von Pfiff- und Dummköpfen verdrehet, verstümmelt und durch mancherlei Zusätze und Weglassungen so sehr entstellt wurden, daß man von ihrem wahren Jnhalte nachher wenig mehr erkennen konnte. Wo etwas jenen erhabenen Lehren widerspricht, da muß man es für untergeschoben erklären; wo et- was fehlt, das vortheilhaft seyn könnte, da sage man: es sei durch Schuld der Abschreiber weg ge- blieben. Es läßt sich aus der Bibel Alles machen, was man nur will, und es ist schon vieles daraus gemacht worden, was nicht hätte seyn sollen. Lei- der, ist die Lehre von der Legitimität, als die Frucht des tiefen Nachdenkens großer Monarchen und Diplomaten des gegenwärtigen Jahrhunderts, der Menschheit zu spät bekannt geworden. Frü- herhin schienen selbst manche der willkührlichsten Zwingherren der Meinung zu seyn, daß man Men- schen nicht als Viehheerden oder gar als todte, leb- lose Sachen vererben, verschachern, vertauschen, verschenken und erheirathen könnte, sondern daß man sie als vernünftige, zu geistiger und sittlicher Vervollkommnung bestimmte Wesen betrachten und behandeln müsse, und deshalb ward bei jedem Thronwechsel die Huldigung erfordert, wodurch dem Herrscher seine angemaßten oder übertragenen Be- fugnisse von den Völkern zuerkannt und bestätiget wurden. Dieser Umstand ist wichtig. Er beweist uns, daß Geburt, selbst nach der Meinung sehr
III. Bändchen. 29
von Pfiff- und Dummkoͤpfen verdrehet, verſtuͤmmelt und durch mancherlei Zuſaͤtze und Weglaſſungen ſo ſehr entſtellt wurden, daß man von ihrem wahren Jnhalte nachher wenig mehr erkennen konnte. Wo etwas jenen erhabenen Lehren widerſpricht, da muß man es fuͤr untergeſchoben erklaͤren; wo et- was fehlt, das vortheilhaft ſeyn koͤnnte, da ſage man: es ſei durch Schuld der Abſchreiber weg ge- blieben. Es laͤßt ſich aus der Bibel Alles machen, was man nur will, und es iſt ſchon vieles daraus gemacht worden, was nicht haͤtte ſeyn ſollen. Lei- der, iſt die Lehre von der Legitimitaͤt, als die Frucht des tiefen Nachdenkens großer Monarchen und Diplomaten des gegenwaͤrtigen Jahrhunderts, der Menſchheit zu ſpaͤt bekannt geworden. Fruͤ- herhin ſchienen ſelbſt manche der willkuͤhrlichſten Zwingherren der Meinung zu ſeyn, daß man Men- ſchen nicht als Viehheerden oder gar als todte, leb- loſe Sachen vererben, verſchachern, vertauſchen, verſchenken und erheirathen koͤnnte, ſondern daß man ſie als vernuͤnftige, zu geiſtiger und ſittlicher Vervollkommnung beſtimmte Weſen betrachten und behandeln muͤſſe, und deshalb ward bei jedem Thronwechſel die Huldigung erfordert, wodurch dem Herrſcher ſeine angemaßten oder uͤbertragenen Be- fugniſſe von den Voͤlkern zuerkannt und beſtaͤtiget wurden. Dieſer Umſtand iſt wichtig. Er beweist uns, daß Geburt, ſelbſt nach der Meinung ſehr
III. Baͤndchen. 29
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von Pfiff- und Dummkoͤpfen verdrehet, verſtuͤmmelt
und durch mancherlei Zuſaͤtze und Weglaſſungen ſo
ſehr entſtellt wurden, daß man von ihrem wahren
Jnhalte nachher wenig mehr erkennen konnte. Wo
etwas jenen erhabenen Lehren widerſpricht, da
muß man es fuͤr untergeſchoben erklaͤren; wo et-
was fehlt, das vortheilhaft ſeyn koͤnnte, da ſage
man: es ſei durch Schuld der Abſchreiber weg ge-
blieben. Es laͤßt ſich aus der Bibel Alles machen,
was man nur will, und es iſt ſchon vieles daraus
gemacht worden, was nicht haͤtte ſeyn ſollen. Lei-
der, iſt die Lehre von der Legitimitaͤt, als die
Frucht des tiefen Nachdenkens großer Monarchen
und Diplomaten des gegenwaͤrtigen Jahrhunderts,
der Menſchheit zu ſpaͤt bekannt geworden. Fruͤ-
herhin ſchienen ſelbſt manche der willkuͤhrlichſten
Zwingherren der Meinung zu ſeyn, daß man Men-
ſchen nicht als Viehheerden oder gar als todte, leb-
loſe Sachen vererben, verſchachern, vertauſchen,
verſchenken und erheirathen koͤnnte, ſondern daß
man ſie als vernuͤnftige, zu geiſtiger und ſittlicher
Vervollkommnung beſtimmte Weſen betrachten und
behandeln muͤſſe, und deshalb ward bei jedem
Thronwechſel die Huldigung erfordert, wodurch dem
Herrſcher ſeine angemaßten oder uͤbertragenen Be-
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uns, daß Geburt, ſelbſt nach der Meinung ſehr
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/337>, abgerufen am 22.11.2024.
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