fenthum eines der ersprießlichsten, für die Mensch- heit aber eins der unheilbringendsten Dogmen, wel- che jemals erfunden worden. Möge sie auch vielen tausend beängstigten Gemüthern auf ihren Sterbe- betten Beruhigung und Trost geben, so hat sie doch dagegen viele Millionen Bösewichter gemacht, die ohne sie vielleicht nützliche und sehr rechtliche Menschen geworden wären. Wer sich bei seinem Hinscheiden nicht überzeugen kann, daß Gottes Liebe eben so unendlich ist, wie seine Gerechtigkeit; daß die meisten unserer schlimmen Handlungen als die, wenn gleich nicht nothwendiger, doch sehr na- türlichen Folgen der Lagen und Verhältnisse zu be- trachten sind, in die uns die Vorsehung setzte, und daß sie also von einem unendlich gütigen Wesen nicht mit endloser Pein bestraft werden können; wer allen seinen Missethaten, allen seinen bösen Anschlägen und Entwürfen, keine einzige gute Hand- lung, keinen einzigen edeln Entschluß entgegen zu setzen weiß; o, der gehe hin und verzweifle zu sei- ner Strafe und Andern zum Schrecken und Bei- spiel; er gehe hin und verzweifle hienieden, um dort, wenn gleich vielleicht nach vielen Jahrtausenden oder nach Ewigkeiten zu erfahren und zu fühlen, daß Gott kein rachgieriges, kein ohne Ziel und Ende zürnendes Wesen, kein ewiger, schadenfroher, grau- samer Quäler seiner Geschöpfe, sondern ein alllie- bender Vater sei, dessen Strafen nicht zweckloses,
fenthum eines der erſprießlichſten, fuͤr die Menſch- heit aber eins der unheilbringendſten Dogmen, wel- che jemals erfunden worden. Moͤge ſie auch vielen tauſend beaͤngſtigten Gemuͤthern auf ihren Sterbe- betten Beruhigung und Troſt geben, ſo hat ſie doch dagegen viele Millionen Boͤſewichter gemacht, die ohne ſie vielleicht nuͤtzliche und ſehr rechtliche Menſchen geworden waͤren. Wer ſich bei ſeinem Hinſcheiden nicht uͤberzeugen kann, daß Gottes Liebe eben ſo unendlich iſt, wie ſeine Gerechtigkeit; daß die meiſten unſerer ſchlimmen Handlungen als die, wenn gleich nicht nothwendiger, doch ſehr na- tuͤrlichen Folgen der Lagen und Verhaͤltniſſe zu be- trachten ſind, in die uns die Vorſehung ſetzte, und daß ſie alſo von einem unendlich guͤtigen Weſen nicht mit endloſer Pein beſtraft werden koͤnnen; wer allen ſeinen Miſſethaten, allen ſeinen boͤſen Anſchlaͤgen und Entwuͤrfen, keine einzige gute Hand- lung, keinen einzigen edeln Entſchluß entgegen zu ſetzen weiß; o, der gehe hin und verzweifle zu ſei- ner Strafe und Andern zum Schrecken und Bei- ſpiel; er gehe hin und verzweifle hienieden, um dort, wenn gleich vielleicht nach vielen Jahrtauſenden oder nach Ewigkeiten zu erfahren und zu fuͤhlen, daß Gott kein rachgieriges, kein ohne Ziel und Ende zuͤrnendes Weſen, kein ewiger, ſchadenfroher, grau- ſamer Quaͤler ſeiner Geſchoͤpfe, ſondern ein alllie- bender Vater ſei, deſſen Strafen nicht zweckloſes,
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fenthum eines der erſprießlichſten, fuͤr die Menſch-
heit aber eins der unheilbringendſten Dogmen, wel-
che jemals erfunden worden. Moͤge ſie auch vielen
tauſend beaͤngſtigten Gemuͤthern auf ihren Sterbe-
betten Beruhigung und Troſt geben, ſo hat ſie doch
dagegen viele Millionen Boͤſewichter gemacht,
die ohne ſie vielleicht nuͤtzliche und ſehr rechtliche
Menſchen geworden waͤren. Wer ſich bei ſeinem
Hinſcheiden nicht uͤberzeugen kann, daß Gottes
Liebe eben ſo unendlich iſt, wie ſeine Gerechtigkeit;
daß die meiſten unſerer ſchlimmen Handlungen als
die, wenn gleich nicht nothwendiger, doch ſehr na-
tuͤrlichen Folgen der Lagen und Verhaͤltniſſe zu be-
trachten ſind, in die uns die Vorſehung ſetzte, und
daß ſie alſo von einem unendlich guͤtigen Weſen
nicht mit endloſer Pein beſtraft werden koͤnnen;
wer allen ſeinen Miſſethaten, allen ſeinen boͤſen
Anſchlaͤgen und Entwuͤrfen, keine einzige gute Hand-
lung, keinen einzigen edeln Entſchluß entgegen zu
ſetzen weiß; o, der gehe hin und verzweifle zu ſei-
ner Strafe und Andern zum Schrecken und Bei-
ſpiel; er gehe hin und verzweifle hienieden, um dort,
wenn gleich vielleicht nach vielen Jahrtauſenden oder
nach Ewigkeiten zu erfahren und zu fuͤhlen, daß
Gott kein rachgieriges, kein ohne Ziel und Ende
zuͤrnendes Weſen, kein ewiger, ſchadenfroher, grau-
ſamer Quaͤler ſeiner Geſchoͤpfe, ſondern ein alllie-
bender Vater ſei, deſſen Strafen nicht zweckloſes,
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/199>, abgerufen am 15.05.2024.
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