sagt ein sehr würdiger katholischer Geistlicher *), welcher den Namen eines Geistlichen entweiht, der eigentliche Pfaffe; und Pfaffe ist, der geistlos kirch- liche Pflichten als vorgeschriebenes Tagewerk übt, gemächlich für heiliges Tagewerk fette Renten be- zieht, nebenbei nach kleinlichen Vorzügen geizt; Sittenverfall minder bedenklich findet, als Abwei- chung von einer Kirchenlehre, und darum geschäftig die leiseste Spur neuerungssüchtiger Ketzer verfolgt. Pfaffe ist, der in geheimnißreiche Formeln seinen Aberwitz und in ehrwürdiges Gewand seine Laster verhüllt; der mit schwererlernten Gebehrden sich zum Heiligen heuchelt, aber im Herzen den Gott verhöhnt, dem seine Lippen dienen; der zur schnö- den Ruhe für seine Trägheit menschliche Lügen zu Aussprüchen Gottes erhebt, und für Nichtsthun an seiner Kirche Krippe schwelgt; der wüthend den Weisen, der die Fackel der Wahrheit empor hält, zu Boden schlägt, daß nicht sein Licht ihn in sei- ner Gemächlichkeit störe, und hämisch ihm das Brandmal der Ketzerei aufdrückt, damit das Volk seinen Lehren kein Gehör gebe. Pfaffe ist, der zu- frieden lächelt, so es ihm gelingt, das andächtige Volk durch fromme Spielereien um die Frucht sei- ner Aecker zu betrügen, und sich Freudenmahle von
*)Keller in seinen Jdealen der Sittlichkeit S. 79 und 80.
ſagt ein ſehr wuͤrdiger katholiſcher Geiſtlicher *), welcher den Namen eines Geiſtlichen entweiht, der eigentliche Pfaffe; und Pfaffe iſt, der geiſtlos kirch- liche Pflichten als vorgeſchriebenes Tagewerk uͤbt, gemaͤchlich fuͤr heiliges Tagewerk fette Renten be- zieht, nebenbei nach kleinlichen Vorzuͤgen geizt; Sittenverfall minder bedenklich findet, als Abwei- chung von einer Kirchenlehre, und darum geſchaͤftig die leiſeſte Spur neuerungsſuͤchtiger Ketzer verfolgt. Pfaffe iſt, der in geheimnißreiche Formeln ſeinen Aberwitz und in ehrwuͤrdiges Gewand ſeine Laſter verhuͤllt; der mit ſchwererlernten Gebehrden ſich zum Heiligen heuchelt, aber im Herzen den Gott verhoͤhnt, dem ſeine Lippen dienen; der zur ſchnoͤ- den Ruhe fuͤr ſeine Traͤgheit menſchliche Luͤgen zu Ausſpruͤchen Gottes erhebt, und fuͤr Nichtsthun an ſeiner Kirche Krippe ſchwelgt; der wuͤthend den Weiſen, der die Fackel der Wahrheit empor haͤlt, zu Boden ſchlaͤgt, daß nicht ſein Licht ihn in ſei- ner Gemaͤchlichkeit ſtoͤre, und haͤmiſch ihm das Brandmal der Ketzerei aufdruͤckt, damit das Volk ſeinen Lehren kein Gehoͤr gebe. Pfaffe iſt, der zu- frieden laͤchelt, ſo es ihm gelingt, das andaͤchtige Volk durch fromme Spielereien um die Frucht ſei- ner Aecker zu betruͤgen, und ſich Freudenmahle von
*)Keller in ſeinen Jdealen der Sittlichkeit S. 79 und 80.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0276"n="276"/>ſagt ein ſehr wuͤrdiger katholiſcher Geiſtlicher <noteplace="foot"n="*)"><hirendition="#g">Keller</hi> in ſeinen <hirendition="#g">Jdealen der Sittlichkeit</hi><lb/>
S. 79 und 80.</note>,<lb/>
welcher den Namen eines Geiſtlichen entweiht, der<lb/>
eigentliche Pfaffe; und Pfaffe iſt, der geiſtlos kirch-<lb/>
liche Pflichten als vorgeſchriebenes Tagewerk uͤbt,<lb/>
gemaͤchlich fuͤr heiliges Tagewerk fette Renten be-<lb/>
zieht, nebenbei nach kleinlichen Vorzuͤgen geizt;<lb/>
Sittenverfall minder bedenklich findet, als Abwei-<lb/>
chung von einer Kirchenlehre, und darum geſchaͤftig<lb/>
die leiſeſte Spur neuerungsſuͤchtiger Ketzer verfolgt.<lb/>
Pfaffe iſt, der in geheimnißreiche Formeln ſeinen<lb/>
Aberwitz und in ehrwuͤrdiges Gewand ſeine Laſter<lb/>
verhuͤllt; der mit ſchwererlernten Gebehrden ſich<lb/>
zum Heiligen heuchelt, aber im Herzen den Gott<lb/>
verhoͤhnt, dem ſeine Lippen dienen; der zur ſchnoͤ-<lb/>
den Ruhe fuͤr ſeine Traͤgheit menſchliche Luͤgen zu<lb/>
Ausſpruͤchen Gottes erhebt, und fuͤr Nichtsthun an<lb/>ſeiner Kirche Krippe ſchwelgt; der wuͤthend den<lb/>
Weiſen, der die Fackel der Wahrheit empor haͤlt,<lb/>
zu Boden ſchlaͤgt, daß nicht ſein Licht ihn in ſei-<lb/>
ner Gemaͤchlichkeit ſtoͤre, und haͤmiſch ihm das<lb/>
Brandmal der Ketzerei aufdruͤckt, damit das Volk<lb/>ſeinen Lehren kein Gehoͤr gebe. Pfaffe iſt, der zu-<lb/>
frieden laͤchelt, ſo es ihm gelingt, das andaͤchtige<lb/>
Volk durch fromme Spielereien um die Frucht ſei-<lb/>
ner Aecker zu betruͤgen, und ſich Freudenmahle von<lb/></p></div></body></text></TEI>
[276/0276]
ſagt ein ſehr wuͤrdiger katholiſcher Geiſtlicher *),
welcher den Namen eines Geiſtlichen entweiht, der
eigentliche Pfaffe; und Pfaffe iſt, der geiſtlos kirch-
liche Pflichten als vorgeſchriebenes Tagewerk uͤbt,
gemaͤchlich fuͤr heiliges Tagewerk fette Renten be-
zieht, nebenbei nach kleinlichen Vorzuͤgen geizt;
Sittenverfall minder bedenklich findet, als Abwei-
chung von einer Kirchenlehre, und darum geſchaͤftig
die leiſeſte Spur neuerungsſuͤchtiger Ketzer verfolgt.
Pfaffe iſt, der in geheimnißreiche Formeln ſeinen
Aberwitz und in ehrwuͤrdiges Gewand ſeine Laſter
verhuͤllt; der mit ſchwererlernten Gebehrden ſich
zum Heiligen heuchelt, aber im Herzen den Gott
verhoͤhnt, dem ſeine Lippen dienen; der zur ſchnoͤ-
den Ruhe fuͤr ſeine Traͤgheit menſchliche Luͤgen zu
Ausſpruͤchen Gottes erhebt, und fuͤr Nichtsthun an
ſeiner Kirche Krippe ſchwelgt; der wuͤthend den
Weiſen, der die Fackel der Wahrheit empor haͤlt,
zu Boden ſchlaͤgt, daß nicht ſein Licht ihn in ſei-
ner Gemaͤchlichkeit ſtoͤre, und haͤmiſch ihm das
Brandmal der Ketzerei aufdruͤckt, damit das Volk
ſeinen Lehren kein Gehoͤr gebe. Pfaffe iſt, der zu-
frieden laͤchelt, ſo es ihm gelingt, das andaͤchtige
Volk durch fromme Spielereien um die Frucht ſei-
ner Aecker zu betruͤgen, und ſich Freudenmahle von
*) Keller in ſeinen Jdealen der Sittlichkeit
S. 79 und 80.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/276>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.