Bei keiner Religionsparthei waren die Bonzen so erfinderisch an Mitteln, den menschlichen Geist zu umnebeln, den Aberglauben zu befördern, und Vernunft und Sittlichkeit von der Welt zu verban- nen, als bei den Christen. Die Priester der Grie- chen und Römer älterer Zeit ließen sich, so ei- gennützig sie übrigens waren, noch von einem ge- wißen Gefühl für äußern Anstand, oft sogar von einem hohen ästhetischen Sinn leiten, den man aber bei den eckelhaften verächtlichen Pfaffen der Chri- stenheit gänzlich vermißt. Ein beschmutzter Lappen von dem Unterröckchen der Mutter Gottes oder ei- ner andern Heiligen, das Schnupftuch eines Mär- tyrers, der Bart eines Kirchenvaters sind ihnen Gegenstände der größten Verehrung, und selig ist der, dem die Erlaubniß zu Theil wird, diese Hei- ligthümer mit seinen Lippen zu berühren. Ja, sie würden uns sogar den Unrath des großen Lama im Vatikan als einen köstlichen Leckerbissen verscha- chern, wenn der Europäer nicht etwas eckelhafter wäre, als der Einwohner von Tibet. Daß selbst manche protestantische Monarchen eine so heilige und legitime Waare von allen Einfuhr - und Durch- gangszöllen freisprechen und ihren Absatz möglichst befördern würden, läßt sich von ihrer Weisheit und Frömmigkeit vermuthen.
Vielleicht giebt es nur wenig christliche Klö- ster, wenn anders von christlichen Klöstern
III. Bändchen. 27
Bei keiner Religionsparthei waren die Bonzen ſo erfinderiſch an Mitteln, den menſchlichen Geiſt zu umnebeln, den Aberglauben zu befoͤrdern, und Vernunft und Sittlichkeit von der Welt zu verban- nen, als bei den Chriſten. Die Prieſter der Grie- chen und Roͤmer aͤlterer Zeit ließen ſich, ſo ei- gennuͤtzig ſie uͤbrigens waren, noch von einem ge- wißen Gefuͤhl fuͤr aͤußern Anſtand, oft ſogar von einem hohen aͤſthetiſchen Sinn leiten, den man aber bei den eckelhaften veraͤchtlichen Pfaffen der Chri- ſtenheit gaͤnzlich vermißt. Ein beſchmutzter Lappen von dem Unterroͤckchen der Mutter Gottes oder ei- ner andern Heiligen, das Schnupftuch eines Maͤr- tyrers, der Bart eines Kirchenvaters ſind ihnen Gegenſtaͤnde der groͤßten Verehrung, und ſelig iſt der, dem die Erlaubniß zu Theil wird, dieſe Hei- ligthuͤmer mit ſeinen Lippen zu beruͤhren. Ja, ſie wuͤrden uns ſogar den Unrath des großen Lama im Vatikan als einen koͤſtlichen Leckerbiſſen verſcha- chern, wenn der Europaͤer nicht etwas eckelhafter waͤre, als der Einwohner von Tibet. Daß ſelbſt manche proteſtantiſche Monarchen eine ſo heilige und legitime Waare von allen Einfuhr - und Durch- gangszoͤllen freiſprechen und ihren Abſatz moͤglichſt befoͤrdern wuͤrden, laͤßt ſich von ihrer Weisheit und Froͤmmigkeit vermuthen.
Vielleicht giebt es nur wenig chriſtliche Kloͤ- ſter, wenn anders von chriſtlichen Kloͤſtern
III. Baͤndchen. 27
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Bei keiner Religionsparthei waren die Bonzen
ſo erfinderiſch an Mitteln, den menſchlichen Geiſt
zu umnebeln, den Aberglauben zu befoͤrdern, und
Vernunft und Sittlichkeit von der Welt zu verban-
nen, als bei den Chriſten. Die Prieſter der Grie-
chen und Roͤmer aͤlterer Zeit ließen ſich, ſo ei-
gennuͤtzig ſie uͤbrigens waren, noch von einem ge-
wißen Gefuͤhl fuͤr aͤußern Anſtand, oft ſogar von
einem hohen aͤſthetiſchen Sinn leiten, den man aber
bei den eckelhaften veraͤchtlichen Pfaffen der Chri-
ſtenheit gaͤnzlich vermißt. Ein beſchmutzter Lappen
von dem Unterroͤckchen der Mutter Gottes oder ei-
ner andern Heiligen, das Schnupftuch eines Maͤr-
tyrers, der Bart eines Kirchenvaters ſind ihnen
Gegenſtaͤnde der groͤßten Verehrung, und ſelig iſt
der, dem die Erlaubniß zu Theil wird, dieſe Hei-
ligthuͤmer mit ſeinen Lippen zu beruͤhren. Ja, ſie
wuͤrden uns ſogar den Unrath des großen Lama
im Vatikan als einen koͤſtlichen Leckerbiſſen verſcha-
chern, wenn der Europaͤer nicht etwas eckelhafter
waͤre, als der Einwohner von Tibet. Daß ſelbſt
manche proteſtantiſche Monarchen eine ſo heilige
und legitime Waare von allen Einfuhr - und Durch-
gangszoͤllen freiſprechen und ihren Abſatz moͤglichſt
befoͤrdern wuͤrden, laͤßt ſich von ihrer Weisheit und
Froͤmmigkeit vermuthen.
Vielleicht giebt es nur wenig chriſtliche Kloͤ-
ſter, wenn anders von chriſtlichen Kloͤſtern
III. Baͤndchen. 27
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/313>, abgerufen am 22.11.2024.
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