terland vergoß, während der Herr Pfarrer in hoch- tönenden Worten vom schönen Tode für's Vater- land, von der Liebe zu dem angestammten Fürsten- hause und vom tausendjährigen Reich predigte, wo Gerechtigkeit und Freiheit, Friede und Wohlstand sich küssen werden; wie oft sieht man nicht, sage ich, daß jene Unglücklichen von dem Geistlichen, an dessen Thüre sie anklopfen, mit einem Bibel- spruch getröstet oder gar mit den rauhen und bar- schen Worten abgewiesen werden: "Gehet hin und arbeitet! Jhr seid noch jung und gesund!" ""Wenn wir nur etwas zu arbeiten hätten! Wenn nur nicht von Fürsten und Regierungen alle Erwerbzweige so sehr durch Auflagen niedergebeugt wären, daß Jedem Vermögen und Neigung geraubt würden, etwas arbeiten zu lassen; dann wollten auch wir lieber zu nützlicher Thätigkeit unsere Kräfte ver- wenden, als bei hartherzigen, scheinheiligen Prie- stern, bei reichen, zur Arbeit unfähigen und schwel- gerischen Edelleuten, oder bei erbarmungslosen, müßigen und menschenfreundlichen Beamten die Brodtrinden betteln, die unter ihre Tische fallen und selbst von ihren Hunden verschmähet werden."" Das ist die gewöhnliche Sprache jener Elenden, wenn sie durch die Verweigerung der geringsten Gaben an den Rand der Verzweiflung und fast bis zum Selbstmorde gebracht sind.
Jch habe weiße Pharisäer und Leviten gekannt,
terland vergoß, waͤhrend der Herr Pfarrer in hoch- toͤnenden Worten vom ſchoͤnen Tode fuͤr’s Vater- land, von der Liebe zu dem angeſtammten Fuͤrſten- hauſe und vom tauſendjaͤhrigen Reich predigte, wo Gerechtigkeit und Freiheit, Friede und Wohlſtand ſich kuͤſſen werden; wie oft ſieht man nicht, ſage ich, daß jene Ungluͤcklichen von dem Geiſtlichen, an deſſen Thuͤre ſie anklopfen, mit einem Bibel- ſpruch getroͤſtet oder gar mit den rauhen und bar- ſchen Worten abgewieſen werden: »Gehet hin und arbeitet! Jhr ſeid noch jung und geſund!« »»Wenn wir nur etwas zu arbeiten haͤtten! Wenn nur nicht von Fuͤrſten und Regierungen alle Erwerbzweige ſo ſehr durch Auflagen niedergebeugt waͤren, daß Jedem Vermoͤgen und Neigung geraubt wuͤrden, etwas arbeiten zu laſſen; dann wollten auch wir lieber zu nuͤtzlicher Thaͤtigkeit unſere Kraͤfte ver- wenden, als bei hartherzigen, ſcheinheiligen Prie- ſtern, bei reichen, zur Arbeit unfaͤhigen und ſchwel- geriſchen Edelleuten, oder bei erbarmungsloſen, muͤßigen und menſchenfreundlichen Beamten die Brodtrinden betteln, die unter ihre Tiſche fallen und ſelbſt von ihren Hunden verſchmaͤhet werden.«« Das iſt die gewoͤhnliche Sprache jener Elenden, wenn ſie durch die Verweigerung der geringſten Gaben an den Rand der Verzweiflung und faſt bis zum Selbſtmorde gebracht ſind.
Jch habe weiße Phariſaͤer und Leviten gekannt,
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terland vergoß, waͤhrend der Herr Pfarrer in hoch-
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land, von der Liebe zu dem angeſtammten Fuͤrſten-
hauſe und vom tauſendjaͤhrigen Reich predigte, wo
Gerechtigkeit und Freiheit, Friede und Wohlſtand
ſich kuͤſſen werden; wie oft ſieht man nicht, ſage
ich, daß jene Ungluͤcklichen von dem Geiſtlichen,
an deſſen Thuͤre ſie anklopfen, mit einem Bibel-
ſpruch getroͤſtet oder gar mit den rauhen und bar-
ſchen Worten abgewieſen werden: »Gehet hin und
arbeitet! Jhr ſeid noch jung und geſund!« »»Wenn
wir nur etwas zu arbeiten haͤtten! Wenn nur nicht
von Fuͤrſten und Regierungen alle Erwerbzweige
ſo ſehr durch Auflagen niedergebeugt waͤren, daß
Jedem Vermoͤgen und Neigung geraubt wuͤrden,
etwas arbeiten zu laſſen; dann wollten auch wir
lieber zu nuͤtzlicher Thaͤtigkeit unſere Kraͤfte ver-
wenden, als bei hartherzigen, ſcheinheiligen Prie-
ſtern, bei reichen, zur Arbeit unfaͤhigen und ſchwel-
geriſchen Edelleuten, oder bei erbarmungsloſen,
muͤßigen und menſchenfreundlichen Beamten die
Brodtrinden betteln, die unter ihre Tiſche fallen
und ſelbſt von ihren Hunden verſchmaͤhet werden.««
Das iſt die gewoͤhnliche Sprache jener Elenden,
wenn ſie durch die Verweigerung der geringſten Gaben
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/262>, abgerufen am 21.11.2024.
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