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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.

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ihnen Gewalt und Unrecht von den Christen ge-
schieht, da sie voraussetzen, daß diese gar keine
Rechte auf der Welt haben können; also werden sie
auch unbedenklich thun, was der vergötterte Men-
delssohn erlaubt, nemlich "die Wahrheit verschwei-
gen, oder die Unwahrheit sagen, und diese allen-
falls durch ein Gelübde oder durch einen Eid be-
kräftigen, dem sie in ihrem Herzen einen
andern Sinn geben
." Man merke wohl, daß
Mendelssohn einen solchen Eid, wodurch blos die
Unwahrheit bekräftigt wird, noch nicht für einen
falschen Eid hält, wenn man ihm nur im Herzen
einen andern Sinn giebt, denn er setzt ausdrücklich
hinzu: "Jst der Schade unersetzlich, so kann ich den
Rechtsräuber allenfalls durch einen falschen Eid
hintergehen." Also ein falscher Eid und ein solcher,
wodurch die Unwahrheit bekräftigt wird, dem ich
aber im Herzen einen andern Sinn ge-
be,
sind nach Mendelssohn wesentlich verschieden,
da man nach seiner Behauptung, einen Eid mit
Vorbehalt der Gedanken ablegen kann, ohne des-
halb falsch zu schwören, und die Strafe des Mein-
eids, das Mißfallen Gottes, fürchten zu dürfen.
Einen falschen Eid ohne Vorbehalt hingegen soll
man nur im äußersten Nothfall leisten! Herrliche
Sittenlehre!

Gott gebe, daß Ansichten dieser Art nie unter
den Christen so herrschend werden, wie unter den

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ihnen Gewalt und Unrecht von den Chriſten ge-
ſchieht, da ſie vorausſetzen, daß dieſe gar keine
Rechte auf der Welt haben koͤnnen; alſo werden ſie
auch unbedenklich thun, was der vergoͤtterte Men-
delsſohn erlaubt, nemlich »die Wahrheit verſchwei-
gen, oder die Unwahrheit ſagen, und dieſe allen-
falls durch ein Geluͤbde oder durch einen Eid be-
kraͤftigen, dem ſie in ihrem Herzen einen
andern Sinn geben
.« Man merke wohl, daß
Mendelsſohn einen ſolchen Eid, wodurch blos die
Unwahrheit bekraͤftigt wird, noch nicht fuͤr einen
falſchen Eid haͤlt, wenn man ihm nur im Herzen
einen andern Sinn giebt, denn er ſetzt ausdruͤcklich
hinzu: »Jſt der Schade unerſetzlich, ſo kann ich den
Rechtsraͤuber allenfalls durch einen falſchen Eid
hintergehen.« Alſo ein falſcher Eid und ein ſolcher,
wodurch die Unwahrheit bekraͤftigt wird, dem ich
aber im Herzen einen andern Sinn ge-
be,
ſind nach Mendelsſohn weſentlich verſchieden,
da man nach ſeiner Behauptung, einen Eid mit
Vorbehalt der Gedanken ablegen kann, ohne des-
halb falſch zu ſchwoͤren, und die Strafe des Mein-
eids, das Mißfallen Gottes, fuͤrchten zu duͤrfen.
Einen falſchen Eid ohne Vorbehalt hingegen ſoll
man nur im aͤußerſten Nothfall leiſten! Herrliche
Sittenlehre!

Gott gebe, daß Anſichten dieſer Art nie unter
den Chriſten ſo herrſchend werden, wie unter den

6 *
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[67/0067] ihnen Gewalt und Unrecht von den Chriſten ge- ſchieht, da ſie vorausſetzen, daß dieſe gar keine Rechte auf der Welt haben koͤnnen; alſo werden ſie auch unbedenklich thun, was der vergoͤtterte Men- delsſohn erlaubt, nemlich »die Wahrheit verſchwei- gen, oder die Unwahrheit ſagen, und dieſe allen- falls durch ein Geluͤbde oder durch einen Eid be- kraͤftigen, dem ſie in ihrem Herzen einen andern Sinn geben.« Man merke wohl, daß Mendelsſohn einen ſolchen Eid, wodurch blos die Unwahrheit bekraͤftigt wird, noch nicht fuͤr einen falſchen Eid haͤlt, wenn man ihm nur im Herzen einen andern Sinn giebt, denn er ſetzt ausdruͤcklich hinzu: »Jſt der Schade unerſetzlich, ſo kann ich den Rechtsraͤuber allenfalls durch einen falſchen Eid hintergehen.« Alſo ein falſcher Eid und ein ſolcher, wodurch die Unwahrheit bekraͤftigt wird, dem ich aber im Herzen einen andern Sinn ge- be, ſind nach Mendelsſohn weſentlich verſchieden, da man nach ſeiner Behauptung, einen Eid mit Vorbehalt der Gedanken ablegen kann, ohne des- halb falſch zu ſchwoͤren, und die Strafe des Mein- eids, das Mißfallen Gottes, fuͤrchten zu duͤrfen. Einen falſchen Eid ohne Vorbehalt hingegen ſoll man nur im aͤußerſten Nothfall leiſten! Herrliche Sittenlehre! Gott gebe, daß Anſichten dieſer Art nie unter den Chriſten ſo herrſchend werden, wie unter den 6 *

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Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/67>, abgerufen am 21.11.2024.