Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913.

Bild:
<< vorherige Seite

Ein Berliner Blatt hat die Forderung einer
militärischen Dienstpflicht der deutschen Frau für
so bedeutsam gehalten, daß es eine kleine Enquete
unter einigen Damen der Berliner Gesellschaft
veranstaltet hat.

Gar so neu ist aber der Gedanke ganz und gar
nicht. Vor ungefähr 20 Jahren bereits hat Helene
Lange eine dem Militärjahr des Mannes ent-
sprechende "einjährige Dienstzeit" verlangt, und
zwar wohlweislich nicht im Hinblick auf den Krieg,
sondern für den dauernden Zustand des Friedens.
Sie ging von der materiellen Not der Mädchen der
armen Klassen und von der geistigen Not der der
bemittelten Klassen aus, sie legte dar, wie an
beiden die mangelhafte, oberflächliche Erziehung
schuld hätte. Durch eine "einjährige Dienstzeit"
in einer der öffentlichen Wohlfahrt dienenden An-
stalt glaubte sie, sie heben und eine Brücke zwischen
beiden schlagen zu können.

Seither ist diese Forderung wiederholt erneuert
worden und fast immer aus dem Gesichtswinkel
der Vertiefung der Tätigkeit und des Verantwort-
lichkeitsgefühls der Frau der Gesamtheit gegen-
über.

Die Gründe sind durchaus zu billigen, trotzdem
ist es das Mittel nicht. Das habe ich bereits beim
seinerzeitigen Erscheinen der Schrift von Helene
Lange - sie betitelte sich "Not" - erklärt, und

Ein Berliner Blatt hat die Forderung einer
militärischen Dienstpflicht der deutschen Frau für
so bedeutsam gehalten, daß es eine kleine Enquete
unter einigen Damen der Berliner Gesellschaft
veranstaltet hat.

Gar so neu ist aber der Gedanke ganz und gar
nicht. Vor ungefähr 20 Jahren bereits hat Helene
Lange eine dem Militärjahr des Mannes ent-
sprechende „einjährige Dienstzeit“ verlangt, und
zwar wohlweislich nicht im Hinblick auf den Krieg,
sondern für den dauernden Zustand des Friedens.
Sie ging von der materiellen Not der Mädchen der
armen Klassen und von der geistigen Not der der
bemittelten Klassen aus, sie legte dar, wie an
beiden die mangelhafte, oberflächliche Erziehung
schuld hätte. Durch eine „einjährige Dienstzeit“
in einer der öffentlichen Wohlfahrt dienenden An-
stalt glaubte sie, sie heben und eine Brücke zwischen
beiden schlagen zu können.

Seither ist diese Forderung wiederholt erneuert
worden und fast immer aus dem Gesichtswinkel
der Vertiefung der Tätigkeit und des Verantwort-
lichkeitsgefühls der Frau der Gesamtheit gegen-
über.

Die Gründe sind durchaus zu billigen, trotzdem
ist es das Mittel nicht. Das habe ich bereits beim
seinerzeitigen Erscheinen der Schrift von Helene
Lange – sie betitelte sich „Not“ – erklärt, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0163" n="159"/>
          <p>Ein Berliner Blatt hat die Forderung einer<lb/>
militärischen Dienstpflicht der deutschen Frau für<lb/>
so bedeutsam gehalten, daß es eine kleine Enquete<lb/>
unter einigen Damen der Berliner Gesellschaft<lb/>
veranstaltet hat.</p><lb/>
          <p>Gar so neu ist aber der Gedanke ganz und gar<lb/>
nicht. Vor ungefähr 20 Jahren bereits hat Helene<lb/>
Lange eine dem Militärjahr des Mannes ent-<lb/>
sprechende &#x201E;einjährige Dienstzeit&#x201C; verlangt, und<lb/>
zwar wohlweislich nicht im Hinblick auf den Krieg,<lb/>
sondern für den dauernden Zustand des Friedens.<lb/>
Sie ging von der materiellen Not der Mädchen der<lb/>
armen Klassen und von der geistigen Not der der<lb/>
bemittelten Klassen aus, sie legte dar, wie an<lb/>
beiden die mangelhafte, oberflächliche Erziehung<lb/>
schuld hätte. Durch eine &#x201E;einjährige Dienstzeit&#x201C;<lb/>
in einer der öffentlichen Wohlfahrt dienenden An-<lb/>
stalt glaubte sie, sie heben und eine Brücke zwischen<lb/>
beiden schlagen zu können.</p><lb/>
          <p>Seither ist diese Forderung wiederholt erneuert<lb/>
worden und fast immer aus dem Gesichtswinkel<lb/>
der Vertiefung der Tätigkeit und des Verantwort-<lb/>
lichkeitsgefühls der Frau der Gesamtheit gegen-<lb/>
über.</p><lb/>
          <p>Die Gründe sind durchaus zu billigen, trotzdem<lb/>
ist es das Mittel nicht. Das habe ich bereits beim<lb/>
seinerzeitigen Erscheinen der Schrift von Helene<lb/>
Lange &#x2013; sie betitelte sich &#x201E;Not&#x201C; &#x2013; erklärt, und<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[159/0163] Ein Berliner Blatt hat die Forderung einer militärischen Dienstpflicht der deutschen Frau für so bedeutsam gehalten, daß es eine kleine Enquete unter einigen Damen der Berliner Gesellschaft veranstaltet hat. Gar so neu ist aber der Gedanke ganz und gar nicht. Vor ungefähr 20 Jahren bereits hat Helene Lange eine dem Militärjahr des Mannes ent- sprechende „einjährige Dienstzeit“ verlangt, und zwar wohlweislich nicht im Hinblick auf den Krieg, sondern für den dauernden Zustand des Friedens. Sie ging von der materiellen Not der Mädchen der armen Klassen und von der geistigen Not der der bemittelten Klassen aus, sie legte dar, wie an beiden die mangelhafte, oberflächliche Erziehung schuld hätte. Durch eine „einjährige Dienstzeit“ in einer der öffentlichen Wohlfahrt dienenden An- stalt glaubte sie, sie heben und eine Brücke zwischen beiden schlagen zu können. Seither ist diese Forderung wiederholt erneuert worden und fast immer aus dem Gesichtswinkel der Vertiefung der Tätigkeit und des Verantwort- lichkeitsgefühls der Frau der Gesamtheit gegen- über. Die Gründe sind durchaus zu billigen, trotzdem ist es das Mittel nicht. Das habe ich bereits beim seinerzeitigen Erscheinen der Schrift von Helene Lange – sie betitelte sich „Not“ – erklärt, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-12-07T10:34:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Juliane Nau: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-12-07T10:34:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/163
Zitationshilfe: Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/163>, abgerufen am 21.11.2024.