wenn auch der Verleger dadurch noch so großen Nachtheil erlitte; warum sollte er es denn nicht eben so gut ganz oder theilweise abschreiben und seine Abschriften verkaufen und verschenken dürfen, an wenn er will? Der Druck aber ist ein Ersatzmittel des Schreibens; ist also der Eigenthümer befugt, sein Buch abzuschreiben, so kann er es gleichfalls abdrucken, und mit seinen gedruckten Kopieen, wie mit den geschriebenen handeln.
"Nein! rufen hier einige Verleger; das sollst du nicht. Daraus würde uns ein zu großer Nach- theil entstehen, aber abschreiben magst du, so viel dir beliebt!" Gut! fahre ich fort, das Abdrucken erklärt Jhr für ein Verbrechen, für einen Diebstahl; das Abschreiben hingegen nicht. Jch habe eine Schreibemaschine, mit der ich in kürzerer Zeit mehr Abschriften liefern kann, als mit zehn Druckerpres- sen. "Dann ist es ein Diebstahl! Ein Raub!" werden auch hier die Buchhändler schreien, und mir das Abschreiben als etwas Widerrechtliches verbie- ten, was sie kurz vorhin, weil sie keinen wichtigen Schaden besorgten, mir noch als etwas Rechtmäßi- ges gestatteten. Wo giebt es eine größere Jnkon- sequenz, als in dieser Handlungsweise? Wie kann sich wohl der Eigennutz, ohne allen Schein des Rechts, stärker und empörender aussprechen, als in solchem Betragen der Verlagsbuchhändler?
Jn Schilda verkaufte einst ein Gärtner, der
III. Bändchen. 2
wenn auch der Verleger dadurch noch ſo großen Nachtheil erlitte; warum ſollte er es denn nicht eben ſo gut ganz oder theilweiſe abſchreiben und ſeine Abſchriften verkaufen und verſchenken duͤrfen, an wenn er will? Der Druck aber iſt ein Erſatzmittel des Schreibens; iſt alſo der Eigenthuͤmer befugt, ſein Buch abzuſchreiben, ſo kann er es gleichfalls abdrucken, und mit ſeinen gedruckten Kopieen, wie mit den geſchriebenen handeln.
»Nein! rufen hier einige Verleger; das ſollſt du nicht. Daraus wuͤrde uns ein zu großer Nach- theil entſtehen, aber abſchreiben magſt du, ſo viel dir beliebt!« Gut! fahre ich fort, das Abdrucken erklaͤrt Jhr fuͤr ein Verbrechen, fuͤr einen Diebſtahl; das Abſchreiben hingegen nicht. Jch habe eine Schreibemaſchine, mit der ich in kuͤrzerer Zeit mehr Abſchriften liefern kann, als mit zehn Druckerpreſ- ſen. »Dann iſt es ein Diebſtahl! Ein Raub!« werden auch hier die Buchhaͤndler ſchreien, und mir das Abſchreiben als etwas Widerrechtliches verbie- ten, was ſie kurz vorhin, weil ſie keinen wichtigen Schaden beſorgten, mir noch als etwas Rechtmaͤßi- ges geſtatteten. Wo giebt es eine groͤßere Jnkon- ſequenz, als in dieſer Handlungsweiſe? Wie kann ſich wohl der Eigennutz, ohne allen Schein des Rechts, ſtaͤrker und empoͤrender ausſprechen, als in ſolchem Betragen der Verlagsbuchhaͤndler?
Jn Schilda verkaufte einſt ein Gaͤrtner, der
III. Baͤndchen. 2
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wenn auch der Verleger dadurch noch ſo großen
Nachtheil erlitte; warum ſollte er es denn nicht eben
ſo gut ganz oder theilweiſe abſchreiben und ſeine
Abſchriften verkaufen und verſchenken duͤrfen, an
wenn er will? Der Druck aber iſt ein Erſatzmittel
des Schreibens; iſt alſo der Eigenthuͤmer befugt,
ſein Buch abzuſchreiben, ſo kann er es gleichfalls
abdrucken, und mit ſeinen gedruckten Kopieen, wie
mit den geſchriebenen handeln.
»Nein! rufen hier einige Verleger; das ſollſt
du nicht. Daraus wuͤrde uns ein zu großer Nach-
theil entſtehen, aber abſchreiben magſt du, ſo
viel dir beliebt!« Gut! fahre ich fort, das Abdrucken
erklaͤrt Jhr fuͤr ein Verbrechen, fuͤr einen Diebſtahl;
das Abſchreiben hingegen nicht. Jch habe eine
Schreibemaſchine, mit der ich in kuͤrzerer Zeit mehr
Abſchriften liefern kann, als mit zehn Druckerpreſ-
ſen. »Dann iſt es ein Diebſtahl! Ein Raub!«
werden auch hier die Buchhaͤndler ſchreien, und mir
das Abſchreiben als etwas Widerrechtliches verbie-
ten, was ſie kurz vorhin, weil ſie keinen wichtigen
Schaden beſorgten, mir noch als etwas Rechtmaͤßi-
ges geſtatteten. Wo giebt es eine groͤßere Jnkon-
ſequenz, als in dieſer Handlungsweiſe? Wie kann
ſich wohl der Eigennutz, ohne allen Schein des
Rechts, ſtaͤrker und empoͤrender ausſprechen, als
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Jn Schilda verkaufte einſt ein Gaͤrtner, der
III. Baͤndchen. 2
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/17>, abgerufen am 03.12.2024.
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