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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.

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der heiligen Tage erforderlich sind. Kleidungsstücke
zu Ehren des Festes darf man vom Schneider,
Schuhmacher u. s. w. holen. Kurz vor Abend wird
oben am Tische das Königsbette bereitet. Es
ist zum Sitzen für den Hausherrn, unter Umstän-
den auch für die Hausfrau, bestimmt, und hat eine
Lehne von seidenen und sammetnen Kissen, die bei
den reichen Juden oft prachtvoll und auf das Kost-
barste gestickt, bei andern hingegen häufig ziemlich
beschmutzt und geflickt sind. Dies Königsbette soll
das Sinnbild eines Thrones seyn; denn jeder from-
me israelitische Hausvater muß am heiligen Oster-
feste sich vorstellen, daß er ein König und seine
Gemahlin eine Königin sey, und selbst die ärmsten
Juden sollen sich für Fürsten und Freiherren halten,
die aus der Dienstbarkeit erlöst und nicht mehr in
Aegypten gefangen sind. Die, welche keine Tep-
piche und schöne Kissen haben, und selbst die, so
von Almosen leben, sollen wenigstens auf einem
Lehnstuhl sitzen, um, wie Buxtorff sagt, "sich
als Freiherren anlehnen zu können." Die, außer
dem Königsbette, um den Tisch stehenden, für die
übrigen Hausgenossen bestimmten Lehnstühle müssen
gleichfalls mit Tüchern und Teppichen behangen
seyn, welche denn nach Maßgabe des Wohlstandes
sich sehr unterscheiden. Frauen und Mädchen brau-
chen sich nicht anzulehnen; haben aber auch in der
Regel ihre Lehnstühle. Ueberhaupt ist es Pflicht

II. Bändchen. 26



der heiligen Tage erforderlich ſind. Kleidungsſtuͤcke
zu Ehren des Feſtes darf man vom Schneider,
Schuhmacher u. ſ. w. holen. Kurz vor Abend wird
oben am Tiſche das Koͤnigsbette bereitet. Es
iſt zum Sitzen fuͤr den Hausherrn, unter Umſtaͤn-
den auch fuͤr die Hausfrau, beſtimmt, und hat eine
Lehne von ſeidenen und ſammetnen Kiſſen, die bei
den reichen Juden oft prachtvoll und auf das Koſt-
barſte geſtickt, bei andern hingegen haͤufig ziemlich
beſchmutzt und geflickt ſind. Dies Koͤnigsbette ſoll
das Sinnbild eines Thrones ſeyn; denn jeder from-
me iſraelitiſche Hausvater muß am heiligen Oſter-
feſte ſich vorſtellen, daß er ein Koͤnig und ſeine
Gemahlin eine Koͤnigin ſey, und ſelbſt die aͤrmſten
Juden ſollen ſich fuͤr Fuͤrſten und Freiherren halten,
die aus der Dienſtbarkeit erloͤst und nicht mehr in
Aegypten gefangen ſind. Die, welche keine Tep-
piche und ſchoͤne Kiſſen haben, und ſelbſt die, ſo
von Almoſen leben, ſollen wenigſtens auf einem
Lehnſtuhl ſitzen, um, wie Buxtorff ſagt, »ſich
als Freiherren anlehnen zu koͤnnen.« Die, außer
dem Koͤnigsbette, um den Tiſch ſtehenden, fuͤr die
uͤbrigen Hausgenoſſen beſtimmten Lehnſtuͤhle muͤſſen
gleichfalls mit Tuͤchern und Teppichen behangen
ſeyn, welche denn nach Maßgabe des Wohlſtandes
ſich ſehr unterſcheiden. Frauen und Maͤdchen brau-
chen ſich nicht anzulehnen; haben aber auch in der
Regel ihre Lehnſtuͤhle. Ueberhaupt iſt es Pflicht

II. Baͤndchen. 26
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[305/0305] der heiligen Tage erforderlich ſind. Kleidungsſtuͤcke zu Ehren des Feſtes darf man vom Schneider, Schuhmacher u. ſ. w. holen. Kurz vor Abend wird oben am Tiſche das Koͤnigsbette bereitet. Es iſt zum Sitzen fuͤr den Hausherrn, unter Umſtaͤn- den auch fuͤr die Hausfrau, beſtimmt, und hat eine Lehne von ſeidenen und ſammetnen Kiſſen, die bei den reichen Juden oft prachtvoll und auf das Koſt- barſte geſtickt, bei andern hingegen haͤufig ziemlich beſchmutzt und geflickt ſind. Dies Koͤnigsbette ſoll das Sinnbild eines Thrones ſeyn; denn jeder from- me iſraelitiſche Hausvater muß am heiligen Oſter- feſte ſich vorſtellen, daß er ein Koͤnig und ſeine Gemahlin eine Koͤnigin ſey, und ſelbſt die aͤrmſten Juden ſollen ſich fuͤr Fuͤrſten und Freiherren halten, die aus der Dienſtbarkeit erloͤst und nicht mehr in Aegypten gefangen ſind. Die, welche keine Tep- piche und ſchoͤne Kiſſen haben, und ſelbſt die, ſo von Almoſen leben, ſollen wenigſtens auf einem Lehnſtuhl ſitzen, um, wie Buxtorff ſagt, »ſich als Freiherren anlehnen zu koͤnnen.« Die, außer dem Koͤnigsbette, um den Tiſch ſtehenden, fuͤr die uͤbrigen Hausgenoſſen beſtimmten Lehnſtuͤhle muͤſſen gleichfalls mit Tuͤchern und Teppichen behangen ſeyn, welche denn nach Maßgabe des Wohlſtandes ſich ſehr unterſcheiden. Frauen und Maͤdchen brau- chen ſich nicht anzulehnen; haben aber auch in der Regel ihre Lehnſtuͤhle. Ueberhaupt iſt es Pflicht II. Baͤndchen. 26

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Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/305>, abgerufen am 22.11.2024.