Jeder Pfarrer sollte es sich zur Pflicht machen, seine Gemeindeglieder zum Genuß unschuldiger Freu- den aufzufodern, und statt Musik, Tanz, Schei- benschiessen, Ball- und Kegelspiel in seinem Kirch- sprengel als sündlich und gottlos zu verketzern, sie vielmehr bei seinen Eingepfarrten als nothwendige Aufheiterungsmittel zu empfehlen und zu beför- dern suchen. Eine schöne Musik (und der Nicht- kenner findet leicht eine sehr mittelmäßige schön,) erhebt und veredelt das Gemüth weit mehr, als eine schlechte oder mittelmäßige Predigt. Jch habe Pfarrer gekannt, und sie gehörten sicherlich zu den edelsten und achtungswürdigsten jenes Standes, welche an den Sonn- und Festtagen selbst mit ihren Familien dergleichen Vergnügungen ihrer Gemei- nen beiwohnten, und sich unbedenklich den Mitge- nuß derselben erlaubten, ohne dadurch im Minde- sten etwas von ihrem Ansehen zu verlieren. Ver- wandelte doch der göttliche Erlöser selbst zu Cana das Wasser in Wein, um Heiterkeit und Frohsinn unter den Gästen zu verbreiten.
Fort also, Jhr Murrköpfe, die Jhr jeden heitern Lebensgenuß als sündlich verschmäht! Der ächte Volkslehrer muß seiner Gemeine das Beispiel geben, wie man auf eine schuldlose Weise des Le- bens sich freuen kann! Er muß sich nicht, wie dies von euch, Blindschleichen, geschieht, wegen der ver- meintlichen Würde seines Amts von den öffent-
Jeder Pfarrer ſollte es ſich zur Pflicht machen, ſeine Gemeindeglieder zum Genuß unſchuldiger Freu- den aufzufodern, und ſtatt Muſik, Tanz, Schei- benſchieſſen, Ball- und Kegelſpiel in ſeinem Kirch- ſprengel als ſuͤndlich und gottlos zu verketzern, ſie vielmehr bei ſeinen Eingepfarrten als nothwendige Aufheiterungsmittel zu empfehlen und zu befoͤr- dern ſuchen. Eine ſchoͤne Muſik (und der Nicht- kenner findet leicht eine ſehr mittelmaͤßige ſchoͤn,) erhebt und veredelt das Gemuͤth weit mehr, als eine ſchlechte oder mittelmaͤßige Predigt. Jch habe Pfarrer gekannt, und ſie gehoͤrten ſicherlich zu den edelſten und achtungswuͤrdigſten jenes Standes, welche an den Sonn- und Feſttagen ſelbſt mit ihren Familien dergleichen Vergnuͤgungen ihrer Gemei- nen beiwohnten, und ſich unbedenklich den Mitge- nuß derſelben erlaubten, ohne dadurch im Minde- ſten etwas von ihrem Anſehen zu verlieren. Ver- wandelte doch der goͤttliche Erloͤſer ſelbſt zu Cana das Waſſer in Wein, um Heiterkeit und Frohſinn unter den Gaͤſten zu verbreiten.
Fort alſo, Jhr Murrkoͤpfe, die Jhr jeden heitern Lebensgenuß als ſuͤndlich verſchmaͤht! Der aͤchte Volkslehrer muß ſeiner Gemeine das Beiſpiel geben, wie man auf eine ſchuldloſe Weiſe des Le- bens ſich freuen kann! Er muß ſich nicht, wie dies von euch, Blindſchleichen, geſchieht, wegen der ver- meintlichen Wuͤrde ſeines Amts von den oͤffent-
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Jeder Pfarrer ſollte es ſich zur Pflicht machen,
ſeine Gemeindeglieder zum Genuß unſchuldiger Freu-
den aufzufodern, und ſtatt Muſik, Tanz, Schei-
benſchieſſen, Ball- und Kegelſpiel in ſeinem Kirch-
ſprengel als ſuͤndlich und gottlos zu verketzern, ſie
vielmehr bei ſeinen Eingepfarrten als nothwendige
Aufheiterungsmittel zu empfehlen und zu befoͤr-
dern ſuchen. Eine ſchoͤne Muſik (und der Nicht-
kenner findet leicht eine ſehr mittelmaͤßige ſchoͤn,)
erhebt und veredelt das Gemuͤth weit mehr, als
eine ſchlechte oder mittelmaͤßige Predigt. Jch habe
Pfarrer gekannt, und ſie gehoͤrten ſicherlich zu den
edelſten und achtungswuͤrdigſten jenes Standes,
welche an den Sonn- und Feſttagen ſelbſt mit ihren
Familien dergleichen Vergnuͤgungen ihrer Gemei-
nen beiwohnten, und ſich unbedenklich den Mitge-
nuß derſelben erlaubten, ohne dadurch im Minde-
ſten etwas von ihrem Anſehen zu verlieren. Ver-
wandelte doch der goͤttliche Erloͤſer ſelbſt zu Cana
das Waſſer in Wein, um Heiterkeit und Frohſinn
unter den Gaͤſten zu verbreiten.
Fort alſo, Jhr Murrkoͤpfe, die Jhr jeden
heitern Lebensgenuß als ſuͤndlich verſchmaͤht! Der
aͤchte Volkslehrer muß ſeiner Gemeine das Beiſpiel
geben, wie man auf eine ſchuldloſe Weiſe des Le-
bens ſich freuen kann! Er muß ſich nicht, wie dies
von euch, Blindſchleichen, geſchieht, wegen der ver-
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/246>, abgerufen am 23.11.2024.
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