Eben so wenig, wie das Beten, darf nach dem Essen das Waschen der Hände und des Gesichts versäumt werden. Bei dem Waschen der erstern muß man besonders vorsichtig zu Werke gehen. Hat man einen Ring am Finger, so muß man ihn ab- legen, damit nichts ungewaschen bleibt.
Ob nachfolgendes Geschichtchen aus dem Tal- mud gewaschen oder ungewaschen sey, mögen meine Leser entscheiden.
Rabbi Jose, Rabbi Juda und Rabbi Meir, denen das Paradies sey, reisten einmal an einem Freitage mit einander über Feld, und kehrten ge- gen Abend bei einem jüdischen Wirth ein, um bei ihm den Sabbath zu feiern. Rabbi Meir fragte ihn, wie er hieße? Kidor! (d. i. verkehrte Art) versetzte der Wirth. Hm! sprach der Rabbi zu den andern, gewiß ist der Kerl ein Spitzbube, da er einen so häßlichen Namen hat, denn es heißt 5 B. Mos. 32. V. 20: sie sind von einer verkehrten Art (Kidor); sie sind Kinder, in denen kein Glauben ist. Rabbi Jose und Rabbi Juda gesegneten An- denkens, lächelten darüber, und gaben unbesorgt ihre Börsen dem Wirth für den Sabbath in Ver- wahrung *). Rabbi Meir aber, auf welchem der Friede sey, gieng nach dem Grabe des Vaters von
*) Weil nemlich die Juden am Sabbath kein Geld bei sich tragen dürfen.
II. Bändchen. 14
Eben ſo wenig, wie das Beten, darf nach dem Eſſen das Waſchen der Haͤnde und des Geſichts verſaͤumt werden. Bei dem Waſchen der erſtern muß man beſonders vorſichtig zu Werke gehen. Hat man einen Ring am Finger, ſo muß man ihn ab- legen, damit nichts ungewaſchen bleibt.
Ob nachfolgendes Geſchichtchen aus dem Tal- mud gewaſchen oder ungewaſchen ſey, moͤgen meine Leſer entſcheiden.
Rabbi Joſe, Rabbi Juda und Rabbi Meir, denen das Paradies ſey, reisten einmal an einem Freitage mit einander uͤber Feld, und kehrten ge- gen Abend bei einem juͤdiſchen Wirth ein, um bei ihm den Sabbath zu feiern. Rabbi Meir fragte ihn, wie er hieße? Kidor! (d. i. verkehrte Art) verſetzte der Wirth. Hm! ſprach der Rabbi zu den andern, gewiß iſt der Kerl ein Spitzbube, da er einen ſo haͤßlichen Namen hat, denn es heißt 5 B. Moſ. 32. V. 20: ſie ſind von einer verkehrten Art (Kidor); ſie ſind Kinder, in denen kein Glauben iſt. Rabbi Joſe und Rabbi Juda geſegneten An- denkens, laͤchelten daruͤber, und gaben unbeſorgt ihre Boͤrſen dem Wirth fuͤr den Sabbath in Ver- wahrung *). Rabbi Meir aber, auf welchem der Friede ſey, gieng nach dem Grabe des Vaters von
*) Weil nemlich die Juden am Sabbath kein Geld bei ſich tragen duͤrfen.
II. Baͤndchen. 14
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Eben ſo wenig, wie das Beten, darf nach dem
Eſſen das Waſchen der Haͤnde und des Geſichts
verſaͤumt werden. Bei dem Waſchen der erſtern
muß man beſonders vorſichtig zu Werke gehen. Hat
man einen Ring am Finger, ſo muß man ihn ab-
legen, damit nichts ungewaſchen bleibt.
Ob nachfolgendes Geſchichtchen aus dem Tal-
mud gewaſchen oder ungewaſchen ſey, moͤgen meine
Leſer entſcheiden.
Rabbi Joſe, Rabbi Juda und Rabbi Meir,
denen das Paradies ſey, reisten einmal an einem
Freitage mit einander uͤber Feld, und kehrten ge-
gen Abend bei einem juͤdiſchen Wirth ein, um bei
ihm den Sabbath zu feiern. Rabbi Meir fragte
ihn, wie er hieße? Kidor! (d. i. verkehrte Art)
verſetzte der Wirth. Hm! ſprach der Rabbi zu den
andern, gewiß iſt der Kerl ein Spitzbube, da er
einen ſo haͤßlichen Namen hat, denn es heißt 5 B.
Moſ. 32. V. 20: ſie ſind von einer verkehrten Art
(Kidor); ſie ſind Kinder, in denen kein Glauben
iſt. Rabbi Joſe und Rabbi Juda geſegneten An-
denkens, laͤchelten daruͤber, und gaben unbeſorgt
ihre Boͤrſen dem Wirth fuͤr den Sabbath in Ver-
wahrung *). Rabbi Meir aber, auf welchem der
Friede ſey, gieng nach dem Grabe des Vaters von
*) Weil nemlich die Juden am Sabbath kein Geld
bei ſich tragen duͤrfen.
II. Baͤndchen. 14
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/161>, abgerufen am 23.11.2024.
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