dies eine Lüge zum Nachtheil eines An- dern seyn, und dem wirklichen Verfasser sein Ruhm dadurch entzogen und geschmä- lert würde.
Was ist ein Buch anders, als eine öffentliche Rede, als ein offener Brief an alle Menschen, die Fähigkeit und Jnteresse haben, ihn zu lesen? Handle ich widerrechtlich, wenn ich eine öffentliche Rede nachschreibe, und abschriftlich tausend Andern mit- theile? Gewiß nicht, wenn ich nur nicht durch vor- sätzliche Weglassungen und Zusätze Sinn und Jn- halt entstelle, oder mir gar die Ehre der Autor- schaft, das einzige geistige Eigenthum, welches dem Urheber ungekränkt verbleiben muß, anmaße! Handle ich unsittlich und widerrechtlich, wenn ich einen offenen Brief, dessen Jnhalt nach der Absicht des Schreibers, wo möglich der ganzen Welt be- kannt werden soll, buchstäblich abschreibe, und meine Abschriften verkaufe, um mich für den Aufwand von Zeit, Mühe und Kosten zu entschädigen? Nein. Jch befördere ja gerade die Absicht des Briefstellers; ich nenne ihn als den Verfasser, und entziehe ihm nichts von der Ehre oder -- der Schande, die ihm sein Brief erwerben kann und nach seinem eigenen Wunsche erwerben soll. So wenig man den Schnell- schreiber, der eine öffentliche mündliche Rede nach- schreibt, durch tausend, und abermal tausend Ab- schriften, ja sogar sie durch das Einrücken in Zei-
tun-
dies eine Luͤge zum Nachtheil eines An- dern ſeyn, und dem wirklichen Verfaſſer ſein Ruhm dadurch entzogen und geſchmaͤ- lert wuͤrde.
Was iſt ein Buch anders, als eine oͤffentliche Rede, als ein offener Brief an alle Menſchen, die Faͤhigkeit und Jntereſſe haben, ihn zu leſen? Handle ich widerrechtlich, wenn ich eine oͤffentliche Rede nachſchreibe, und abſchriftlich tauſend Andern mit- theile? Gewiß nicht, wenn ich nur nicht durch vor- ſaͤtzliche Weglaſſungen und Zuſaͤtze Sinn und Jn- halt entſtelle, oder mir gar die Ehre der Autor- ſchaft, das einzige geiſtige Eigenthum, welches dem Urheber ungekraͤnkt verbleiben muß, anmaße! Handle ich unſittlich und widerrechtlich, wenn ich einen offenen Brief, deſſen Jnhalt nach der Abſicht des Schreibers, wo moͤglich der ganzen Welt be- kannt werden ſoll, buchſtaͤblich abſchreibe, und meine Abſchriften verkaufe, um mich fuͤr den Aufwand von Zeit, Muͤhe und Koſten zu entſchaͤdigen? Nein. Jch befoͤrdere ja gerade die Abſicht des Briefſtellers; ich nenne ihn als den Verfaſſer, und entziehe ihm nichts von der Ehre oder — der Schande, die ihm ſein Brief erwerben kann und nach ſeinem eigenen Wunſche erwerben ſoll. So wenig man den Schnell- ſchreiber, der eine oͤffentliche muͤndliche Rede nach- ſchreibt, durch tauſend, und abermal tauſend Ab- ſchriften, ja ſogar ſie durch das Einruͤcken in Zei-
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dies eine Luͤge zum Nachtheil eines An-
dern ſeyn, und dem wirklichen Verfaſſer
ſein Ruhm dadurch entzogen und geſchmaͤ-
lert wuͤrde.
Was iſt ein Buch anders, als eine oͤffentliche
Rede, als ein offener Brief an alle Menſchen, die
Faͤhigkeit und Jntereſſe haben, ihn zu leſen? Handle
ich widerrechtlich, wenn ich eine oͤffentliche Rede
nachſchreibe, und abſchriftlich tauſend Andern mit-
theile? Gewiß nicht, wenn ich nur nicht durch vor-
ſaͤtzliche Weglaſſungen und Zuſaͤtze Sinn und Jn-
halt entſtelle, oder mir gar die Ehre der Autor-
ſchaft, das einzige geiſtige Eigenthum, welches
dem Urheber ungekraͤnkt verbleiben muß, anmaße!
Handle ich unſittlich und widerrechtlich, wenn ich
einen offenen Brief, deſſen Jnhalt nach der Abſicht
des Schreibers, wo moͤglich der ganzen Welt be-
kannt werden ſoll, buchſtaͤblich abſchreibe, und meine
Abſchriften verkaufe, um mich fuͤr den Aufwand
von Zeit, Muͤhe und Koſten zu entſchaͤdigen? Nein.
Jch befoͤrdere ja gerade die Abſicht des Briefſtellers;
ich nenne ihn als den Verfaſſer, und entziehe ihm
nichts von der Ehre oder — der Schande, die ihm
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/64>, abgerufen am 24.11.2024.
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