebſt der Miſchna Ju-
da’s des Heiligen den Talmud von Babylon.
Beide Talmude haben alſo nur Eine Miſchna, aber
jeder ſeine beſondere Gemara. Die Miſchna iſt in
hebraͤiſcher, die Gemara in verdorbener chaldaͤiſcher
Sprache geſchrieben. Der Talmud von Jeruſalem
iſt ſehr dunkel; deßhalb bedienen ſich die meiſten
Juden des Babyloniſchen, und ſetzen, wenn ſie ſich
auf den andern beziehen, das Wort Jeruſchalmi
hinzu.
Obgleich ſie beiden Geſetzen, ſowohl dem ge-
ſchriebenen im alten Teſtamente enthaltenen als
dem muͤndlichen oder dem Talmud das Anſehen
unmittelbarer goͤttlicher Offenbarungen zugeſtehen,
ſo erheben ſie doch den Talmud ſehr hoch uͤber die
Bibel. „Die Bibel, ſagen ſie, gleicht dem Waſſer,
die Miſchna gleicht dem Wein, und die Gemara
dem gewuͤrzten Wein. Die Welt kann nicht ſeyn
ohne Waſſer; die Welt kann nicht ſeyn ohne Wein;
die Welt kann nicht ſeyn ohne gewuͤrzten Wein.
Alſo kann die Welt auch nimmermehr ſeyn ohne
Bibel, ohne Miſchna und Gemara. Die Bibel
gleicht dem Salz, die Miſchna dem Pfeffer, die
Gemara dem Gewuͤrz; die Welt kann nicht ſeyn
ohne Salz; die Welt kann nicht ſeyn ohne Pfeffer;
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/88>, abgerufen am 21.11.2024.
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