Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.

Bild:
<< vorherige Seite



geburt abschachert; wie er nachher mit Hülfe der
Mutter seinen alten blinden Vater betrügt; wie er
den Schwiegervater Laban durch allerlei Ränke und
Kniffe um das Seinige prellt; und wenn dann
zum Schluß dieser Jakob noch von Eltern und Leh-
rern als ein Muster der Nachahmung aufgestellt
wird? Wahrlich, wer unsern Vater Jakob für ei-
nen frommen Mann hält, der ist nahe daran, den
Teufel für heilig zu halten! Bei solchem Unter-
richt müßte man sich wundern; wenn der Jude kein
Spitzbube würde! Was für Vertrauen soll aber
der Christ fassen zu dem Jsraeliten, der von der
zartesten Kindheit an in jenen Grundsätzen erzogen
ward, bei dem durch die Beispiele und Lehren sei-
ner Vorfahren, Eltern und Erzieher schändlicher
Eigennutz, Haß gegen Andersdenkende, besonders
gegen Christen, Neigung zum Betrug und zur Un-
redlichkeit jeglicher Art frühzeitig entwickelt und
als Tugenden gelobt wurden? Gerne gebe ich zu,
daß in manchen christlichen Schulen der Unterricht
wenig vernünftiger und besser ist; allein was dort
durch die Lehre verderbt wird, das wird gewöhn-
lich durch das Beispiel der Eltern oder anderer nahe
verwandten Personen wieder vergütet und ausge-
löscht.

Außer dem Lesen und Uebersetzen macht Rech-
nen und Schreiben des Hebräischen oder Hebräisch-
deutschen einen Haupttheil des ersten Unterrichts



geburt abſchachert; wie er nachher mit Huͤlfe der
Mutter ſeinen alten blinden Vater betruͤgt; wie er
den Schwiegervater Laban durch allerlei Raͤnke und
Kniffe um das Seinige prellt; und wenn dann
zum Schluß dieſer Jakob noch von Eltern und Leh-
rern als ein Muſter der Nachahmung aufgeſtellt
wird? Wahrlich, wer unſern Vater Jakob fuͤr ei-
nen frommen Mann haͤlt, der iſt nahe daran, den
Teufel fuͤr heilig zu halten! Bei ſolchem Unter-
richt muͤßte man ſich wundern; wenn der Jude kein
Spitzbube wuͤrde! Was fuͤr Vertrauen ſoll aber
der Chriſt faſſen zu dem Jſraeliten, der von der
zarteſten Kindheit an in jenen Grundſaͤtzen erzogen
ward, bei dem durch die Beiſpiele und Lehren ſei-
ner Vorfahren, Eltern und Erzieher ſchaͤndlicher
Eigennutz, Haß gegen Andersdenkende, beſonders
gegen Chriſten, Neigung zum Betrug und zur Un-
redlichkeit jeglicher Art fruͤhzeitig entwickelt und
als Tugenden gelobt wurden? Gerne gebe ich zu,
daß in manchen chriſtlichen Schulen der Unterricht
wenig vernuͤnftiger und beſſer iſt; allein was dort
durch die Lehre verderbt wird, das wird gewoͤhn-
lich durch das Beiſpiel der Eltern oder anderer nahe
verwandten Perſonen wieder verguͤtet und ausge-
loͤſcht.

Außer dem Leſen und Ueberſetzen macht Rech-
nen und Schreiben des Hebraͤiſchen oder Hebraͤiſch-
deutſchen einen Haupttheil des erſten Unterrichts

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0105" n="105"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
geburt ab&#x017F;chachert; wie er nachher mit Hu&#x0364;lfe der<lb/>
Mutter &#x017F;einen alten blinden Vater betru&#x0364;gt; wie er<lb/>
den Schwiegervater Laban durch allerlei Ra&#x0364;nke und<lb/>
Kniffe um das Seinige prellt; und wenn dann<lb/>
zum Schluß die&#x017F;er Jakob noch von Eltern und Leh-<lb/>
rern als ein Mu&#x017F;ter der Nachahmung aufge&#x017F;tellt<lb/>
wird? Wahrlich, wer un&#x017F;ern Vater Jakob fu&#x0364;r ei-<lb/>
nen frommen Mann ha&#x0364;lt, der i&#x017F;t nahe daran, den<lb/>
Teufel fu&#x0364;r heilig zu halten! Bei &#x017F;olchem Unter-<lb/>
richt mu&#x0364;ßte man &#x017F;ich wundern; wenn der Jude <hi rendition="#g">kein</hi><lb/>
Spitzbube wu&#x0364;rde! Was fu&#x0364;r Vertrauen &#x017F;oll aber<lb/>
der Chri&#x017F;t fa&#x017F;&#x017F;en zu dem J&#x017F;raeliten, der von der<lb/>
zarte&#x017F;ten Kindheit an in jenen Grund&#x017F;a&#x0364;tzen erzogen<lb/>
ward, bei dem durch die Bei&#x017F;piele und Lehren &#x017F;ei-<lb/>
ner Vorfahren, Eltern und Erzieher &#x017F;cha&#x0364;ndlicher<lb/>
Eigennutz, Haß gegen Andersdenkende, be&#x017F;onders<lb/>
gegen Chri&#x017F;ten, Neigung zum Betrug und zur Un-<lb/>
redlichkeit jeglicher Art fru&#x0364;hzeitig entwickelt und<lb/>
als Tugenden gelobt wurden? Gerne gebe ich zu,<lb/>
daß in manchen chri&#x017F;tlichen Schulen der Unterricht<lb/>
wenig vernu&#x0364;nftiger und be&#x017F;&#x017F;er i&#x017F;t; allein was dort<lb/>
durch die Lehre verderbt wird, das wird gewo&#x0364;hn-<lb/>
lich durch das Bei&#x017F;piel der Eltern oder anderer nahe<lb/>
verwandten Per&#x017F;onen wieder vergu&#x0364;tet und ausge-<lb/>
lo&#x0364;&#x017F;cht.</p><lb/>
        <p>Außer dem Le&#x017F;en und Ueber&#x017F;etzen macht Rech-<lb/>
nen und Schreiben des Hebra&#x0364;i&#x017F;chen oder Hebra&#x0364;i&#x017F;ch-<lb/>
deut&#x017F;chen einen Haupttheil des er&#x017F;ten Unterrichts<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[105/0105] geburt abſchachert; wie er nachher mit Huͤlfe der Mutter ſeinen alten blinden Vater betruͤgt; wie er den Schwiegervater Laban durch allerlei Raͤnke und Kniffe um das Seinige prellt; und wenn dann zum Schluß dieſer Jakob noch von Eltern und Leh- rern als ein Muſter der Nachahmung aufgeſtellt wird? Wahrlich, wer unſern Vater Jakob fuͤr ei- nen frommen Mann haͤlt, der iſt nahe daran, den Teufel fuͤr heilig zu halten! Bei ſolchem Unter- richt muͤßte man ſich wundern; wenn der Jude kein Spitzbube wuͤrde! Was fuͤr Vertrauen ſoll aber der Chriſt faſſen zu dem Jſraeliten, der von der zarteſten Kindheit an in jenen Grundſaͤtzen erzogen ward, bei dem durch die Beiſpiele und Lehren ſei- ner Vorfahren, Eltern und Erzieher ſchaͤndlicher Eigennutz, Haß gegen Andersdenkende, beſonders gegen Chriſten, Neigung zum Betrug und zur Un- redlichkeit jeglicher Art fruͤhzeitig entwickelt und als Tugenden gelobt wurden? Gerne gebe ich zu, daß in manchen chriſtlichen Schulen der Unterricht wenig vernuͤnftiger und beſſer iſt; allein was dort durch die Lehre verderbt wird, das wird gewoͤhn- lich durch das Beiſpiel der Eltern oder anderer nahe verwandten Perſonen wieder verguͤtet und ausge- loͤſcht. Außer dem Leſen und Ueberſetzen macht Rech- nen und Schreiben des Hebraͤiſchen oder Hebraͤiſch- deutſchen einen Haupttheil des erſten Unterrichts

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/105
Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/105>, abgerufen am 21.05.2024.