Nebenher lallt man auch recht andächtig einige from- me Gebete, und der Mohel (Beschneider) wird fleißig ermahnt, sich nicht allzu stark zu betrinken, weil er sonst leicht die ganze Zehe mit Allem, was daran hängt, wegschneiden könnte.
Dieser Mohel muß ein Mann und natürlich ein Jude seyn, und sein Fach gehörig kennen. Ei- nem Neuling, der noch keine Proben von seiner Fähigkeit ablegte, gestatten die wohlhaberndern Jsraeliten nicht leicht, dies heilige und wichtige Ge- schäft an ihren Kindern zu vollziehen. Er soll an meinem Bart nicht scheeren lernen! sagen die Rei- chen, und nur die Armen vertrauen einem solchen Lehrling die große Zehe ihrer Kleinen, um von ihm zu verdienen "eppes Moos," welches natürlich sehr bedeutend ist, wenn die Beschneidung üble, oder gar tödtliche Folgen haben sollte. Für einen solchen unglücklichen Fall, der sich nicht selten er- eignet, wird immer mit dem Mohel etwas Gewis- ses bedungen; verliert man dann auch das Kind, so bekömmt man doch das Geld, und der Schade wird um so leichter verschmerzt, da er gewöhnlich nach neun bis zehn Monaten wieder ersetzt ist. Wie den Vogel an den Federn und die Katze an den Klauen, so erkennt Jhr den Mohel gleichfalls an den Nägeln seiner beiden Daumen, die lang und vorne zugespitzt sind. Zur Beschneidung selbst be- dient man sich scharfer Messer von Stahl, die bei
Nebenher lallt man auch recht andaͤchtig einige from- me Gebete, und der Mohel (Beſchneider) wird fleißig ermahnt, ſich nicht allzu ſtark zu betrinken, weil er ſonſt leicht die ganze Zehe mit Allem, was daran haͤngt, wegſchneiden koͤnnte.
Dieſer Mohel muß ein Mann und natuͤrlich ein Jude ſeyn, und ſein Fach gehoͤrig kennen. Ei- nem Neuling, der noch keine Proben von ſeiner Faͤhigkeit ablegte, geſtatten die wohlhaberndern Jſraeliten nicht leicht, dies heilige und wichtige Ge- ſchaͤft an ihren Kindern zu vollziehen. Er ſoll an meinem Bart nicht ſcheeren lernen! ſagen die Rei- chen, und nur die Armen vertrauen einem ſolchen Lehrling die große Zehe ihrer Kleinen, um von ihm zu verdienen »eppes Moos,« welches natuͤrlich ſehr bedeutend iſt, wenn die Beſchneidung uͤble, oder gar toͤdtliche Folgen haben ſollte. Fuͤr einen ſolchen ungluͤcklichen Fall, der ſich nicht ſelten er- eignet, wird immer mit dem Mohel etwas Gewiſ- ſes bedungen; verliert man dann auch das Kind, ſo bekoͤmmt man doch das Geld, und der Schade wird um ſo leichter verſchmerzt, da er gewoͤhnlich nach neun bis zehn Monaten wieder erſetzt iſt. Wie den Vogel an den Federn und die Katze an den Klauen, ſo erkennt Jhr den Mohel gleichfalls an den Naͤgeln ſeiner beiden Daumen, die lang und vorne zugeſpitzt ſind. Zur Beſchneidung ſelbſt be- dient man ſich ſcharfer Meſſer von Stahl, die bei
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Nebenher lallt man auch recht andaͤchtig einige from-
me Gebete, und der Mohel (Beſchneider) wird
fleißig ermahnt, ſich nicht allzu ſtark zu betrinken,
weil er ſonſt leicht die ganze Zehe mit Allem, was
daran haͤngt, wegſchneiden koͤnnte.
Dieſer Mohel muß ein Mann und natuͤrlich
ein Jude ſeyn, und ſein Fach gehoͤrig kennen. Ei-
nem Neuling, der noch keine Proben von ſeiner
Faͤhigkeit ablegte, geſtatten die wohlhaberndern
Jſraeliten nicht leicht, dies heilige und wichtige Ge-
ſchaͤft an ihren Kindern zu vollziehen. Er ſoll an
meinem Bart nicht ſcheeren lernen! ſagen die Rei-
chen, und nur die Armen vertrauen einem ſolchen
Lehrling die große Zehe ihrer Kleinen, um von ihm
zu verdienen »eppes Moos,« welches natuͤrlich
ſehr bedeutend iſt, wenn die Beſchneidung uͤble,
oder gar toͤdtliche Folgen haben ſollte. Fuͤr einen
ſolchen ungluͤcklichen Fall, der ſich nicht ſelten er-
eignet, wird immer mit dem Mohel etwas Gewiſ-
ſes bedungen; verliert man dann auch das Kind,
ſo bekoͤmmt man doch das Geld, und der Schade
wird um ſo leichter verſchmerzt, da er gewoͤhnlich
nach neun bis zehn Monaten wieder erſetzt iſt. Wie
den Vogel an den Federn und die Katze an den
Klauen, ſo erkennt Jhr den Mohel gleichfalls an
den Naͤgeln ſeiner beiden Daumen, die lang und
vorne zugeſpitzt ſind. Zur Beſchneidung ſelbſt be-
dient man ſich ſcharfer Meſſer von Stahl, die bei
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/78>, abgerufen am 24.11.2024.
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