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Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913.

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keit erhalten werden, der Fortschritt der Gesamt-
heit leiden müsse.

Jn Deutschland waren es Hippel und Amalie
Holst, besonders aber Hippel, der in seiner "bür-
gerlichen Verbesserung der Weiber" dartat, daß,
solange die Frauen nur Vorrechte und keine Rechte
besitzen, sie ihre wahren Aufgaben als Ehegattin
des Mannes, als Mutter ihrer Kinder, als Pfle-
gerin nie erfüllen können.

Noch aber standen Sitte und Gewohnheit den
neuen Lehren entgegen. Der lachende Philosoph
wurde nicht ernst genommen, und die zarte, echt
weibliche, warmfühlende Mary Wollstonecraft
wurde eine Hyäne in Unterröcken genannt.

Napoleon legte auf Geschlechter hinaus, in dem
nach ihm benannten Code, die Frau in neue gesetz-
liche Fesseln.

Nichtsdestoweniger konnte der Einfluß des
Jndividualismus, der zu Anfang des 19. Jahr-
hunderts die allgemeine Weltanschauung bildete,
auch auf die Frauen nicht ausbleiben. Wenn für
das individuelle Glück des Menschen alle Hebel in
Bewegung gesetzt werden sollten, wenn die Ent-
wicklung zu schöner Einzelpersönlichkeit die
Hauptaufgabe der ästhetischen Kulturarbeit be-
deutete, war es da nicht Pflicht der Frauen, auch
ihre Persönlichkeit zu befreien und zu behaupten?
Die Neuhumanisten versuchten die Eigenart der

keit erhalten werden, der Fortschritt der Gesamt-
heit leiden müsse.

Jn Deutschland waren es Hippel und Amalie
Holst, besonders aber Hippel, der in seiner „bür-
gerlichen Verbesserung der Weiber“ dartat, daß,
solange die Frauen nur Vorrechte und keine Rechte
besitzen, sie ihre wahren Aufgaben als Ehegattin
des Mannes, als Mutter ihrer Kinder, als Pfle-
gerin nie erfüllen können.

Noch aber standen Sitte und Gewohnheit den
neuen Lehren entgegen. Der lachende Philosoph
wurde nicht ernst genommen, und die zarte, echt
weibliche, warmfühlende Mary Wollstonecraft
wurde eine Hyäne in Unterröcken genannt.

Napoleon legte auf Geschlechter hinaus, in dem
nach ihm benannten Code, die Frau in neue gesetz-
liche Fesseln.

Nichtsdestoweniger konnte der Einfluß des
Jndividualismus, der zu Anfang des 19. Jahr-
hunderts die allgemeine Weltanschauung bildete,
auch auf die Frauen nicht ausbleiben. Wenn für
das individuelle Glück des Menschen alle Hebel in
Bewegung gesetzt werden sollten, wenn die Ent-
wicklung zu schöner Einzelpersönlichkeit die
Hauptaufgabe der ästhetischen Kulturarbeit be-
deutete, war es da nicht Pflicht der Frauen, auch
ihre Persönlichkeit zu befreien und zu behaupten?
Die Neuhumanisten versuchten die Eigenart der

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[13/0017] keit erhalten werden, der Fortschritt der Gesamt- heit leiden müsse. Jn Deutschland waren es Hippel und Amalie Holst, besonders aber Hippel, der in seiner „bür- gerlichen Verbesserung der Weiber“ dartat, daß, solange die Frauen nur Vorrechte und keine Rechte besitzen, sie ihre wahren Aufgaben als Ehegattin des Mannes, als Mutter ihrer Kinder, als Pfle- gerin nie erfüllen können. Noch aber standen Sitte und Gewohnheit den neuen Lehren entgegen. Der lachende Philosoph wurde nicht ernst genommen, und die zarte, echt weibliche, warmfühlende Mary Wollstonecraft wurde eine Hyäne in Unterröcken genannt. Napoleon legte auf Geschlechter hinaus, in dem nach ihm benannten Code, die Frau in neue gesetz- liche Fesseln. Nichtsdestoweniger konnte der Einfluß des Jndividualismus, der zu Anfang des 19. Jahr- hunderts die allgemeine Weltanschauung bildete, auch auf die Frauen nicht ausbleiben. Wenn für das individuelle Glück des Menschen alle Hebel in Bewegung gesetzt werden sollten, wenn die Ent- wicklung zu schöner Einzelpersönlichkeit die Hauptaufgabe der ästhetischen Kulturarbeit be- deutete, war es da nicht Pflicht der Frauen, auch ihre Persönlichkeit zu befreien und zu behaupten? Die Neuhumanisten versuchten die Eigenart der

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-12-07T10:34:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/17>, abgerufen am 26.04.2024.