Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.Staatsmännern geht es oft nicht besser, als ihm. Jch sprach einst mit einem preußischen Finanzbeam- ten, einem seynwollenden Gelehrten und bekann- ten Schriftsteller. "Aber, fragte ich, sollten die starken Abgaben von der rohen Baumwolle nicht ihren eigenen Manufakturen schaden?" Keineswegs, lieber Freund, versetzte der Finanzmann; wir kön- nen die fremde Baumwolle füglich entbehren, denn unsre Regierung verwendet jährlich beträcht- liche Summen auf die Schafzucht. Er glaubte also offenbar, die Baumwolle wäre ein Erzeugniß der Schafe. Wir dürfen folglich den israelitischen Gesetzgeber wegen jenes unbedeutenden Fehlgriffs um so weniger tadeln, da er kein Gelehrter und kein Naturforscher seyn wollte. Wäre zu seiner Zeit die große Naturgeschichte des weisen Königs Salomo schon bekannt gewesen, worin dieser "von den Bäumen, von der Ceder auf dem Libanon bis zum Ysop, der aus der Mauer wächst, vom Vieh, von Vögeln, von Gewürmen und Fischen -- wahr- scheinlich auch von Weibern und Mädchen" -- re- dete; so würde Moses schwerlich jenen Jrrthum begangen haben. Und wäre jenes herrliche Werk gar bis auf unsere Zeiten gekommen, was hätten wir dann wohl nicht für Wunder erfahren? Wun- der, von denen Plinius, Tournefort, Linne und Buffon, ja selbst Albertus Magnus und die gros- sen Jesuiten Athanasius Kircher und Caspar Schott niemals sich träumen ließen! Staatsmaͤnnern geht es oft nicht beſſer, als ihm. Jch ſprach einſt mit einem preußiſchen Finanzbeam- ten, einem ſeynwollenden Gelehrten und bekann- ten Schriftſteller. »Aber, fragte ich, ſollten die ſtarken Abgaben von der rohen Baumwolle nicht ihren eigenen Manufakturen ſchaden?« Keineswegs, lieber Freund, verſetzte der Finanzmann; wir koͤn- nen die fremde Baumwolle fuͤglich entbehren, denn unſre Regierung verwendet jaͤhrlich betraͤcht- liche Summen auf die Schafzucht. Er glaubte alſo offenbar, die Baumwolle waͤre ein Erzeugniß der Schafe. Wir duͤrfen folglich den iſraelitiſchen Geſetzgeber wegen jenes unbedeutenden Fehlgriffs um ſo weniger tadeln, da er kein Gelehrter und kein Naturforſcher ſeyn wollte. Waͤre zu ſeiner Zeit die große Naturgeſchichte des weiſen Koͤnigs Salomo ſchon bekannt geweſen, worin dieſer »von den Baͤumen, von der Ceder auf dem Libanon bis zum Yſop, der aus der Mauer waͤchst, vom Vieh, von Voͤgeln, von Gewuͤrmen und Fiſchen — wahr- ſcheinlich auch von Weibern und Maͤdchen« — re- dete; ſo wuͤrde Moſes ſchwerlich jenen Jrrthum begangen haben. Und waͤre jenes herrliche Werk gar bis auf unſere Zeiten gekommen, was haͤtten wir dann wohl nicht fuͤr Wunder erfahren? Wun- der, von denen Plinius, Tournefort, Linné und Buffon, ja ſelbſt Albertus Magnus und die groſ- ſen Jeſuiten Athanaſius Kircher und Caſpar Schott niemals ſich traͤumen ließen! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0177" n="177"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> Staatsmaͤnnern geht es oft nicht beſſer, als ihm.<lb/> Jch ſprach einſt mit einem preußiſchen Finanzbeam-<lb/> ten, einem ſeynwollenden Gelehrten und bekann-<lb/> ten Schriftſteller. »Aber, fragte ich, ſollten die<lb/> ſtarken Abgaben von der <hi rendition="#g">rohen</hi> Baumwolle nicht<lb/> ihren eigenen Manufakturen ſchaden?« Keineswegs,<lb/> lieber Freund, verſetzte der Finanzmann; wir koͤn-<lb/> nen die <hi rendition="#g">fremde</hi> Baumwolle fuͤglich entbehren,<lb/> denn unſre Regierung verwendet jaͤhrlich betraͤcht-<lb/> liche Summen auf die <hi rendition="#g">Schafzucht</hi>. Er glaubte<lb/> alſo offenbar, die Baumwolle waͤre ein Erzeugniß<lb/> der Schafe. Wir duͤrfen folglich den iſraelitiſchen<lb/> Geſetzgeber wegen jenes unbedeutenden Fehlgriffs<lb/> um ſo weniger tadeln, da er kein Gelehrter und<lb/> kein Naturforſcher ſeyn wollte. Waͤre zu ſeiner<lb/> Zeit die große Naturgeſchichte des weiſen Koͤnigs<lb/> Salomo ſchon bekannt geweſen, worin dieſer »von<lb/> den Baͤumen, von der Ceder auf dem Libanon bis<lb/> zum Yſop, der aus der Mauer waͤchst, vom Vieh,<lb/> von Voͤgeln, von Gewuͤrmen und Fiſchen — wahr-<lb/> ſcheinlich auch von Weibern und Maͤdchen« — re-<lb/> dete; ſo wuͤrde Moſes ſchwerlich jenen Jrrthum<lb/> begangen haben. Und waͤre jenes herrliche Werk<lb/> gar bis auf unſere Zeiten gekommen, was haͤtten<lb/> wir dann wohl nicht fuͤr Wunder erfahren? Wun-<lb/> der, von denen Plinius, Tournefort, Linn<hi rendition="#aq">é</hi> und<lb/> Buffon, ja ſelbſt Albertus Magnus und die <hi rendition="#g">groſ-<lb/> ſen Jeſuiten</hi> Athanaſius Kircher und Caſpar<lb/> Schott niemals ſich traͤumen ließen!</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [177/0177]
Staatsmaͤnnern geht es oft nicht beſſer, als ihm.
Jch ſprach einſt mit einem preußiſchen Finanzbeam-
ten, einem ſeynwollenden Gelehrten und bekann-
ten Schriftſteller. »Aber, fragte ich, ſollten die
ſtarken Abgaben von der rohen Baumwolle nicht
ihren eigenen Manufakturen ſchaden?« Keineswegs,
lieber Freund, verſetzte der Finanzmann; wir koͤn-
nen die fremde Baumwolle fuͤglich entbehren,
denn unſre Regierung verwendet jaͤhrlich betraͤcht-
liche Summen auf die Schafzucht. Er glaubte
alſo offenbar, die Baumwolle waͤre ein Erzeugniß
der Schafe. Wir duͤrfen folglich den iſraelitiſchen
Geſetzgeber wegen jenes unbedeutenden Fehlgriffs
um ſo weniger tadeln, da er kein Gelehrter und
kein Naturforſcher ſeyn wollte. Waͤre zu ſeiner
Zeit die große Naturgeſchichte des weiſen Koͤnigs
Salomo ſchon bekannt geweſen, worin dieſer »von
den Baͤumen, von der Ceder auf dem Libanon bis
zum Yſop, der aus der Mauer waͤchst, vom Vieh,
von Voͤgeln, von Gewuͤrmen und Fiſchen — wahr-
ſcheinlich auch von Weibern und Maͤdchen« — re-
dete; ſo wuͤrde Moſes ſchwerlich jenen Jrrthum
begangen haben. Und waͤre jenes herrliche Werk
gar bis auf unſere Zeiten gekommen, was haͤtten
wir dann wohl nicht fuͤr Wunder erfahren? Wun-
der, von denen Plinius, Tournefort, Linné und
Buffon, ja ſelbſt Albertus Magnus und die groſ-
ſen Jeſuiten Athanaſius Kircher und Caſpar
Schott niemals ſich traͤumen ließen!
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |