Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.

Bild:
<< vorherige Seite



fromme Kinder denken doch wahrscheinlich mehr an
das wohlschmeckende Fleisch ihrer gefiederten Gott-
versöhner, als an Reue und Besserung.

Die Eingeweide der Hühner wirft man auf
die Dächer. Dies geschieht aus einem zweifachen
Grunde. Die Sünden sitzen nemlich in den Ein-
geweiden des Thieres; wenn die Raubvögel diesel-
ben fressen und damit fortfliegen, so sind die Juden
von all' ihrer Sündenschuld frei, und dann ist es
oben so gut, als hätte man seine Uebertretungen
sämmtlich, nach Mosis weisem Befehl, auf einen
Bock bekannt, und den damit fort in die Wüste
gejagt. Zweitens wünscht man auch den Vögeln
unter dem Himmel etwas von den Opfern zu
gönnen.

Wer keinen Hahn bezahlen und kochen kann,
der giebt einem Christenkinde einige Pfenninge oder
etwas Zuckerwerk, und frägt es schmeichelnd: willst
du seyn mein Capporah? Antwortet das Kind:
Ja, so muß es dereinst in der Hölle für die Sün-
den des Juden büßen.

Ehemals schenkten die reichern Jsraeliten ihre
Hähne und Hennen den ärmern, die selbst keine
kaufen konnten. Dies ward aber endlich von den
letztern sehr empfindlich genommen; sie sagten, ih-
nen eckelte vor den Sünden der Reichen; sie woll-
ten sie nicht essen; Jeder möchte sich seine Missetha-
ten selbst kochen und braten, und sie allein verzeh-



fromme Kinder denken doch wahrſcheinlich mehr an
das wohlſchmeckende Fleiſch ihrer gefiederten Gott-
verſoͤhner, als an Reue und Beſſerung.

Die Eingeweide der Huͤhner wirft man auf
die Daͤcher. Dies geſchieht aus einem zweifachen
Grunde. Die Suͤnden ſitzen nemlich in den Ein-
geweiden des Thieres; wenn die Raubvoͤgel dieſel-
ben freſſen und damit fortfliegen, ſo ſind die Juden
von all’ ihrer Suͤndenſchuld frei, und dann iſt es
oben ſo gut, als haͤtte man ſeine Uebertretungen
ſaͤmmtlich, nach Moſis weiſem Befehl, auf einen
Bock bekannt, und den damit fort in die Wuͤſte
gejagt. Zweitens wuͤnſcht man auch den Voͤgeln
unter dem Himmel etwas von den Opfern zu
goͤnnen.

Wer keinen Hahn bezahlen und kochen kann,
der giebt einem Chriſtenkinde einige Pfenninge oder
etwas Zuckerwerk, und fraͤgt es ſchmeichelnd: willſt
du ſeyn mein Capporah? Antwortet das Kind:
Ja, ſo muß es dereinſt in der Hoͤlle fuͤr die Suͤn-
den des Juden buͤßen.

Ehemals ſchenkten die reichern Jſraeliten ihre
Haͤhne und Hennen den aͤrmern, die ſelbſt keine
kaufen konnten. Dies ward aber endlich von den
letztern ſehr empfindlich genommen; ſie ſagten, ih-
nen eckelte vor den Suͤnden der Reichen; ſie woll-
ten ſie nicht eſſen; Jeder moͤchte ſich ſeine Miſſetha-
ten ſelbſt kochen und braten, und ſie allein verzeh-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0372" n="372"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
fromme Kinder denken doch wahr&#x017F;cheinlich mehr an<lb/>
das wohl&#x017F;chmeckende Flei&#x017F;ch ihrer gefiederten Gott-<lb/>
ver&#x017F;o&#x0364;hner, als an Reue und Be&#x017F;&#x017F;erung.</p><lb/>
        <p>Die Eingeweide der Hu&#x0364;hner wirft man auf<lb/>
die Da&#x0364;cher. Dies ge&#x017F;chieht aus einem zweifachen<lb/>
Grunde. Die Su&#x0364;nden &#x017F;itzen nemlich in den Ein-<lb/>
geweiden des Thieres; wenn die Raubvo&#x0364;gel die&#x017F;el-<lb/>
ben fre&#x017F;&#x017F;en und damit fortfliegen, &#x017F;o &#x017F;ind die Juden<lb/>
von all&#x2019; ihrer Su&#x0364;nden&#x017F;chuld frei, und dann i&#x017F;t es<lb/>
oben &#x017F;o gut, als ha&#x0364;tte man &#x017F;eine Uebertretungen<lb/>
&#x017F;a&#x0364;mmtlich, nach Mo&#x017F;is wei&#x017F;em Befehl, auf einen<lb/>
Bock bekannt, und den damit fort in die Wu&#x0364;&#x017F;te<lb/>
gejagt. Zweitens wu&#x0364;n&#x017F;cht man auch den Vo&#x0364;geln<lb/>
unter dem Himmel etwas von den Opfern zu<lb/>
go&#x0364;nnen.</p><lb/>
        <p>Wer keinen Hahn bezahlen und kochen kann,<lb/>
der giebt einem Chri&#x017F;tenkinde einige Pfenninge oder<lb/>
etwas Zuckerwerk, und fra&#x0364;gt es &#x017F;chmeichelnd: will&#x017F;t<lb/>
du &#x017F;eyn mein Capporah? Antwortet das Kind:<lb/>
Ja, &#x017F;o muß es derein&#x017F;t in der Ho&#x0364;lle fu&#x0364;r die Su&#x0364;n-<lb/>
den des Juden bu&#x0364;ßen.</p><lb/>
        <p>Ehemals &#x017F;chenkten die reichern J&#x017F;raeliten ihre<lb/>
Ha&#x0364;hne und Hennen den a&#x0364;rmern, die &#x017F;elb&#x017F;t keine<lb/>
kaufen konnten. Dies ward aber endlich von den<lb/>
letztern &#x017F;ehr empfindlich genommen; &#x017F;ie &#x017F;agten, ih-<lb/>
nen eckelte vor den Su&#x0364;nden der Reichen; &#x017F;ie woll-<lb/>
ten &#x017F;ie nicht e&#x017F;&#x017F;en; Jeder mo&#x0364;chte &#x017F;ich &#x017F;eine Mi&#x017F;&#x017F;etha-<lb/>
ten &#x017F;elb&#x017F;t kochen und braten, und &#x017F;ie allein verzeh-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[372/0372] fromme Kinder denken doch wahrſcheinlich mehr an das wohlſchmeckende Fleiſch ihrer gefiederten Gott- verſoͤhner, als an Reue und Beſſerung. Die Eingeweide der Huͤhner wirft man auf die Daͤcher. Dies geſchieht aus einem zweifachen Grunde. Die Suͤnden ſitzen nemlich in den Ein- geweiden des Thieres; wenn die Raubvoͤgel dieſel- ben freſſen und damit fortfliegen, ſo ſind die Juden von all’ ihrer Suͤndenſchuld frei, und dann iſt es oben ſo gut, als haͤtte man ſeine Uebertretungen ſaͤmmtlich, nach Moſis weiſem Befehl, auf einen Bock bekannt, und den damit fort in die Wuͤſte gejagt. Zweitens wuͤnſcht man auch den Voͤgeln unter dem Himmel etwas von den Opfern zu goͤnnen. Wer keinen Hahn bezahlen und kochen kann, der giebt einem Chriſtenkinde einige Pfenninge oder etwas Zuckerwerk, und fraͤgt es ſchmeichelnd: willſt du ſeyn mein Capporah? Antwortet das Kind: Ja, ſo muß es dereinſt in der Hoͤlle fuͤr die Suͤn- den des Juden buͤßen. Ehemals ſchenkten die reichern Jſraeliten ihre Haͤhne und Hennen den aͤrmern, die ſelbſt keine kaufen konnten. Dies ward aber endlich von den letztern ſehr empfindlich genommen; ſie ſagten, ih- nen eckelte vor den Suͤnden der Reichen; ſie woll- ten ſie nicht eſſen; Jeder moͤchte ſich ſeine Miſſetha- ten ſelbſt kochen und braten, und ſie allein verzeh-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/372
Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/372>, abgerufen am 22.11.2024.