Der ganze Versöhnungstag wird unter lauter gottseligen Uebungen vollbracht. Bald betet, bald singt, bald beichtet man, wobei Jeder voll Jnbrunst heftig an seine Brust schlägt zum Zeichen der An- dacht und Reue. Jn einem Augenblick steht Alles aufrecht und gerade auf den Beinen; im andern liegt die ganze Gemeine der Heiligen mit Bauch und Antlitz auf der Erde, und so wechseln die Possen, bis die Sterne hoch am Himmel stehen. Dann verhüllt der Priester oder Chasan seine Augen mit dem Talles Gedol und giebt der Gemeine, welche gleichfalls Gesicht und Augen mit den Händen und Manteln bedeckt, den gewöhnlichen Segen. Hier- auf schreiet die fromme Versammlung siebenmal, immer einmal lauter, als das andere: Alu Elohim Jehovah, Gott der Vater allein ist Gott! Auch das Schmah Jsrael wird siebenmal gesungen, um der göttlichen Majestät oder Schechinah, die jetzt wieder aus der Synagoge in ihren siebenten Him- mel zurückkehrt, das Geleite zu geben.
Ein lauter, langer Schall des wohlbekannten Bockhorns *), auf welchen eine Stimme vom Him- mel antwortet: Gehet hin, und esset fröhlich euer Abendbrod! Gott der Herr hat alle eure guten Werke angenommen! dient endlich zum Zeichen des Aufbruchs. Draußen im Freien wird noch der
*) M. s. die Abhandlung vom Neujahr der Juden.
Der ganze Verſoͤhnungstag wird unter lauter gottſeligen Uebungen vollbracht. Bald betet, bald ſingt, bald beichtet man, wobei Jeder voll Jnbrunſt heftig an ſeine Bruſt ſchlaͤgt zum Zeichen der An- dacht und Reue. Jn einem Augenblick ſteht Alles aufrecht und gerade auf den Beinen; im andern liegt die ganze Gemeine der Heiligen mit Bauch und Antlitz auf der Erde, und ſo wechſeln die Poſſen, bis die Sterne hoch am Himmel ſtehen. Dann verhuͤllt der Prieſter oder Chaſan ſeine Augen mit dem Talles Gedol und giebt der Gemeine, welche gleichfalls Geſicht und Augen mit den Haͤnden und Manteln bedeckt, den gewoͤhnlichen Segen. Hier- auf ſchreiet die fromme Verſammlung ſiebenmal, immer einmal lauter, als das andere: Alu Elohim Jehovah, Gott der Vater allein iſt Gott! Auch das Schmah Jſrael wird ſiebenmal geſungen, um der goͤttlichen Majeſtaͤt oder Schechinah, die jetzt wieder aus der Synagoge in ihren ſiebenten Him- mel zuruͤckkehrt, das Geleite zu geben.
Ein lauter, langer Schall des wohlbekannten Bockhorns *), auf welchen eine Stimme vom Him- mel antwortet: Gehet hin, und eſſet froͤhlich euer Abendbrod! Gott der Herr hat alle eure guten Werke angenommen! dient endlich zum Zeichen des Aufbruchs. Draußen im Freien wird noch der
*) M. ſ. die Abhandlung vom Neujahr der Juden.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0381"n="381"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Der ganze Verſoͤhnungstag wird unter lauter<lb/>
gottſeligen Uebungen vollbracht. Bald betet, bald<lb/>ſingt, bald beichtet man, wobei Jeder voll Jnbrunſt<lb/>
heftig an ſeine Bruſt ſchlaͤgt zum Zeichen der An-<lb/>
dacht und Reue. Jn einem Augenblick ſteht Alles<lb/>
aufrecht und gerade auf den Beinen; im andern<lb/>
liegt die ganze Gemeine der Heiligen mit Bauch und<lb/>
Antlitz auf der Erde, und ſo wechſeln die Poſſen,<lb/>
bis die Sterne hoch am Himmel ſtehen. Dann<lb/>
verhuͤllt der Prieſter oder Chaſan ſeine Augen mit<lb/>
dem Talles Gedol und giebt der Gemeine, welche<lb/>
gleichfalls Geſicht und Augen mit den Haͤnden und<lb/>
Manteln bedeckt, den gewoͤhnlichen Segen. Hier-<lb/>
auf ſchreiet die fromme Verſammlung ſiebenmal,<lb/>
immer einmal lauter, als das andere: Alu Elohim<lb/>
Jehovah, Gott der Vater allein iſt Gott! Auch<lb/>
das Schmah Jſrael wird ſiebenmal geſungen, um<lb/>
der goͤttlichen Majeſtaͤt oder Schechinah, die jetzt<lb/>
wieder aus der Synagoge in ihren ſiebenten Him-<lb/>
mel zuruͤckkehrt, das Geleite zu geben.</p><lb/><p>Ein lauter, langer Schall des wohlbekannten<lb/>
Bockhorns <noteplace="foot"n="*)">M. ſ. die Abhandlung vom Neujahr der Juden.</note>, auf welchen eine Stimme vom Him-<lb/>
mel antwortet: Gehet hin, und eſſet froͤhlich euer<lb/>
Abendbrod! Gott der Herr hat alle eure guten<lb/>
Werke angenommen! dient endlich zum Zeichen des<lb/>
Aufbruchs. Draußen im Freien wird noch der<lb/></p></div></body></text></TEI>
[381/0381]
Der ganze Verſoͤhnungstag wird unter lauter
gottſeligen Uebungen vollbracht. Bald betet, bald
ſingt, bald beichtet man, wobei Jeder voll Jnbrunſt
heftig an ſeine Bruſt ſchlaͤgt zum Zeichen der An-
dacht und Reue. Jn einem Augenblick ſteht Alles
aufrecht und gerade auf den Beinen; im andern
liegt die ganze Gemeine der Heiligen mit Bauch und
Antlitz auf der Erde, und ſo wechſeln die Poſſen,
bis die Sterne hoch am Himmel ſtehen. Dann
verhuͤllt der Prieſter oder Chaſan ſeine Augen mit
dem Talles Gedol und giebt der Gemeine, welche
gleichfalls Geſicht und Augen mit den Haͤnden und
Manteln bedeckt, den gewoͤhnlichen Segen. Hier-
auf ſchreiet die fromme Verſammlung ſiebenmal,
immer einmal lauter, als das andere: Alu Elohim
Jehovah, Gott der Vater allein iſt Gott! Auch
das Schmah Jſrael wird ſiebenmal geſungen, um
der goͤttlichen Majeſtaͤt oder Schechinah, die jetzt
wieder aus der Synagoge in ihren ſiebenten Him-
mel zuruͤckkehrt, das Geleite zu geben.
Ein lauter, langer Schall des wohlbekannten
Bockhorns *), auf welchen eine Stimme vom Him-
mel antwortet: Gehet hin, und eſſet froͤhlich euer
Abendbrod! Gott der Herr hat alle eure guten
Werke angenommen! dient endlich zum Zeichen des
Aufbruchs. Draußen im Freien wird noch der
*) M. ſ. die Abhandlung vom Neujahr der Juden.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/381>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.