des Liebenden, als der Pfarrer nach eifrigem Lesen und Blättern endlich die Frage aufwarf:
Sollte das Lämmlein wohl Kaffe getrunken haben?
Der arme Hauslehrer rückte ängstlich auf dem Stuhl und wünschte den Baseler Lumpensammler, der sonst sein Lieblingsschriftsteller war, aber heute zu jenem unglücklichen Gelübde die Veranlassung gegeben hatte, zum Kuckuk.
Jch sollte doch glauben, Herr Pfarrer! begann er, sich endlich ermannend; denn das Gericht, wo- für der fromme Jakob dem gottlosen Esau seine Erstgeburt abhandelte, war sicherlich kein anderes, als eine Portion Kaffe. Jch wüßte wenigstens aus- ser dem Kaffe nichts von Speisen oder Getränken auf der Welt, wofür ich meine Erstgeburt und meine väterliche Erbschast hingeben möchte, die, wie Sie wissen, bloß in der Weimar'schen Bibel, in Luthers Katechismus, in einem Gesangbuche, in Sebastian Friedrich Trescho's und Claus Harms sämmtlichen Werken, in Jung-Stillings grauem Mann und grauenvoller Geisterkunde, nebst einem halben Duz- zend geflickter Hemden und Strümpfe besteht; ausser dem kaffebraunen Rock und den schwarzsammtenen Hosen, die ich anhabe. Dies Alles, Alles, mein ganzes Vermögen will ich hingeben, ehe ich den Kaffe mir nehmen lasse!
Gemach, gemach, lieber Freund! Wenn das
des Liebenden, als der Pfarrer nach eifrigem Leſen und Blaͤttern endlich die Frage aufwarf:
Sollte das Laͤmmlein wohl Kaffe getrunken haben?
Der arme Hauslehrer ruͤckte aͤngſtlich auf dem Stuhl und wuͤnſchte den Baſeler Lumpenſammler, der ſonſt ſein Lieblingsſchriftſteller war, aber heute zu jenem ungluͤcklichen Geluͤbde die Veranlaſſung gegeben hatte, zum Kuckuk.
Jch ſollte doch glauben, Herr Pfarrer! begann er, ſich endlich ermannend; denn das Gericht, wo- fuͤr der fromme Jakob dem gottloſen Eſau ſeine Erſtgeburt abhandelte, war ſicherlich kein anderes, als eine Portion Kaffe. Jch wuͤßte wenigſtens auſ- ſer dem Kaffe nichts von Speiſen oder Getraͤnken auf der Welt, wofuͤr ich meine Erſtgeburt und meine vaͤterliche Erbſchaſt hingeben moͤchte, die, wie Sie wiſſen, bloß in der Weimar’ſchen Bibel, in Luthers Katechismus, in einem Geſangbuche, in Sebaſtian Friedrich Treſcho’s und Claus Harms ſaͤmmtlichen Werken, in Jung-Stillings grauem Mann und grauenvoller Geiſterkunde, nebſt einem halben Duz- zend geflickter Hemden und Struͤmpfe beſteht; auſſer dem kaffebraunen Rock und den ſchwarzſammtenen Hoſen, die ich anhabe. Dies Alles, Alles, mein ganzes Vermoͤgen will ich hingeben, ehe ich den Kaffe mir nehmen laſſe!
Gemach, gemach, lieber Freund! Wenn das
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des Liebenden, als der Pfarrer nach eifrigem Leſen
und Blaͤttern endlich die Frage aufwarf:
Sollte das Laͤmmlein wohl Kaffe getrunken
haben?
Der arme Hauslehrer ruͤckte aͤngſtlich auf dem
Stuhl und wuͤnſchte den Baſeler Lumpenſammler,
der ſonſt ſein Lieblingsſchriftſteller war, aber heute
zu jenem ungluͤcklichen Geluͤbde die Veranlaſſung
gegeben hatte, zum Kuckuk.
Jch ſollte doch glauben, Herr Pfarrer! begann
er, ſich endlich ermannend; denn das Gericht, wo-
fuͤr der fromme Jakob dem gottloſen Eſau ſeine
Erſtgeburt abhandelte, war ſicherlich kein anderes,
als eine Portion Kaffe. Jch wuͤßte wenigſtens auſ-
ſer dem Kaffe nichts von Speiſen oder Getraͤnken
auf der Welt, wofuͤr ich meine Erſtgeburt und meine
vaͤterliche Erbſchaſt hingeben moͤchte, die, wie Sie
wiſſen, bloß in der Weimar’ſchen Bibel, in Luthers
Katechismus, in einem Geſangbuche, in Sebaſtian
Friedrich Treſcho’s und Claus Harms ſaͤmmtlichen
Werken, in Jung-Stillings grauem Mann und
grauenvoller Geiſterkunde, nebſt einem halben Duz-
zend geflickter Hemden und Struͤmpfe beſteht; auſſer
dem kaffebraunen Rock und den ſchwarzſammtenen
Hoſen, die ich anhabe. Dies Alles, Alles, mein
ganzes Vermoͤgen will ich hingeben, ehe ich den
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/251>, abgerufen am 22.11.2024.
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